Bill Clinton war ziemlich frisch im Amt, da erließ er die executive order 12866. Mitte der Neunzigerjahre war sie ein Kind ihrer Zeit, sie sollte Verwaltungshandeln ökonomisieren. „Bei der Entscheidung, ob und wie sie handeln“, so dekretierte der damalige US-Präsident 1993, „sollen Behörden Kosten und Nutzen aller Alternativen überprüfen, inklusive Kosten und Nutzen, wenn sie nichts regulieren“. Nummer 12866 sollte die Bundesbehörden auf Effizienz trimmen. Dass sie mal zu einem Instrument für Klimaschutz werden könnte, hatte selbst Clinton seinerzeit nicht im Sinn.
20 Jahre später befassen sich ganze Arbeitsstäbe mit der Frage, wie sich die Verordnung auf die amerikanische Klimapolitik übertragen lässt, auf Vorgaben für die Effizienz von Fahrzeugen, auf Vorschriften für Zementwerke, auf die Luftverschmutzung von Kohlekraftwerken. Denn auch die amerikanische Umweltbehörde EPA ist der Verordnung von einst unterworfen. Und so errechnet die Regierung in einer eigenen Arbeitsgruppe regelmäßig den Preis des Klimawandels: die social cost of carbon.
Es sind hochpolitische, unglaublich komplexe Berechnungen. Jede Tonne Kohlendioxid bekommt hier einen Preis, der ihren Schaden bemessen soll – und das über Jahrzehnte hinweg. Je höher der Wert angesetzt wird, desto mehr und desto schärfere behördliche Eingriffe lassen sich rechtfertigen. Doch zugleich ist es eine Rechnung mit vielen Unbekannten: Welche Schäden drohen? Wie viel werden sie kosten? Wie entwickeln sich diese Kosten mit der Zeit? Und: Wie entwickelt sich die Wirtschaft, welche Schäden kann sie verkraften?
Dürre in Kalifornien: Ein Problem für die Rinderhaltung. Wie teuer ist der klimatisch bedingte Verlust von Weideland?
Eines ist einmal sicher: Je länger Klimaschutzmaßnahmen hinausgezögert werden, desto teurer werden sie. 2013 rechnete die Arbeitsgruppe die sozialen Kosten neu durch – und erhielt eine höhere Bandbreite als noch drei Jahre zuvor. Demnach könnten die sozialen Kosten einer Tonne Kohlendioxid im Jahr 2020 zwischen 13 und 137 Dollar liegen, viel mehr als noch die Berechnungen drei Jahre zuvor. Da kalkulierte die Arbeitsgruppe, die mit verschiedenen Behörden zusammenarbeitet, eine Spanne von sieben bis 86 Dollar. Der Grund für die Steigerung: Einige Schäden lassen sich in den Rechenmodellen inzwischen besser abbilden, etwa solche durch steigende Meeresspiegel. So steigen auch die Kosten, oder, wie die Arbeitsgruppe das nennt: die „monetarisierten Schäden, die mit einem schrittweisen Anstieg der Emissionen in einem bestimmten Jahr verbunden sind“.
Dahinter steht eine eigene Philosophie des Klimaschutzes. In der EU ist eine zwischen den Mitgliedstaaten ausgehandelte Begrenzung der Emissionen Dreh- und Angelpunkt der Klimapolitik, in den USA ist es die Abwehr von Schäden für die Allgemeinheit. Denn seit einem Urteil des Obersten Gerichtshofes der USA im Jahr 2007 gilt Kohlendioxid als Luftschadstoff, daraus leitet sich die Kompetenz der Umweltbehörde EPA ab – und daraus wiederum die Pflicht, Kosten und Nutzen zu kalkulieren. Die Kosten des Klimawandels geraten damit auch mitten in die politische Auseinandersetzung: Die Industrie etwa hat wenig Interesse an hohen Kosten, aus Angst vor weiteren Eingriffen.
