Es gibt ja diese Theorie, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings auf der einen Seite der Welt einen Tornado auf der anderen auslösen kann. Es passiert etwas, und das hat Folgen. Dass das nicht immer der Fall ist, beklagen zurzeit die deutschen Produzenten, die ihre liebe Not mit den Sendern haben, die sich eingezwängt sehen zwischen erhöhten Ansprüchen und geschrumpften Etats. Große Hoffnungen setzten einige daher auf die aufkommenden Netzanbieter wie Netflix, Maxdome oder Watchever, fühlen sich aber inzwischen mehrheitlich enttäuscht.
Deutsche Produzenten setzten große Hoffnungen auf die neu aufkommenden Netzanbieter wie Netflix, Maxdome oder Watchever. Dieser Markt ist für sie aber auch nicht einfach.
Zum einen haben mangels entsprechender Verwertungsrechte die wenigsten etwas davon, wenn ihre Produktionen im Netz laufen. Denn der Normalfall ist immer noch, dass Produktionsfirmen die Rechte komplett an die Sender abgeben. Zum anderen kommen jene, die über Rechte verfügen, oft nicht an die neuen Anbieter heran. Weil sie zu klein sind, um mit den Großen verhandeln zu dürfen. „Wir können nicht mit jedem Produzenten sprechen“, sagt Joris Evers, der bei Netflix als Director Corporate Communications firmiert. Netflix spricht nur mit Produzenten, die mindestens ein paar Titel im Angebot haben und das auch nur dann, wenn diese Titel attraktiv erscheinen.
Fragt man Evers, was Produzenten denn bei Netflix so erlösen können, weicht er aus. So etwas gehört natürlich zu den Geschäftsgeheimnissen. In der Branche kursieren Schätzungen, denen zufolge eine Stunde Programm um die 20000 Euro bringen kann. Manchmal ist es mehr. Neun Millionen pro Stunde hat Netflix gerade für seine neue internationale Serie Marco Polo ausgegeben. Das markiert die Spitze. Manchmal sind aber auch nur 5000 Euro drin. Hängt alles davon ab, wie publikumsträchtig ein Produkt wirkt. Klar ist auf jeden Fall, dass der Markt für Produzenten kein einfacher ist.
Wenn es um Rechte geht, wird es schnell kompliziert. Dann schwirren rasch die Begriffe nur so durch den Raum. Es ist die Rede von Vollfinanzierungen, Teilfinanzierungen und Co-Produktionen, von abhängigen und von unabhängigen Produzenten. Einfache Antworten gibt es nicht. Die meisten beginnen mit „Kommt darauf an“.
Dass der Markt mit den Filmen und Serien aus dem Netz noch kein riesengroßer ist, konnte man kürzlich den Worten von Jörg Schönenborn entnehmen. „Ein erfolgreicher Tatort hat in der Mediathek vielleicht 200 000 Abrufe. Im Fernsehen sehen den acht bis zehn Millionen“, sagte er, und da er Fernsehdirektor beim WDR ist, sollte er wissen, wovon er spricht. Nun ist der Tatort immer noch eine Marke, die man bei den privaten Netzanbietern vergeblich sucht. Um den Tatort wird noch lange verhandelt werden, denn er ist hochattraktives Programm, das man erst nach einer ordentlichen Auswertung aus der Hand gibt.
„Es darf nicht sein, dass die Leute denken, sie müssten bezahlen für etwas, das sie mit ihrem Beitrag schon einmal bezahlt haben“, skizziert Schönenborn die Lage. Grundsätzlich allerdings steht er dem Auftauchen von öffentlich-rechtlichen Produkten bei neuen Anbietern nicht ablehnend gegenüber. „Ich finde das nicht schlimm, wenn das Sachen sind, die uns zuzuordnen sind“, sagt er. „Wenn wir damit die Publikumsbasis verbreitern, wäre das im Sinne unseres Auftrags.“
Nun würden an dieser Verbreiterung der Publikumsbasis aber gern auch die Produzenten teilhaben. Mangels eigener Rechte tun die sich in den Verhandlungen mit den Sendern indes schwer. „Die Lage hat sich durch die Einführung von Netflix nicht verbessert“, sagt Jens Steinbrenner. Er ist Sprecher der Produzentenallianz, die mit den Sendern über eine Erneuerung der Rechtelage verhandelt. Ein paar Erfolge hat man schon erzielt und kann auf diverse Eckpunktepapiere verweisen, die hier und da regeln, wie Rechte später vielleicht verwertet werden können und wer wie netto oder wo brutto daran beteiligt wird.
