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Mädchen, warum die Scham bei Tampons?

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Freund F. hatte in einer ferneren Vergangenheit mal eine Art Mantra beim Aufreißen. Der Mann hat die seltene Gabe, zwischenmenschlich Komplexes in sehr einfache Sätze zu packen. Leider benutzt er in denen viel Fäkalsprache. Wer also nicht gerne von Extrementen liest, überspringt die kommenden Sätze bitte. Das Mantra jedenfalls lautete:

„Dir muss, wenn du eine ansprichst, einfach zu jeder Zeit bewusst sein, dass auch Mädchen scheißen!“

Was er damit sagen wollte: Wir sind alle gleich. Wir tun alle sehr menschliche Dinge, um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Es gibt keinen Grund, irgendwen oder irgendwas zu überhöhen. Ran an den Speck.

Was er damit auch sagte, und das ist für unsere Zwecke hier sehr interessant: Wir wissen doch alle bescheid über das, was bei/an/in anderer Leute Körper vor sich geht. Weil wir es selbst kennen. Und auch wenn wir es nicht selbst kennen, Stichwort anderes Geschlecht, haben wir doch irgendwann eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, was zu welcher Zeit im Monat passiert.

Jüngst war aber mal wieder Konferenz, und wie das da manchmal so ist, gab ein Wort das andere, sprang man von Thema zu Thema, schlug dabei ein paar inhaltliche Haken und zack: Tampons! Und dabei kam heraus, dass die tatsächlich eine Art Tabu-Thema sind. Bei euch! Dass ihr euch, wenn ihr mal unerwartet welche braucht, verstohlene E-Mails schreibt und geheime Übergaben vereinbart – die ich mir dann übrigens wie in ganz schlechten Hollywood-Dealer-Szenen vorstelle.

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Oder dass ihr, wenn ihr welche in der Handtasche habt, die mit aggressiv inszenierter Unauffälligkeit in eure Hosentaschen – oder, wenn ihr keine habt, den Schuh (den Schuh!) – schlawienert.

Und das setzte sich offenbar auch noch fort: Wenn ihr vor lauter Unterleibskrämpfen mal wieder nicht mehr klar denken könnt, sagt ihr nicht „People, ich kann vor lauter Unterleibskrämpfen nicht mehr klar denken, ich muss jetzt heim.“ Ihr schiebt Kopfschmerzen oder Artverwandtes vor. Und ein bisschen verwirrend finden wir das schon.

Denn es ist ja nicht so, dass mit der Regel und allem, was man ihretwegen so tut, irgendwas aktiv Peinliches verknüpft wäre. Es ist kein Tripper, für den man ein „So, so“ mit hochgezogenen Augenbrauen ernten würde. Deshalb wäre die Frage hier eben auch: Woher kommt diese Scham? Und wie tief geht sie tatsächlich?

Bewegt sie sich auf dem Niveau von „medizinisch Intimes geht niemanden was an“ beziehungsweise muss ich ja nicht jedes Detail ausbreiten? Klar, ich würde auch nicht sagen: „People, ich habe gerade den krassesten Durchfall seit Erfindung des Burritos und deshalb gehe ich jetzt heim!“ Aber „Magenprobleme“ würde ich schon sagen.

Deshalb wirkt es, als steckte da mehr dahinter. Ist es was Archaisches, das wir tatsächlich nicht kennen? Oder denkt ihr, dass ihr uns da vor irgendwas schützen müsst, weil wir uns in den paar Jahren vor, während und nach der Pubertät immer die Ohren zugehalten haben, wenn ihr von eurer Periode geredet habt? Erklärt mal. Und seit euch dabei zu jeder Zeit bewusst, dass wir alle scheißen.

Auf der nächsten Seite liest du die Mädchenantwort von martina-holzapfl.
[seitenumbruch]





Ha! „Den krassesten Durchfall seit der Erfindung des Burritos!“. Jungs, wir lieben euch. Aber gut, kommen wir zur Sache. Unsere Intimhygienescham. Sie gefällt uns ja selbst nicht. Aber sie hat sich eben so eingespielt. Ein dummes Muster. Und aus lauter Gewohnheit hinterfragen wir sie auch nicht mehr. So eine große Behinderung sind die geheimen Tampontransporte aufs Klo nun ja auch nicht. Erst Recht, wenn man seit Jahren Profi darin ist.