Auch in Deutschland gab es Versuche, die Kosten von Treibhausgas-Emissionen zu quantifizieren. Experten des Umweltbundesamtes kamen auf 80 Euro je Tonne Kohlendioxid. „Die Schätzungen der Umweltkosten machen deutlich, wie teuer das Nichtstun wäre“, sagt Andreas Burger, Fachbereichsleiter für Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Umweltfragen bei der Dessauer Bundesbehörde. „Aber methodisch sind solche Berechnungen eine echte Herausforderung.“
Denn selbst eingefleischte Ökonomen führen die Berechnungen weit hinein ins Reich der Annahmen und Unbekannten, sie stoßen schnell an die Grenzen ihrer Wissenschaft. Nicht nur der Umfang der zu erwartenden Schäden ist unbekannt, sondern auch die künftige Verfassung der Wirtschaft. Eine stark wachsende Wirtschaft kommt mit Kosten besser klar als eine, die von den Schäden ihrerseits in Mitleidenschaft gezogen wird. Zudem wird eine Gesellschaft Schäden, die erst in vielen Jahren auftreten, anders bewerten als solche, die unmittelbar vor der Tür stehen. Ganz anders allerdings geht es der nächsten Generation – sie wird möglicherweise weit größere, teurere Schäden gewärtigen. Jedenfalls dann, wenn die Klimapolitik nicht umsteuert. Allerdings wird diese Generation mutmaßlich auch reicher sein.
Die offizielle Kalkulation der Vereinigten Staaten behilft sich mit Zinsberechnungen, um diese Unsicherheiten aufzufangen – sowohl was den Zeitpunkt der Schäden angeht als auch mit Blick auf Präferenzen und Wohlstand der Gesellschaft. Dadurch entstehen aber auch die gewaltigen Bandbreiten. Für das Jahr 2050 etwa sehen die Kalkulationen im ungünstigsten Fall soziale Kosten von 221 Dollar je Tonne Kohlendioxid vor, berechnet in Preisen von 2007.
Selbst das könnte noch untertrieben sein. In einem vor wenigen Woche im Fachjournal Nature Climate Change veröffentlichten Aufsatz kommen die Ökonomen Frances Moore und Delavane Diaz von der kalifornischen Stanford-Universität zu dem Ergebnis, die sozialen Kosten könnten schon heute noch weit höher sein – wenn die Rechenmodelle in Betracht zögen, dass der Klimawandel auch das Wirtschaftswachstum beeinträchtigt.
Die gängigen Modelle, die Ökonomen heute für ihre Kosten-Nutzen-Rechnungen nutzen, klammern den Effekt des Klimawandels auf die Wachstumsraten von Ländern nämlich aus. Bislang ist zu wenig darüber bekannt, wie extreme Dürren oder Niederschläge, steigende Meeresspiegel oder die Versauerung der Meere die Wachstumsraten beeinflussen. Als relativ sicher gilt aber, dass der Effekt negativ ist. Moore und Diaz stützen sich auf aktuelle Forschungsergebnisse, wonach es einen negativen Zusammenhang zwischen warmen Temperaturen und dem Wachstum gibt, der in ärmeren Ländern besonders stark ausfällt. Wenn der Klimawandel nicht nur die Wirtschaftsleistung, sondern auch die Wachstumsraten negativ beeinflusse, häufe sich dieser Effekt mit der Zeit an, sagte Moore nach der Veröffentlichung: „Und das führt dann zu deutlich höheren sozialen Kosten.“
Deutlich höher heißt hier: beinahe sechs Mal so hoch wie die offizielle Berechnungsgrundlage der Obama-Regierung. Damit ließen sich viel härtere Maßnahmen rechtfertigen, als der US-Präsident sie in seinem Klima-Aktionsplan angekündigt hat.
Mit ihren Ergebnissen sind die beiden Ökonomen nicht allein. Erst im vorigen Jahr argumentierte eine interdisziplinäre Forschergruppe um den Wirtschaftsnobelpreisträger Kenneth Arrow im Journal Nature, trotz aller Unwägbarkeiten würden die sozialen Kosten heute als zu gering angenommen. „Die führenden Modelle unterschätzen wahrscheinlich die zukünftigen Schäden“, schrieben sie. Dazu gehörten etwa negative Folgen für die Produktivität einer Volkswirtschaft oder ganze Gesellschaften, die massive Ernteausfälle nicht verkraften können. Zahlreiche weitere Papiere erschienen in den vergangenen Jahren, deren Ergebnisse in die gleiche Richtung weisen.
