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Coole Geschäfte

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Wer cool ist, der interessiert sich nicht besonders für die Welt um ihn herum. Es kümmert ihn nicht, dass da die Schauspielerin Kirsten Dunst auf einem Sessel in der Ecke fläzt, dass die junge Frau am Pool kein Bikinioberteil trägt oder dass man einen wunderbaren Blick auf die Skyline von Los Angeles hat. Wichtig ist zunächst einmal die eigene Erscheinung und die Tatsache, dass man anwesend ist. So gesehen ist die Lounge Upstairs auf der Dachterrasse des Ace Hotels in Downtown Los Angeles der coolste Ort der Welt.



Das Ace Hotel in Los Angeles ist immer noch gefragt. Vergangene Woche feierte der Film "The Interview" dort Premiere.

Genau das hatte Alex Calderwood im Sinn, als er 1999 in Seattle den ersten Ableger von Ace Hotel eröffnete: Es sollte ein Ort sein von verrückten Typen für verrückte Typen, von Künstlern für Künstler.

Calderwood war Fashiondesigner, Verlagsleiter, besaß einen Friseurladen, ein Plattenlabel und Tattoo-Studios. Mittlerweile gibt es neben den Hotels in Los Angeles und Seattle Häuser in New York, London, Panama und Palm Springs. Sie symbolisieren die Idee von Calderwood, und damit auch ein Problem: Calderwood wurde im November 2013 im Alter von 47 Jahren tot in einem Londoner Hotelzimmer gefunden. Zuvor hatte er sich von seinem Freund und Geschäftspartner Jack Barron getrennt, die Mitbegründer Wade Weigel und Doug Herrick hatten ihre Anteile bereits verkauft. Die Frage lautete nach dem Tod von Calderwood: Kann so eine Hotelkette ohne seine Galionsfigur, ohne den umtriebigen Workaholic überhaupt existieren?

Die finanzielle Antwort bisher: Ja, es funktioniert. Die Einnahmen der Kette in diesem Jahr werden auf 110 Millionen Dollar geschätzt. Diese verfügt in den sieben Städten über insgesamt 1045 Zimmer, weshalb der sogenannte RevPAR – der Logis-Erlös pro verfügbarem Zimmer – bei 288 Dollar liegt. Eine Studie der amerikanischen Hotelindustrie ergab, dass die Kennziffer bei vergleichbaren Hotels 156,93 Dollar beträgt. Die Ace-Hotels sind also immer noch cool, und sie generieren auch ordentliche Einnahmen. In einer Mitteilung des Unternehmens klingt das so: „Bei Ace wurde zwar immens über den Verlust von Alex getrauert. Aber auf den Verkauf von Hotelzimmern hatte es keinen Einfluss.“

Das freilich ist ganz im Sinn der Unternehmen, mit denen sich Calderwood bereits vor seinem Tod zusammengetan – und weshalb er seine Freunde verjagt hat. Barron etwa begründete die Trennung mit Calderwoods zunehmendem Alkoholkonsum: „Ab einem gewissen Alter ist es nicht mehr lustig, es macht keinen Spaß mehr.“ Weigel wurde noch direkter: „Das Leben bei Ace hat sich verändert, wir haben nun große Chefs – ich arbeite aber lieber an kleineren Projekten.“ Calderwood jedoch brauchte Investoren wie GB Lodging, um seine gewaltigen Ideen umzusetzen. Die jedoch schreiben auf ihren Webseiten nichts von Coolness, sondern davon, „den Wohlstand der Investoren zu maximieren“.

Genau so wirkt es nun, wenn man die Filiale in der Innenstadt von Los Angeles besucht: cool, gewiss, aber auch sehr gewinnorientiert. Die Bleistift-Zeichnungen in der Bar im Erdgeschoss stammen von den Malerzwillingen Simon und Nikolai Haas, die in regelmäßigen Abständen neue verdeckte Hinweise auf die Eigenheiten dieser Stadt anbringen. Die bildende Künstlerin Alia Penner entwarf die Möbelbezüge für die Sessel auf der Dachterrasse, der Designer Michael Schmidt ist für die Eisenketten an der Decke verantwortlich, die bereits 1927 hier waren, als das Gebäude noch der Vereinigung unabhängiger Künstler gehörte.

Die Zimmer aber sind spartanisch eingerichtet, man sieht zunächst einmal ganz viel Beton. Auffällig ist die Gitarre an der Wand und das Aufnahmegerät neben dem Bett. Das Ganze wirkt nicht luxuriös, sondern wie die Enklave eines Schriftstellers, der einen Roman zu Ende schreiben und deshalb nicht abgelenkt werden will. Das kann der Besucher nun als cool bezeichnen, aber auch als langweilig und sparsam.

Es gibt einen neuen Präsidenten bei Ace, er heißt Brad Wilson und sagt Sätze wie diesen: „Das Ziel von allem, was immer wir tun in Bezug auf Design, zielt darauf ab, wie wir die Nachfrage erhöhen und Einnahmen für ein bestimmtes Objekt erzielen.“ Aus dem Mund von Calderwood wäre so ein Satz undenkbar gewesen. Bisher hatte Calderwood bei jedem einzelnen Hotel sämtliche Details bestimmt und auch die Künstler mit dem Design beauftragt; er hatte dafür gar die Berufsbezeichnung „Cultural Engineer“ erfunden, die er erst sich selbst und dann handverlesenen Mitarbeitern verliehen hatte. Im kommenden Jahr soll der Ableger in Pittsburgh eröffnet werden – der erste, an dem Calderwood nicht beteiligt war. Erst dann wird sich wirklich zeigen, ob Coolness und Geschäft zusammenpassen.

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