Es ist so: Uns geht die Sache mit dem Tage-haben oder Regel-kriegen einfach grundsätzlich auf den Sack. Und das geht auch nie mehr weg. Psychologisch total ungesund, klar. Ist aber leider so. Wir fühlen uns von der Natur verarscht. Diskriminiert. Punkt. Und wer was anderes sagt, lügt.


Alle fucking 28 Tage dasselbe: Ekelhafte Krämpfe, schlechte Laune, mindestens drei ruinierte Unterhosen (wer richtet sein Leben schon punktgenau nach dem Menstruationskalender aus, pah, soweit kommt’s grad noch), Tampon-aus-Klopapier-Notbastelsituationen auf öffentlichen Toiletten etc.


Rechnet man prä- und postmenstruelles Syndrom mit ein, ist man als Frau also jeden Monat gute neun Tage lang Opfer mittelschwerer körperlicher Misslichkeiten. Da kann man durchaus schon von einer Art chronischer Erkrankung sprechen, finde ich. Das ist einfach was anderes, als einfach mal in Ruhe scheißen zu gehen und es vielleicht ein bisschen peinlich zu finden, wenn kurz darauf jemand anders ins Bad muss. Die ganze Mentruationssache hat nichts mehr mit normaler Scham zu tun, die geht schon in den Bereich der Identitätsstörung.


Ihr werdet das nie ganz verstehen, so rührend ihr euch auch darum bemüht. Es gibt kein vergleichbares, männliches Äquivalent zur Menstruation. Auch deshalb fühlen wir uns auf so furchtbar irrationale Weise diskriminiert. Wenn wir es uns aussuchen könnten, würden wir die Menstruation abschaffen. Sofort und rückwirkend. Zackbummkrach, fuck you! Können wir aber nicht. Wir bleiben Opfer. Und wir hassen Opfer sein. Keiner will Opfer sein.


Also tun wir so, als gäbe es die Menstruation nicht. Ihr sollt uns gefälligst ohne die Menstruationskacke denken. Wir wollen verdammt noch mal nicht mit unserem blutigen Tampon verwechselt werden. Tampons, Binden, Slipeinlagen, PMS und Co - DAS-SIND-WIR-NICHT! 


Was glaubt ihr eigentlich, warum euer an sich echt harmloses Gewitzel von der Sorte „Du hast ja PMS!“ oder „Du kriegst bestimmt deine Tage!“ mit die schlimmste Beleidigung der Welt für uns darstellt? Weil ihr uns damit sagt: "Haha, ihr seid Opfer der Natur und ihr könnt nichts dagegen machen, ihr armen kleinen Hühner!" Ihr reibt Salz in unsere nie heilende Wunde. Klar, es geht hier nur um die dämliche Periode, aber das ist egal. Niemand will da getroffen werden, wo er sich nicht wehren kann.


Glaubt übrigens nicht, dass unsere Tampondeals untereinander komplett schamfrei und lustig-süß-cool-Mädchentalk-mäßig ablaufen. Sondern eher so: „Oh man, kacke ey, hast du einen Tampon für mich?“ Und dabei geht uns allein die Tatsache, dass wir das das hässliche Wort „Tampon“ aussprechen muss, schon auf den Keks. Auch deshalb kommt uns das geheime Mail- oder SMS-Schreiben grad recht.


Dann Seufzen von der anderen Seite: „Oh, nerv, jaja, warte mal, hier.“ Vielleicht noch ein: „Du Arme!“, im mitleidigen „I feel you sista“-Blick. Und wenn ein Mann im Raum ist, muss man gar nichts dazu sagen, die Sista weiß es schon: Jetzt bloß nicht Tampons durch den Raum werfen. Lieber unterm Tisch zuschieben. Lieber so tun, als handele es sich hier um Methadon. Die Vorstellung, dass ihr einen Tampon in unserer Hand seht und wisst: Den steckt sie sich jetzt gleich rein, der ist leider unerträglich für uns. Aus allen schon genannten Gründen und noch ein paar mehr.


Jungs, wenn ihr nur wüsstet, wie das ist, dieses Tage-haben-müssen. Glaubt es uns, ihr hättet auch einen Dachschaden.




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