Auch der Weltklimarat IPCC kam in seinem vierten Sachstandsbericht zu dem Ergebnis, dass die US-Berechnungen „wahrscheinlich“ die Schäden unterschätzten; und im erst kürzlich veröffentlichten fünften Bericht handelt der Klimarat sie im Kapitel über Ethik ab – wegen der vielen offenen ethischen Fragen: Wie soll man zum Beispiel bestimmen, welchen ökonomischen Wert die Artenvielfalt in einem Korallenriff hat? Wie viel sollte den Europäern fruchtbarer Boden in afrikanischen Agrarstaaten wert sein? Wie viel Verantwortung müssen die industrialisierten Länder für die Weltgemeinschaft übernehmen, sind sie doch für den überwiegenden Teil der bislang angefallenen Treibhausgase verantwortlich? Auch die Frage stellt sich, ob man politische Maßnahmen mit derart unsicheren Rechenmodellen rechtfertigen sollte.
„Die Debatte an sich ist nicht uninteressant“, sagt Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung und Kopf der zuständigen Arbeitsgruppe des IPCC. „Aber letztlich bleibt es dabei, dass die Unsicherheiten bei heutigem Kenntnisstand kaum auflösbar sind. Wir kennen die Schäden in der Zukunft nicht, wir wissen nicht, wann es Sprünge bei den Klimaschäden gibt, und auch nicht, wo für Gesellschaften die Grenzen der Anpassung liegen.“
So lasse sich die Frage, wie eine Gesellschaft mit der unterschiedlichen Betroffenheit verschiedener Generationen umgehe, „auch nicht durch die Wissenschaft wegdiskutieren“. Was gegenwärtige Generationen künftigen hinterlassen, was eine Generation im reichen Amerika der gleichen Generation in einem Entwicklungsland aufbürdet – die social cost of carbon stoßen selbst bei Berechnungen für inländische Maßnahmen an grundlegende ethische Fragen der weltweiten Klimapolitik. Und können sie doch nicht lösen.
Sinnvoller sei es, so schlug auch der IPCC vor, die Kosteneffektivität zu analysieren: Was also der Klimaschutz kosten würde, wenn die Erderwärmung bei einem bestimmten Temperaturplus haltmachen soll. Etwa bei zwei Grad Celsius. „Der Vorteil ist, dass sich daraus ein Emissionsbudget ableiten ließe, und daraus wiederum Preise“, sagt Edenhofer. Das käme dem europäischen Weg näher. Preise für den Ausstoß von Treibhausgasen ergeben sich hier aus einem politisch verbindlichen Ziel, die Emissionen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt um einen festgelegten Anteil zu senken. Den richtigen Preis soll der Markt finden. Wenn nur Europas Instrument dafür, der Emissionshandel, endlich wieder funktionieren würde: Die Tonne Kohlendioxid kostet hierzulande derzeit gut sieben Euro, umgerechnet an die acht Dollar. So niedrig wird sie nach Direktive 12866 in den Staaten schon lange nicht mehr bewertet.
20 Jahre später befassen sich ganze Arbeitsstäbe mit der Frage, wie sich die Verordnung auf die amerikanische Klimapolitik übertragen lässt, auf Vorgaben für die Effizienz von Fahrzeugen, auf Vorschriften für Zementwerke, auf die Luftverschmutzung von Kohlekraftwerken. Denn auch die amerikanische Umweltbehörde EPA ist der Verordnung von einst unterworfen. Und so errechnet die Regierung in einer eigenen Arbeitsgruppe regelmäßig den Preis des Klimawandels: die social cost of carbon.
Es sind hochpolitische, unglaublich komplexe Berechnungen. Jede Tonne Kohlendioxid bekommt hier einen Preis, der ihren Schaden bemessen soll – und das über Jahrzehnte hinweg. Je höher der Wert angesetzt wird, desto mehr und desto schärfere behördliche Eingriffe lassen sich rechtfertigen. Doch zugleich ist es eine Rechnung mit vielen Unbekannten: Welche Schäden drohen? Wie viel werden sie kosten? Wie entwickeln sich diese Kosten mit der Zeit? Und: Wie entwickelt sich die Wirtschaft, welche Schäden kann sie verkraften?
Dürre in Kalifornien: Ein Problem für die Rinderhaltung. Wie teuer ist der klimatisch bedingte Verlust von Weideland?
Eines ist einmal sicher: Je länger Klimaschutzmaßnahmen hinausgezögert werden, desto teurer werden sie. 2013 rechnete die Arbeitsgruppe die sozialen Kosten neu durch – und erhielt eine höhere Bandbreite als noch drei Jahre zuvor. Demnach könnten die sozialen Kosten einer Tonne Kohlendioxid im Jahr 2020 zwischen 13 und 137 Dollar liegen, viel mehr als noch die Berechnungen drei Jahre zuvor. Da kalkulierte die Arbeitsgruppe, die mit verschiedenen Behörden zusammenarbeitet, eine Spanne von sieben bis 86 Dollar. Der Grund für die Steigerung: Einige Schäden lassen sich in den Rechenmodellen inzwischen besser abbilden, etwa solche durch steigende Meeresspiegel. So steigen auch die Kosten, oder, wie die Arbeitsgruppe das nennt: die „monetarisierten Schäden, die mit einem schrittweisen Anstieg der Emissionen in einem bestimmten Jahr verbunden sind“.