Allerdings steht Steinbrenners Vereinigung dem Phänomen gegenüber, dass die Sender im Prinzip wenig Lust zur Verhandlung haben. Sie sind stark, sie können nach der Devise „Friss oder stirb“ verfahren. Und wenn es neue Verwertungsformen gibt, dann inkludiert man die eben. So geschehen bei den zusätzlichen Rechten für die Verwertung in den Mediatheken. „Das haben die Sender dazu genommen, ohne dafür zu bezahlen“, klagt Steinbrenner.
Das haben sie natürlich manchmal gemacht, aber auch nicht immer. Denn es gibt Produzenten, die den mächtigen Sendern Paroli bieten können. Eine wie Regina Ziegler beispielsweise. Die hat schon mehr als 500 Filme produziert und gilt als starke Produzentin. „Bei 25 bis 30 Prozent davon haben wir die Rechte“, sagt sie. Fragt man sie, wie viele Rechte ein Produzent denn so braucht, gibt sie eine schnelle, eine klare Antwort: „So viele man kriegen kann.“
Ziegler weiß, wie man sich behauptet. Wenn man sie als bedeutenden Mitspieler im Rechtemonopoly bezeichnet, dürfte man nicht ganz falsch liegen. Sie hat auch vorgemacht, wie es geht. Ihre Serie Weissensee hat sie als vollfinanzierte Produktion gestartet. In der zweiten Staffel hat sie sich dann die DVD-Rechte bewahrt und die vielfach ausgezeichnete Serie, deren Fortsetzung die ARD lange liegen ließ, dann vor dem Sendestart in die Läden gebracht, was nicht alle Senderverantwortlichen gern sahen. Für die im kommenden Herbst anlaufende dritte Staffel hat sie sich weitere Rechte gesichert. Kein Wunder, dass sie die Lage für deutsche Produzenten optimistischer einschätzt als manche Kollegen. „Es gab schon viel schlechtere Zeiten.“
Auf der anderen Seite des Verhandlungstischs sitzt gelegentlich auch Michael Loeb. Er ist Geschäftsführer der WDR Mediagroup, einer Vermarktungstochter der Kölner Anstalt. Loeb handelt mit den Filmen, klärt Rechte, verkauft Lizenzen. Er warnt davor, bei den neuen Videoanbietern im Netz mit allzu großen Zahlen zu hantieren. Natürlich werde bei größeren Paketen auch schon mal um sechsstellige Summen verhandelt, aber generell rät er dazu, den Ball lieber mal flach zu halten. „Das ist ein Markt, der gerade beginnt“, sagt er.
Auch für ihn bieten die neuen Anbieter vor allem Möglichkeiten, die Publikumsbasis zu verbreitern. „Wir erreichen dort Zielgruppen, die wir sonst nicht erreichen“, sagt er und berichtet von der Serie Die Lottokönige. Die war mit der ersten Staffel bei MyVideo zu sehen, während die zweite schon im WDR Fernsehen lief. Auf einmal registrierten die öffentlich-rechtlichen Medienforscher einen messbaren Zufluss von Menschen unter 50 Jahren zur Linearausstrahlung im Fernsehen. Sehr offensichtlich waren die jüngeren Zuschauer von der Netzauswertung angelockt worden.
Trotz der großzügigen Verteilung wirkt das deutsche Angebot auf den Plattformen momentan noch eher mau. Fast überall findet man Dominik Grafs Serie Im Angesicht des Verbrechens, dazu kommen hier und da mal ein paar exklusive Auftritte. Meist aber besteht die Auslage aus abgehangenen Produkten, die die Sender selbst in ihren Digitalkanälen nicht mehr auswerten.
So verhandeln die Produzenten weiter wacker mit den mächtigen Sendern, hoffen insgeheim aber auf die Politik. Von einem Lizenzmodell wie in England, wo nach Ausstrahlung die Rechte leichter an die Produzenten zurückfallen, träumen manche. Realistisch ist das nicht. Trotzdem weiß die Politik wohl um die Nöte.
NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann macht den Produzenten zumindest Hoffnung, dass ihre Klagen bei künftigen Gesetzgebungsverfahren nicht ungehört verhallen. „Wir sind gerade in Nordrhein-Westfalen dabei, das WDR-Gesetz zu novellieren. Wichtige Punkte sind für uns Partizipation und Transparenz. Deshalb stellen wir Leitfragen des Gesetzes Anfang Februar bei einer Online-Konsultation öffentlich zur Diskussion“, sagt er und erhofft sich fruchtbaren Input. „Eine dieser Leitfragen ist, wie die Arbeit der Produzenten und Autoren gestärkt werden kann. Im Rahmen der Online-Konsultation sind wir dankbar für Anregungen in diesem Zusammenhang.“
Dankbar für Anregungen. Für Produzenten, die sich mit dem Rücken an der Wand sehen, ist das wenigstens ein bisschen was. Vielleicht ist es der sagenhafte Flügelschlag eines Schmetterlings. Ob aus dem ein Tornado wird, muss sich zeigen. Und wer dann die Rechte für die Verfilmung kriegt, ist auch noch nicht klar.
