Es ist Montag in Dresden, und alles ist anders. Keine Deutschlandflaggen vor der Semperoper diesmal, keine Trillerpfeifen und Warnwesten auf der Gegenseite. Die Dresdner Polizei hat alle Versammlungen unter freiem Himmel untersagt – die Gefahr eines Terroranschlages sei nicht mehr abstrakt, sondern konkret, heißt es als Begründung für die Allgemeinverfügung.
Die Mitbegründer der Dresdner Pegida-Bewegung, Lutz Bachmann und Kathrin Oertel bei der Pressekonferenz in Dresden. "Wir wollen einen besseren Umgang miteinander", erklärte Oertel die neue Bereitschaft zum Dialog.
Über Pegida geredet wird trotzdem. Und – auch das ist neu – mit Pegida. Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ haben für den Vormittag zur Pressekonferenz geladen. Zum Dialog mit jenen Medienvertretern, die in den Wochen zuvor pauschal als „Lügenpresse“ abgekanzelt, deren Interviewanfragen bis auf wenige Ausnahmen abgelehnt worden waren. Die Frage, was sich denn plötzlich geändert habe, beantwortet Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel prompt: „Wir sind nicht bockig. Wir wollen einen besseren Umgang miteinander.“
Oertel kennt inzwischen das ganze Land. Seitdem die Mutter von drei Kindern, die sich selbst als Wirtschaftsberaterin und Immobilienexpertin vorstellt, am Sonntagabend neben Günther Jauch im Studio saß. Auf Kundgebungen der Pegida auch um abwertende Begriffe wie „Politikerkaste“ nicht verlegen, gab Oertel sich bei Jauch gemäßigt und musste kaum harte Nachfragen fürchten. Erst gegen Ende der einstündigen Sendung entglitt ihr der Satz, wie es denn sein könne, dass in Sachsen hauptsächlich Männer aus Tunesien Asyl suchten, „einem Land, in dem wir Urlaub machen“.
Bei der Pressekonferenz in Dresden entschuldigt sich Oertel für ihre angeschlagene Stimme. „Wir wollen keine Revolution. Wir wollen ein anderes Verhältnis von Politik und Bürgern“, sagt sie und lässt gleichwohl offen, wie dieses Verhältnis aussehen könnte. Stattdessen verliest Organisator Lutz Bachmann erneut die sechs Kernforderungen der mittlerweile als Verein eingetragenen Bewegung: mehr Volksentscheide, mehr Mittel für die Polizei, weniger „Kriegstreiberei“ Richtung Russland. Neben einem Recht auf Integration müsse es auch die Pflicht zur Integration geben. Bachmann, der eigenen Angaben zufolge unter Personenschutz steht, bekräftigt noch einmal die Dialogbereitschaft.
Mittler zwischen Presse und Pegida ist an diesem Montag Frank Richter. Die Konferenz findet in der Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung statt. Seit 2009 ist Richter deren Chef. Während der Friedlichen Revolution in der DDR war der Theologe Gründer der „Gruppe der 20“ in Dresden; am vergangenen Sonntag war er ebenfalls zu Gast bei Jauch. Die Entscheidung, Räumlichkeiten für Pegida zur Verfügung zu stellen, heiße nicht, dass man deren Ansichten und Ziele teile, betont Richter zu Beginn der Veranstaltung – und erntet dennoch heftige Kritik. Insbesondere die Grünen beanstanden eine „Verletzung des überparteilichen Charakters“ der Einrichtung. „Es ist bittere Ironie, dass Richter mit Pegida eine Organisation unterstützt, die seinen ureigensten Aufgaben entgegenwirkt“, sagt Volkmar Zschocke, Fraktionsvorsitzender der Grünen im sächsischen Landtag. Bereits am 6. Januar hatte Richter Anhänger und Gegner der islamfeindlichen Bewegung an einen Tisch gebracht. Titel der Veranstaltung: „Warum (nicht) zu Pegida gehen?“ Man müsse endlich beginnen, miteinander zu reden, so Richter damals.