Dahinter steht eine eigene Philosophie des Klimaschutzes. In der EU ist eine zwischen den Mitgliedstaaten ausgehandelte Begrenzung der Emissionen Dreh- und Angelpunkt der Klimapolitik, in den USA ist es die Abwehr von Schäden für die Allgemeinheit. Denn seit einem Urteil des Obersten Gerichtshofes der USA im Jahr 2007 gilt Kohlendioxid als Luftschadstoff, daraus leitet sich die Kompetenz der Umweltbehörde EPA ab – und daraus wiederum die Pflicht, Kosten und Nutzen zu kalkulieren. Die Kosten des Klimawandels geraten damit auch mitten in die politische Auseinandersetzung: Die Industrie etwa hat wenig Interesse an hohen Kosten, aus Angst vor weiteren Eingriffen.
Auch in Deutschland gab es Versuche, die Kosten von Treibhausgas-Emissionen zu quantifizieren. Experten des Umweltbundesamtes kamen auf 80 Euro je Tonne Kohlendioxid. „Die Schätzungen der Umweltkosten machen deutlich, wie teuer das Nichtstun wäre“, sagt Andreas Burger, Fachbereichsleiter für Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Umweltfragen bei der Dessauer Bundesbehörde. „Aber methodisch sind solche Berechnungen eine echte Herausforderung.“
Denn selbst eingefleischte Ökonomen führen die Berechnungen weit hinein ins Reich der Annahmen und Unbekannten, sie stoßen schnell an die Grenzen ihrer Wissenschaft. Nicht nur der Umfang der zu erwartenden Schäden ist unbekannt, sondern auch die künftige Verfassung der Wirtschaft. Eine stark wachsende Wirtschaft kommt mit Kosten besser klar als eine, die von den Schäden ihrerseits in Mitleidenschaft gezogen wird. Zudem wird eine Gesellschaft Schäden, die erst in vielen Jahren auftreten, anders bewerten als solche, die unmittelbar vor der Tür stehen. Ganz anders allerdings geht es der nächsten Generation – sie wird möglicherweise weit größere, teurere Schäden gewärtigen. Jedenfalls dann, wenn die Klimapolitik nicht umsteuert. Allerdings wird diese Generation mutmaßlich auch reicher sein.
Die offizielle Kalkulation der Vereinigten Staaten behilft sich mit Zinsberechnungen, um diese Unsicherheiten aufzufangen – sowohl was den Zeitpunkt der Schäden angeht als auch mit Blick auf Präferenzen und Wohlstand der Gesellschaft. Dadurch entstehen aber auch die gewaltigen Bandbreiten. Für das Jahr 2050 etwa sehen die Kalkulationen im ungünstigsten Fall soziale Kosten von 221 Dollar je Tonne Kohlendioxid vor, berechnet in Preisen von 2007.
Selbst das könnte noch untertrieben sein. In einem vor wenigen Woche im Fachjournal Nature Climate Change veröffentlichten Aufsatz kommen die Ökonomen Frances Moore und Delavane Diaz von der kalifornischen Stanford-Universität zu dem Ergebnis, die sozialen Kosten könnten schon heute noch weit höher sein – wenn die Rechenmodelle in Betracht zögen, dass der Klimawandel auch das Wirtschaftswachstum beeinträchtigt.