Deutsche Produzenten setzten große Hoffnungen auf die neu aufkommenden Netzanbieter wie Netflix, Maxdome oder Watchever. Dieser Markt ist für sie aber auch nicht einfach.
Zum einen haben mangels entsprechender Verwertungsrechte die wenigsten etwas davon, wenn ihre Produktionen im Netz laufen. Denn der Normalfall ist immer noch, dass Produktionsfirmen die Rechte komplett an die Sender abgeben. Zum anderen kommen jene, die über Rechte verfügen, oft nicht an die neuen Anbieter heran. Weil sie zu klein sind, um mit den Großen verhandeln zu dürfen. „Wir können nicht mit jedem Produzenten sprechen“, sagt Joris Evers, der bei Netflix als Director Corporate Communications firmiert. Netflix spricht nur mit Produzenten, die mindestens ein paar Titel im Angebot haben und das auch nur dann, wenn diese Titel attraktiv erscheinen.
Fragt man Evers, was Produzenten denn bei Netflix so erlösen können, weicht er aus. So etwas gehört natürlich zu den Geschäftsgeheimnissen. In der Branche kursieren Schätzungen, denen zufolge eine Stunde Programm um die 20000 Euro bringen kann. Manchmal ist es mehr. Neun Millionen pro Stunde hat Netflix gerade für seine neue internationale Serie Marco Polo ausgegeben. Das markiert die Spitze. Manchmal sind aber auch nur 5000 Euro drin. Hängt alles davon ab, wie publikumsträchtig ein Produkt wirkt. Klar ist auf jeden Fall, dass der Markt für Produzenten kein einfacher ist.
Wenn es um Rechte geht, wird es schnell kompliziert. Dann schwirren rasch die Begriffe nur so durch den Raum. Es ist die Rede von Vollfinanzierungen, Teilfinanzierungen und Co-Produktionen, von abhängigen und von unabhängigen Produzenten. Einfache Antworten gibt es nicht. Die meisten beginnen mit „Kommt darauf an“.
Dass der Markt mit den Filmen und Serien aus dem Netz noch kein riesengroßer ist, konnte man kürzlich den Worten von Jörg Schönenborn entnehmen. „Ein erfolgreicher Tatort hat in der Mediathek vielleicht 200 000 Abrufe. Im Fernsehen sehen den acht bis zehn Millionen“, sagte er, und da er Fernsehdirektor beim WDR ist, sollte er wissen, wovon er spricht. Nun ist der Tatort immer noch eine Marke, die man bei den privaten Netzanbietern vergeblich sucht. Um den Tatort wird noch lange verhandelt werden, denn er ist hochattraktives Programm, das man erst nach einer ordentlichen Auswertung aus der Hand gibt.
„Es darf nicht sein, dass die Leute denken, sie müssten bezahlen für etwas, das sie mit ihrem Beitrag schon einmal bezahlt haben“, skizziert Schönenborn die Lage. Grundsätzlich allerdings steht er dem Auftauchen von öffentlich-rechtlichen Produkten bei neuen Anbietern nicht ablehnend gegenüber. „Ich finde das nicht schlimm, wenn das Sachen sind, die uns zuzuordnen sind“, sagt er. „Wenn wir damit die Publikumsbasis verbreitern, wäre das im Sinne unseres Auftrags.“
Nun würden an dieser Verbreiterung der Publikumsbasis aber gern auch die Produzenten teilhaben. Mangels eigener Rechte tun die sich in den Verhandlungen mit den Sendern indes schwer. „Die Lage hat sich durch die Einführung von Netflix nicht verbessert“, sagt Jens Steinbrenner. Er ist Sprecher der Produzentenallianz, die mit den Sendern über eine Erneuerung der Rechtelage verhandelt. Ein paar Erfolge hat man schon erzielt und kann auf diverse Eckpunktepapiere verweisen, die hier und da regeln, wie Rechte später vielleicht verwertet werden können und wer wie netto oder wo brutto daran beteiligt wird.
Allerdings steht Steinbrenners Vereinigung dem Phänomen gegenüber, dass die Sender im Prinzip wenig Lust zur Verhandlung haben. Sie sind stark, sie können nach der Devise „Friss oder stirb“ verfahren. Und wenn es neue Verwertungsformen gibt, dann inkludiert man die eben. So geschehen bei den zusätzlichen Rechten für die Verwertung in den Mediatheken. „Das haben die Sender dazu genommen, ohne dafür zu bezahlen“, klagt Steinbrenner.