Tatsächlich gleicht Dresden in diesen Tagen einem Kessel, in dem der Druck langsam steigt. Als am Samstag etwa 3000 Menschen in Gedenken an den im Stadtteil Leubnitz-Neuostra ermordeten Asylbewerber Khaled B. auf die Straße gingen, war der Landtag weiträumig abgesperrt. Selbst Kathrin Oertel beklagt, sich in der Stadt nicht mehr frei bewegen zu können, ständig mit Blicken bedacht zu werden. Spätestens jetzt, möchte man einwerfen, wäre es doch an der Zeit, den Perspektivenwechsel zu vollziehen. Zu überlegen, wie sich Migranten, Muslime, weltoffene Menschen an einem Montag in Dresden fühlen. Darüber nachzudenken, wie vergiftet das gesellschaftliche Klima einer Stadt sein muss, wenn sich breite Teile der Bevölkerung mit Argwohn begegnen. „Kein Ausländer muss in Dresden Angst haben, auf die Straße zu gehen“, versucht Bachmann den Zweifel fortzuwischen. Minuten vorher hatte er eingeräumt, dass es natürlich Fremdenfeinde auf den montäglichen Kundgebungen gebe, man sich von deren Parolen jedoch distanziere.
Die Pressekonferenz des Pegida e.V. ist seit Stunden vorbei, als Stanislaw Tillich (CDU) vor die Journalisten tritt. Der sächsische Ministerpräsident verteidigt das Demonstrationsverbot in Dresden: „Der Schutz von Leib und Leben von Demonstrationsteilnehmern überwog.“ Freiheit brauche auch Sicherheit, sagt Tillich. Auch handle es sich nur um einen „konkreten Einzelfall“, der auf den Montagabend in Dresden begrenzt sei.
Am kommenden Montag will Pegida wieder auf die Straße gehen, ein entsprechendes Sicherheitskonzept sei in Vorbereitung. Vorher könnte dieser Mittwoch zum neuralgischen Punkt für die islamfeindliche Bewegung werden: Im 120 Kilometer entfernten Leipzig will „Legida“ laufen. Der Ableger, der in seinem Positionspapier unter anderem ein „Ende des Kriegsschuldkultes“ fordert, rechnet fest mit Unterstützung aus Dresden.
Die Mitbegründer der Dresdner Pegida-Bewegung, Lutz Bachmann und Kathrin Oertel bei der Pressekonferenz in Dresden. "Wir wollen einen besseren Umgang miteinander", erklärte Oertel die neue Bereitschaft zum Dialog.
Über Pegida geredet wird trotzdem. Und – auch das ist neu – mit Pegida. Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ haben für den Vormittag zur Pressekonferenz geladen. Zum Dialog mit jenen Medienvertretern, die in den Wochen zuvor pauschal als „Lügenpresse“ abgekanzelt, deren Interviewanfragen bis auf wenige Ausnahmen abgelehnt worden waren. Die Frage, was sich denn plötzlich geändert habe, beantwortet Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel prompt: „Wir sind nicht bockig. Wir wollen einen besseren Umgang miteinander.“
Oertel kennt inzwischen das ganze Land. Seitdem die Mutter von drei Kindern, die sich selbst als Wirtschaftsberaterin und Immobilienexpertin vorstellt, am Sonntagabend neben Günther Jauch im Studio saß. Auf Kundgebungen der Pegida auch um abwertende Begriffe wie „Politikerkaste“ nicht verlegen, gab Oertel sich bei Jauch gemäßigt und musste kaum harte Nachfragen fürchten. Erst gegen Ende der einstündigen Sendung entglitt ihr der Satz, wie es denn sein könne, dass in Sachsen hauptsächlich Männer aus Tunesien Asyl suchten, „einem Land, in dem wir Urlaub machen“.
