Seit zwei Wochen haben wir alle Lust auf eine Pyjama-Party. Oder noch mehr Lust als sonst. Weil es nämlich jetzt dieses neue Beyoncé-Video zu ihrem Song „7/11“ gibt und sie darin mit einem Haufen Freundinnen in Unterwäsche tanzt, ihre Haare in der Fönluft flattern lässt und ihren Fuß als Telefon benutzt. Was man halt so macht auf einer „Slumber Party“. Das Besondere an dem Video sind aber gar nicht (oder nicht nur) die vielen Übernachtungsmädchen. Sondern es ist die Art, wie es gemacht ist.
http://vimeo.com/112562395
Schon einen Tag nach Veröffentlichung des Videos hat MTV eine Liste mit den „27 Most Mind-Blowing GIFs from Beyoncé’s New ‚7/11’ Video“ gepostet. Auf denen sieht man Beyoncé tanzen und wieder tanzen, ihr Körper springt wie in Stop Motion im Türrahmen hin und her oder aufs Bett, ihr Outfit wechselt von einer Millisekunde zur nächsten und noch mal und noch mal. „Okay“, denkt man, „da hat jemand GIFs aus einem Musikvideo gemacht, kenne ich schon, danke.“ Aber es ist eben genau andersherum: Da hat jemand ein Musikvideo aus GIFs gemacht. Das „7/11“-Video ist eigentlich eine Ansammlung vieler Wackelbildchen. Alles ist ständig in Bewegung, Momente springen zurück, wiederholen sich, laufen im Kreis. Das ästhetische Merkmal des Videos ist das, was der Autor eines Artikels aus dem „Slate Magazine“ die „Loopability“ nennt – die Möglichkeit, es auf Dauerschleife laufen zu lassen. „If you’ve watched ‚7/11’ once, you’ve watched it at least twice“, heißt es im Artikel.
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Das GIF, das bewegte Bild als Endlosschleife, ist einer der wichtigsten Online-Trends der 2010er Jahre. Und die GIF-Ästhetik hat sich in den letzten Jahren in die Popmusik geschlichen. „7/11“ ist der bisherige Höhepunkte dieser Entwicklung. Ein Video, das perfekt an das Internet und die sozialen Medien angepasst ist, die Musiker und ihre Musik ja heute groß und bekannt machen. Es ist ein großes Konstrukt aus kleinen Loops, die man wieder auseinanderschneiden und den Menschen vor den Bildschirmen in Häppchen verfüttern kann. Beyoncés Video verbreitet sich dadurch ungefähr so wie die „Schwarze Spinne“ aus der gleichnamigen Novelle: Der dicke Körper der Spinne platzt auf und viele kleine, schwarze Spinnen strömen heraus und in alle Richtungen. Das ist ein kluger Marketingtrick, weil so die Reichweite extrem erhöht wird.
Die Entwicklung bis zu dem Moment, in dem die GIF-Ästhetik so tief in die Popkultur eingedrungen ist, dass man sie zu Marketingzwecken nutzt, zeichnet Mike Rugnetta nach. Er ist das Gesicht des „PBS Idea Channel“ auf YouTube, einem Videokanal, der ausleuchten will, wie Popkultur, Technologie und Kunst zusammenhängen. Rugnetta hat eine Playlist mit Videos zusammengestellt, die „GIF-artig“ sind und sie kommentiert. Der US-Künstler Evan Roth zum Beispiel hat vor vier Jahren ein Video zu „C.R.E.A.M.“ vom Wu-Tang Clan nur aus GIFs gebastelt, die er online gefunden hat (und es dann, haha, „Cache Rules Everything Around Me“ genannt). Das war ein Experiment, die Musik war da, das Video wurde drübergelegt. Zum „Round Round Song“ (2013) des Schweizer Musikers Adrian Sieber hingegen wurde eigens ein Video gedreht, das aus vielen kurzen Sequenzen besteht, die jeweils einige Male wiederholt werden. Dabei werden bekannte GIF-Formen zitiert – zum Beispiel das „Cinemagraph“ (eine bekannte Filmszene) oder der „Perspective Trick“ (ein Mann springt von einer Mauer und scheinbar in eine Tasse). Außerdem passen die Loops zum Liedtext, der die Kreisform zum Thema hat: „I’m going round round / In a circle / Round, round / Always coming back to you.“ Extrem auffällig in seiner GIF-Ästhetik ist ein Video, das in Rugnettas Playlist nicht auftaucht: „Double Bubble Trouble“ von M.I.A. Die Musik selbst ist repetitiv und unruhig wie ein Wackelbildchen, das Video sieht aus wie eine ausgeflippte Buzzfeed-Liste (mit Elementen aus Nuller-Jahre-Beepworld-Seiten).