Das haben sie natürlich manchmal gemacht, aber auch nicht immer. Denn es gibt Produzenten, die den mächtigen Sendern Paroli bieten können. Eine wie Regina Ziegler beispielsweise. Die hat schon mehr als 500 Filme produziert und gilt als starke Produzentin. „Bei 25 bis 30 Prozent davon haben wir die Rechte“, sagt sie. Fragt man sie, wie viele Rechte ein Produzent denn so braucht, gibt sie eine schnelle, eine klare Antwort: „So viele man kriegen kann.“
Ziegler weiß, wie man sich behauptet. Wenn man sie als bedeutenden Mitspieler im Rechtemonopoly bezeichnet, dürfte man nicht ganz falsch liegen. Sie hat auch vorgemacht, wie es geht. Ihre Serie Weissensee hat sie als vollfinanzierte Produktion gestartet. In der zweiten Staffel hat sie sich dann die DVD-Rechte bewahrt und die vielfach ausgezeichnete Serie, deren Fortsetzung die ARD lange liegen ließ, dann vor dem Sendestart in die Läden gebracht, was nicht alle Senderverantwortlichen gern sahen. Für die im kommenden Herbst anlaufende dritte Staffel hat sie sich weitere Rechte gesichert. Kein Wunder, dass sie die Lage für deutsche Produzenten optimistischer einschätzt als manche Kollegen. „Es gab schon viel schlechtere Zeiten.“
Auf der anderen Seite des Verhandlungstischs sitzt gelegentlich auch Michael Loeb. Er ist Geschäftsführer der WDR Mediagroup, einer Vermarktungstochter der Kölner Anstalt. Loeb handelt mit den Filmen, klärt Rechte, verkauft Lizenzen. Er warnt davor, bei den neuen Videoanbietern im Netz mit allzu großen Zahlen zu hantieren. Natürlich werde bei größeren Paketen auch schon mal um sechsstellige Summen verhandelt, aber generell rät er dazu, den Ball lieber mal flach zu halten. „Das ist ein Markt, der gerade beginnt“, sagt er.
Auch für ihn bieten die neuen Anbieter vor allem Möglichkeiten, die Publikumsbasis zu verbreitern. „Wir erreichen dort Zielgruppen, die wir sonst nicht erreichen“, sagt er und berichtet von der Serie Die Lottokönige. Die war mit der ersten Staffel bei MyVideo zu sehen, während die zweite schon im WDR Fernsehen lief. Auf einmal registrierten die öffentlich-rechtlichen Medienforscher einen messbaren Zufluss von Menschen unter 50 Jahren zur Linearausstrahlung im Fernsehen. Sehr offensichtlich waren die jüngeren Zuschauer von der Netzauswertung angelockt worden.
Trotz der großzügigen Verteilung wirkt das deutsche Angebot auf den Plattformen momentan noch eher mau. Fast überall findet man Dominik Grafs Serie Im Angesicht des Verbrechens, dazu kommen hier und da mal ein paar exklusive Auftritte. Meist aber besteht die Auslage aus abgehangenen Produkten, die die Sender selbst in ihren Digitalkanälen nicht mehr auswerten.
So verhandeln die Produzenten weiter wacker mit den mächtigen Sendern, hoffen insgeheim aber auf die Politik. Von einem Lizenzmodell wie in England, wo nach Ausstrahlung die Rechte leichter an die Produzenten zurückfallen, träumen manche. Realistisch ist das nicht. Trotzdem weiß die Politik wohl um die Nöte.
NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann macht den Produzenten zumindest Hoffnung, dass ihre Klagen bei künftigen Gesetzgebungsverfahren nicht ungehört verhallen. „Wir sind gerade in Nordrhein-Westfalen dabei, das WDR-Gesetz zu novellieren. Wichtige Punkte sind für uns Partizipation und Transparenz. Deshalb stellen wir Leitfragen des Gesetzes Anfang Februar bei einer Online-Konsultation öffentlich zur Diskussion“, sagt er und erhofft sich fruchtbaren Input. „Eine dieser Leitfragen ist, wie die Arbeit der Produzenten und Autoren gestärkt werden kann. Im Rahmen der Online-Konsultation sind wir dankbar für Anregungen in diesem Zusammenhang.“
Dankbar für Anregungen. Für Produzenten, die sich mit dem Rücken an der Wand sehen, ist das wenigstens ein bisschen was. Vielleicht ist es der sagenhafte Flügelschlag eines Schmetterlings. Ob aus dem ein Tornado wird, muss sich zeigen. Und wer dann die Rechte für die Verfilmung kriegt, ist auch noch nicht klar.