Die gängigen Modelle, die Ökonomen heute für ihre Kosten-Nutzen-Rechnungen nutzen, klammern den Effekt des Klimawandels auf die Wachstumsraten von Ländern nämlich aus. Bislang ist zu wenig darüber bekannt, wie extreme Dürren oder Niederschläge, steigende Meeresspiegel oder die Versauerung der Meere die Wachstumsraten beeinflussen. Als relativ sicher gilt aber, dass der Effekt negativ ist. Moore und Diaz stützen sich auf aktuelle Forschungsergebnisse, wonach es einen negativen Zusammenhang zwischen warmen Temperaturen und dem Wachstum gibt, der in ärmeren Ländern besonders stark ausfällt. Wenn der Klimawandel nicht nur die Wirtschaftsleistung, sondern auch die Wachstumsraten negativ beeinflusse, häufe sich dieser Effekt mit der Zeit an, sagte Moore nach der Veröffentlichung: „Und das führt dann zu deutlich höheren sozialen Kosten.“
Deutlich höher heißt hier: beinahe sechs Mal so hoch wie die offizielle Berechnungsgrundlage der Obama-Regierung. Damit ließen sich viel härtere Maßnahmen rechtfertigen, als der US-Präsident sie in seinem Klima-Aktionsplan angekündigt hat.
Mit ihren Ergebnissen sind die beiden Ökonomen nicht allein. Erst im vorigen Jahr argumentierte eine interdisziplinäre Forschergruppe um den Wirtschaftsnobelpreisträger Kenneth Arrow im Journal Nature, trotz aller Unwägbarkeiten würden die sozialen Kosten heute als zu gering angenommen. „Die führenden Modelle unterschätzen wahrscheinlich die zukünftigen Schäden“, schrieben sie. Dazu gehörten etwa negative Folgen für die Produktivität einer Volkswirtschaft oder ganze Gesellschaften, die massive Ernteausfälle nicht verkraften können. Zahlreiche weitere Papiere erschienen in den vergangenen Jahren, deren Ergebnisse in die gleiche Richtung weisen.
Auch der Weltklimarat IPCC kam in seinem vierten Sachstandsbericht zu dem Ergebnis, dass die US-Berechnungen „wahrscheinlich“ die Schäden unterschätzten; und im erst kürzlich veröffentlichten fünften Bericht handelt der Klimarat sie im Kapitel über Ethik ab – wegen der vielen offenen ethischen Fragen: Wie soll man zum Beispiel bestimmen, welchen ökonomischen Wert die Artenvielfalt in einem Korallenriff hat? Wie viel sollte den Europäern fruchtbarer Boden in afrikanischen Agrarstaaten wert sein? Wie viel Verantwortung müssen die industrialisierten Länder für die Weltgemeinschaft übernehmen, sind sie doch für den überwiegenden Teil der bislang angefallenen Treibhausgase verantwortlich? Auch die Frage stellt sich, ob man politische Maßnahmen mit derart unsicheren Rechenmodellen rechtfertigen sollte.
„Die Debatte an sich ist nicht uninteressant“, sagt Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung und Kopf der zuständigen Arbeitsgruppe des IPCC. „Aber letztlich bleibt es dabei, dass die Unsicherheiten bei heutigem Kenntnisstand kaum auflösbar sind. Wir kennen die Schäden in der Zukunft nicht, wir wissen nicht, wann es Sprünge bei den Klimaschäden gibt, und auch nicht, wo für Gesellschaften die Grenzen der Anpassung liegen.“
So lasse sich die Frage, wie eine Gesellschaft mit der unterschiedlichen Betroffenheit verschiedener Generationen umgehe, „auch nicht durch die Wissenschaft wegdiskutieren“. Was gegenwärtige Generationen künftigen hinterlassen, was eine Generation im reichen Amerika der gleichen Generation in einem Entwicklungsland aufbürdet – die social cost of carbon stoßen selbst bei Berechnungen für inländische Maßnahmen an grundlegende ethische Fragen der weltweiten Klimapolitik. Und können sie doch nicht lösen.
Sinnvoller sei es, so schlug auch der IPCC vor, die Kosteneffektivität zu analysieren: Was also der Klimaschutz kosten würde, wenn die Erderwärmung bei einem bestimmten Temperaturplus haltmachen soll. Etwa bei zwei Grad Celsius. „Der Vorteil ist, dass sich daraus ein Emissionsbudget ableiten ließe, und daraus wiederum Preise“, sagt Edenhofer. Das käme dem europäischen Weg näher. Preise für den Ausstoß von Treibhausgasen ergeben sich hier aus einem politisch verbindlichen Ziel, die Emissionen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt um einen festgelegten Anteil zu senken. Den richtigen Preis soll der Markt finden. Wenn nur Europas Instrument dafür, der Emissionshandel, endlich wieder funktionieren würde: Die Tonne Kohlendioxid kostet hierzulande derzeit gut sieben Euro, umgerechnet an die acht Dollar. So niedrig wird sie nach Direktive 12866 in den Staaten schon lange nicht mehr bewertet.