http://www.youtube.com/watch?v=v9AKH16--VE
Was macht das mit den Videos, wenn sie sich auf einmal an einer so kleinteiligen Form orientieren? Die Antwort liegt vielleicht in der Erklärung, warum GIFs an sich so beliebt sind. Eigentlich sind die sehr altmodisch, es gibt sie seit Ende der 80er Jahre. Aber sie sind eben einfach zu erzeugen und werden technisch von eigentlich allen Browsern und Betriebssystemen unterstützt. Das erklärt ihre Verbreitung im Internet, nicht aber ihren Einzug in die Musikvideos. GIF-Experte Mike Rugnetta erklärt die Faszination der Wackelbildchen so: "GIFs enthalten eindeutige Momente, eine komplette Handlung, einen kompletten Gedanken." Sie sind damit ein extrem einfaches Mittel, eine Emotion oder eine Meinung auszudrücken, ohne viele Worte machen zu müssen. Und sie sind die kürzeste Art, eine Geschichte zu erzählen – sie bestehen ja nur aus der Pointe. Viele GIFs oder GIF-artige Sequenzen in einem Musikvideo zu verwenden, das bedeutet also, viele kleine Geschichten zu erzählen und einzelne Emotionen wiederzugeben – die zusammen zu einem großen Ganzen, einer eigenen Geschichte werden.
Am Ende ist das wohl das Erzählen des digitalen Zeitalters. Linearität war gestern, Geschichten sind heute fragmentierter oder werden zumindest so von uns wahrgenommen, weil wir immer und überall den Zugang zu unzähligen von ihnen haben. Alles ist immer in Bewegung und abrufbar, alles wurde schon gesagt und gefühlt – und jede neue Geschichte setzt sich aus verschiedenen schon dagewesenen Handlungen und Gefühlen zusammen. Zur Popmusik, in der vieles Zitat, Referenz oder Wiederholung ist, passt das natürlich sehr gut. Nur logisch also, dass es sich nun auch in der dazugehörigen Bildsprache wiederfindet.
Auch die Slumber Party im „7/11“-Video ist eine Collage aus vielen kleinen Momenten und Geschichten. Und erzählt doch von einem großen, ganzen, schönen Moment, der immer wieder von vorne beginnt. Unter der Buzzfeed-Liste "This Is How You Throw Your Own Beyoncé 7/11 Underwear Dance Party" steht darum auch: „For more inspiration, just watch the video in repeat for the rest of your life.“
http://vimeo.com/112562395
Schon einen Tag nach Veröffentlichung des Videos hat MTV eine Liste mit den „27 Most Mind-Blowing GIFs from Beyoncé’s New ‚7/11’ Video“ gepostet. Auf denen sieht man Beyoncé tanzen und wieder tanzen, ihr Körper springt wie in Stop Motion im Türrahmen hin und her oder aufs Bett, ihr Outfit wechselt von einer Millisekunde zur nächsten und noch mal und noch mal. „Okay“, denkt man, „da hat jemand GIFs aus einem Musikvideo gemacht, kenne ich schon, danke.“ Aber es ist eben genau andersherum: Da hat jemand ein Musikvideo aus GIFs gemacht. Das „7/11“-Video ist eigentlich eine Ansammlung vieler Wackelbildchen. Alles ist ständig in Bewegung, Momente springen zurück, wiederholen sich, laufen im Kreis. Das ästhetische Merkmal des Videos ist das, was der Autor eines Artikels aus dem „Slate Magazine“ die „Loopability“ nennt – die Möglichkeit, es auf Dauerschleife laufen zu lassen. „If you’ve watched ‚7/11’ once, you’ve watched it at least twice“, heißt es im Artikel.
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Das GIF, das bewegte Bild als Endlosschleife, ist einer der wichtigsten Online-Trends der 2010er Jahre. Und die GIF-Ästhetik hat sich in den letzten Jahren in die Popmusik geschlichen. „7/11“ ist der bisherige Höhepunkte dieser Entwicklung. Ein Video, das perfekt an das Internet und die sozialen Medien angepasst ist, die Musiker und ihre Musik ja heute groß und bekannt machen. Es ist ein großes Konstrukt aus kleinen Loops, die man wieder auseinanderschneiden und den Menschen vor den Bildschirmen in Häppchen verfüttern kann. Beyoncés Video verbreitet sich dadurch ungefähr so wie die „Schwarze Spinne“ aus der gleichnamigen Novelle: Der dicke Körper der Spinne platzt auf und viele kleine, schwarze Spinnen strömen heraus und in alle Richtungen. Das ist ein kluger Marketingtrick, weil so die Reichweite extrem erhöht wird.
