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Warum Obama „out of fucks“ ist

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Und plötzlich, so heißt es, ist Barack Obama wieder cool. Der Szene währen seiner Rede zur Lage der Nation wegen: „I have no more campaigns to run“, sagt er da. Ein paar der Republikaner giggeln und klatschen schadenfroh, wie es sich für die Oppositionspartei gehört, und der US-Präsident reicht ihnen mit einem Seitenblick nach: „I know 'cause I won both of them!“ Versenkt. Ganz locker.




So viele "Fucks" hat Obama noch übrig.

Aber eigentlich stimmt das ja nicht. Denn eigentlich sagt er das ja alles nicht locker. Wenn wir ehrlich sind, hat die Art, wie der US-Präsident den ersten Satz nachhallen lässt, sogar etwas tendenziell Steifes. Bisschen bockig vielleicht sogar. Wie er den Worten hinterher sieht, das Profil in die Kamera gedreht, den Blick an einen nicht vorhandenen Horizont geheftet, als vergewissere er sich eben schnell noch, dass die erschütternde Wahrheit, die er eben in die Welt entlassen hat, dort auch sicher ankommt: So cool, wie alle jetzt behaupten, ist das gar nicht. Es wirkt einstudiert. Gelernt. Nicht gelebt. Und wer auf Youtube ein paar Mal hin- und herspult, glaubt auch nicht mehr, dass der Witz, mit dem er die Republikanern auskontert, wirklich spontan war.

https://www.youtube.com/watch?v=4fI5-BZyzRU
 
Andererseits ist es auch nichts Neues mehr, dass in den US-Präsident mindestens eine Prise mehr Coolness projiziert wird, als da tatsächlich ist (Andrian Kreye vom SZ-Feuilleton hat das hier zum Beispiel mal analysiert).
 
Nun also „zero fucks“.
 
Seit der Rede ist die Redewendung im Kosmos Politik angekommen. Kommentatoren und das Internet sehen den Präsidenten nämlich in einem neuen Karriereabschnitt: dem einer sehr souveränen Wurschtigkeit gegenüber vielem, was die Politik so unbeliebt macht - wahltaktische Spielchen zum Beispiel, übertriebene Versprechungen, um wiedergewählt zu werden, oder Postengeschacher. Alles nicht mehr sein Thema. No more campaigns to run. Obama sei jetzt in der „zero fucks phase“, schrieb Megan Garber auf theatlantic.com daraufhin. Und medium.com titelte: „Barack Obama is out of fucks“.
 
Beides bezieht sich auf ein Mem, das schon seit ein paar Jahren im Netz verbreitet ist. „Zero fucks given“ heißt so viel wie „Geht mir grandios am Arsch vorbei“ und signalisiert dabei die minimal-brachiale Gleichgültigkeit, die auch ein guter Indie-, Rap- oder Protest-Song haben könnte. Benutzt wird es zum Beispiel so:

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Oder auch so:

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Und seit Neuestem eben auch so:

[plugin imagelink link="http://i.imgur.com/Noqw0D8.jpg" imagesrc="http://i.imgur.com/Noqw0D8.jpg"]
 
Was so weit alles bekannt ist. Allerdings geht Megan Garbers Vorschlag noch weiter. Sie regt an, mit dem Begriff „zero fucks phase“ den Ausdruck „lame duck“ zu ersetzen – bislang das Schimpfwort der Wahl, wenn man jemanden charakterisieren wollte, der in seinem Job nicht mehr sehr hoch zielt, weil er eh bald weg ist.
 
Der Ausdruck, so die Atlantic-Autorin, sei als Bild unverständlich, träfe vor allem aber oft nicht zu. Und in der Tat: Wer sich nicht mehr um das tägliche Geplänkel kümmern muss, wer sich mit Blick auf die Spielregeln frei dazu entschließen kann, sie auch mal zu ignorieren und ein par Felder zu überspringen, der wird dabei nicht zwangsläufig zum Underperformer (was die Lame-Duck-Metapher ja unterstellt). Er kann im Gegenteil sogar sehr viel freier und damit wirkmächtiger agieren. Theoretisch jedenfalls. Und falls er doch zum trägen Aussitzer wird, passt die neue Phrase ja auch noch - wie in: "Ich weiß, ihr erwartet noch ein politisches Programm, but I don't give a single fuck!" Sprachlich ist das schon sehr viel zweckdienlicher. Gut also.
 
Schlecht hingegen: Eine deutsche Übersetzung muss, wie so oft, vermutlich scheitern. Angela Merkel erreicht bestimmt bald die „Geht-mir-am-Arsch-vorbei-Phase“? Horst Seehofer ist jüngst in die „Geb’-ich-nen-Fick-drauf-Ära“ eingetreten? Peer Steinbrück blickt seit ein paar Monaten mit „Interessiert-mich-nen-feuchten-Furz-Attitüde“ auf die Politik? Irgendwie entwickelt das nicht denselben Wumms. Dann wahrscheinlich doch lieber ein verklärter Obama – komplett out of fucks. Out of flying fucks womöglich sogar.

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