Bei der Pressekonferenz in Dresden entschuldigt sich Oertel für ihre angeschlagene Stimme. „Wir wollen keine Revolution. Wir wollen ein anderes Verhältnis von Politik und Bürgern“, sagt sie und lässt gleichwohl offen, wie dieses Verhältnis aussehen könnte. Stattdessen verliest Organisator Lutz Bachmann erneut die sechs Kernforderungen der mittlerweile als Verein eingetragenen Bewegung: mehr Volksentscheide, mehr Mittel für die Polizei, weniger „Kriegstreiberei“ Richtung Russland. Neben einem Recht auf Integration müsse es auch die Pflicht zur Integration geben. Bachmann, der eigenen Angaben zufolge unter Personenschutz steht, bekräftigt noch einmal die Dialogbereitschaft.
Mittler zwischen Presse und Pegida ist an diesem Montag Frank Richter. Die Konferenz findet in der Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung statt. Seit 2009 ist Richter deren Chef. Während der Friedlichen Revolution in der DDR war der Theologe Gründer der „Gruppe der 20“ in Dresden; am vergangenen Sonntag war er ebenfalls zu Gast bei Jauch. Die Entscheidung, Räumlichkeiten für Pegida zur Verfügung zu stellen, heiße nicht, dass man deren Ansichten und Ziele teile, betont Richter zu Beginn der Veranstaltung – und erntet dennoch heftige Kritik. Insbesondere die Grünen beanstanden eine „Verletzung des überparteilichen Charakters“ der Einrichtung. „Es ist bittere Ironie, dass Richter mit Pegida eine Organisation unterstützt, die seinen ureigensten Aufgaben entgegenwirkt“, sagt Volkmar Zschocke, Fraktionsvorsitzender der Grünen im sächsischen Landtag. Bereits am 6. Januar hatte Richter Anhänger und Gegner der islamfeindlichen Bewegung an einen Tisch gebracht. Titel der Veranstaltung: „Warum (nicht) zu Pegida gehen?“ Man müsse endlich beginnen, miteinander zu reden, so Richter damals.
Tatsächlich gleicht Dresden in diesen Tagen einem Kessel, in dem der Druck langsam steigt. Als am Samstag etwa 3000 Menschen in Gedenken an den im Stadtteil Leubnitz-Neuostra ermordeten Asylbewerber Khaled B. auf die Straße gingen, war der Landtag weiträumig abgesperrt. Selbst Kathrin Oertel beklagt, sich in der Stadt nicht mehr frei bewegen zu können, ständig mit Blicken bedacht zu werden. Spätestens jetzt, möchte man einwerfen, wäre es doch an der Zeit, den Perspektivenwechsel zu vollziehen. Zu überlegen, wie sich Migranten, Muslime, weltoffene Menschen an einem Montag in Dresden fühlen. Darüber nachzudenken, wie vergiftet das gesellschaftliche Klima einer Stadt sein muss, wenn sich breite Teile der Bevölkerung mit Argwohn begegnen. „Kein Ausländer muss in Dresden Angst haben, auf die Straße zu gehen“, versucht Bachmann den Zweifel fortzuwischen. Minuten vorher hatte er eingeräumt, dass es natürlich Fremdenfeinde auf den montäglichen Kundgebungen gebe, man sich von deren Parolen jedoch distanziere.
Die Pressekonferenz des Pegida e.V. ist seit Stunden vorbei, als Stanislaw Tillich (CDU) vor die Journalisten tritt. Der sächsische Ministerpräsident verteidigt das Demonstrationsverbot in Dresden: „Der Schutz von Leib und Leben von Demonstrationsteilnehmern überwog.“ Freiheit brauche auch Sicherheit, sagt Tillich. Auch handle es sich nur um einen „konkreten Einzelfall“, der auf den Montagabend in Dresden begrenzt sei.
Am kommenden Montag will Pegida wieder auf die Straße gehen, ein entsprechendes Sicherheitskonzept sei in Vorbereitung. Vorher könnte dieser Mittwoch zum neuralgischen Punkt für die islamfeindliche Bewegung werden: Im 120 Kilometer entfernten Leipzig will „Legida“ laufen. Der Ableger, der in seinem Positionspapier unter anderem ein „Ende des Kriegsschuldkultes“ fordert, rechnet fest mit Unterstützung aus Dresden.