Die Entwicklung bis zu dem Moment, in dem die GIF-Ästhetik so tief in die Popkultur eingedrungen ist, dass man sie zu Marketingzwecken nutzt, zeichnet Mike Rugnetta nach. Er ist das Gesicht des „PBS Idea Channel“ auf YouTube, einem Videokanal, der ausleuchten will, wie Popkultur, Technologie und Kunst zusammenhängen. Rugnetta hat eine Playlist mit Videos zusammengestellt, die „GIF-artig“ sind und sie kommentiert. Der US-Künstler Evan Roth zum Beispiel hat vor vier Jahren ein Video zu „C.R.E.A.M.“ vom Wu-Tang Clan nur aus GIFs gebastelt, die er online gefunden hat (und es dann, haha, „Cache Rules Everything Around Me“ genannt). Das war ein Experiment, die Musik war da, das Video wurde drübergelegt. Zum „Round Round Song“ (2013) des Schweizer Musikers Adrian Sieber hingegen wurde eigens ein Video gedreht, das aus vielen kurzen Sequenzen besteht, die jeweils einige Male wiederholt werden. Dabei werden bekannte GIF-Formen zitiert – zum Beispiel das „Cinemagraph“ (eine bekannte Filmszene) oder der „Perspective Trick“ (ein Mann springt von einer Mauer und scheinbar in eine Tasse). Außerdem passen die Loops zum Liedtext, der die Kreisform zum Thema hat: „I’m going round round / In a circle / Round, round / Always coming back to you.“ Extrem auffällig in seiner GIF-Ästhetik ist ein Video, das in Rugnettas Playlist nicht auftaucht: „Double Bubble Trouble“ von M.I.A. Die Musik selbst ist repetitiv und unruhig wie ein Wackelbildchen, das Video sieht aus wie eine ausgeflippte Buzzfeed-Liste (mit Elementen aus Nuller-Jahre-Beepworld-Seiten).
http://www.youtube.com/watch?v=v9AKH16--VE
Was macht das mit den Videos, wenn sie sich auf einmal an einer so kleinteiligen Form orientieren? Die Antwort liegt vielleicht in der Erklärung, warum GIFs an sich so beliebt sind. Eigentlich sind die sehr altmodisch, es gibt sie seit Ende der 80er Jahre. Aber sie sind eben einfach zu erzeugen und werden technisch von eigentlich allen Browsern und Betriebssystemen unterstützt. Das erklärt ihre Verbreitung im Internet, nicht aber ihren Einzug in die Musikvideos. GIF-Experte Mike Rugnetta erklärt die Faszination der Wackelbildchen so: "GIFs enthalten eindeutige Momente, eine komplette Handlung, einen kompletten Gedanken." Sie sind damit ein extrem einfaches Mittel, eine Emotion oder eine Meinung auszudrücken, ohne viele Worte machen zu müssen. Und sie sind die kürzeste Art, eine Geschichte zu erzählen – sie bestehen ja nur aus der Pointe. Viele GIFs oder GIF-artige Sequenzen in einem Musikvideo zu verwenden, das bedeutet also, viele kleine Geschichten zu erzählen und einzelne Emotionen wiederzugeben – die zusammen zu einem großen Ganzen, einer eigenen Geschichte werden.
Am Ende ist das wohl das Erzählen des digitalen Zeitalters. Linearität war gestern, Geschichten sind heute fragmentierter oder werden zumindest so von uns wahrgenommen, weil wir immer und überall den Zugang zu unzähligen von ihnen haben. Alles ist immer in Bewegung und abrufbar, alles wurde schon gesagt und gefühlt – und jede neue Geschichte setzt sich aus verschiedenen schon dagewesenen Handlungen und Gefühlen zusammen. Zur Popmusik, in der vieles Zitat, Referenz oder Wiederholung ist, passt das natürlich sehr gut. Nur logisch also, dass es sich nun auch in der dazugehörigen Bildsprache wiederfindet.
Auch die Slumber Party im „7/11“-Video ist eine Collage aus vielen kleinen Momenten und Geschichten. Und erzählt doch von einem großen, ganzen, schönen Moment, der immer wieder von vorne beginnt. Unter der Buzzfeed-Liste "This Is How You Throw Your Own Beyoncé 7/11 Underwear Dance Party" steht darum auch: „For more inspiration, just watch the video in repeat for the rest of your life.“