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Schwarzer-Peter-Spiel in der Roten Flora

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Andreas Blechschmidt ist überrascht. Seit er und andere Linksradikale vor 25 Jahren das leer stehende Theatergebäude der Roten Flora im Hamburger Schanzenviertel besetzten und dort ihr autonomes Kultur- und Widerspruchszentrum gegründete haben, hat er schon einige verdeckte Ermittler erlebt. Nie nahm die Öffentlichkeit großen Anteil daran, dass der Staat Spitzel in ihre Kreise einschleuste. Doch nach der jüngsten, von der Roten Flora vor einigen Wochen selbst veröffentlichten Enthüllung über die verdeckte Ermittlerin Iris P., ist das Interesse groß. Blechschmidt ist vor allem deshalb überrascht, weil der Senat am Mittwoch in der Hamburgischen Bürgerschaft eine relativ deutliche Stellungnahme abgegeben hat zu dem Umstand, dass sich die Polizistin P. von 2000 an sechs Jahre zu Ermittlungszwecken als Flora-Mitstreiterin ausgab, Freundschaften im linken Milieu schloss und sogar Liebesbeziehungen hatte.



Die besetzte "Rote Flora" im Hamburger Schanzenviertel: Hier soll sich eine verdeckte Ermittlerin engeschleust haben, um links-autonome Kreise zu bespitzeln.

Auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Christiane Schneider erklärte der Senat, der Staatsschutz im Landeskriminalamt habe Iris P. zunächst als „nicht offen eingesetzte Polizeibeamtin“ im Dienste einer „gefahrenabwehrenden Maßnahme“ beschäftigt. Nach wenigen Monaten sei die Polizistin „als verdeckte Ermittlerin auf Grundlage von gerichtlichen Beschlüssen in Ermittlungsverfahren eingesetzt gewesen, die durch die Bundesanwaltschaft geführt wurden“. Zuständig ist demnach die Generalbundesanwaltschaft. „Das ist der Versuch, sich aus der Nummer rauszuziehen“, sagt Blechschmidt. Aber die Geschichte nimmt Fahrt auf, der Aktivist stellt fest: „Es ist relativ viel Musik in der Sache.“


In der Tat stellen sich die Fragen, wie, wann und warum der Staat in die Leben seiner Bürger schaut. Die Ermittlungsfehler im Fall der rechtsextremen Terrorgruppe NSU haben dabei viel Vertrauen gekostet. Die Enthüllungen über die Datensammelwut des US-Geheimdienstes NSA haben ebenfalls das Bewusstsein der Normalbürger dafür geschärft, dass im Grunde jeder unter Beobachtung stehen kann. Und die besondere Brisanz im Spitzelfall der Roten Flora rührt auch daher, dass Iris P., die unter dem Decknamen Iris Schneider agierte, sich nicht nur als engagiertes Plenumsmitglied einbrachte, sondern auch als Journalistin: Sie arbeitete beim Radiosender FSK (Freies Sender Kombinat) mit, was der Senat in seiner Stellungnahme grundsätzlich in Ordnung fand. Trotzdem staunen manche: Ist das mit der Pressefreiheit vereinbar, wenn der Staatsschutz sich im Subkultur-Radio einklinkt?


Die Parteien in der Bürgerschaft sehen jedenfalls noch Klärungsbedarf. CDU und FDP verweisen auf die nächste Innenausschusssitzung am 9. Dezember, dann steht das Thema wieder auf der Tagesordnung. Die Linke Christiane Schneider findet den Vorgang „nach wie vor verfassungsrechtlich mehr als zweifelhaft“ und sagt: „Wir werden auf jeden Fall weiter nachhaken, wohl auch auf Bundesebene.“ Auch Antje Möller, der innenpolitischen Sprecherin der Grünen, reicht es nicht, „wenn der Senat jetzt einfach darauf verweist, dass die Ermittlerin für die Bundesanwaltschaft gearbeitet hat“. Am Donnerstag richtete sie die nächste Kleine Anfrage an den Senat.


Die Bundesanwaltschaft deutet auf SZ-Anfrage an, dass es sich die Hamburger zu leicht machen, wenn sie die Verantwortung für den Einsatz weiterschieben. Verdeckte Ermittler sind zur Aufklärung schwerer Staatsschutzdelikte erlaubt, etwa bei Bildung einer terroristischen Vereinigung oder Mord mit staatsschutzrechtlichem Hintergrund. In Verfahren des Generalbundesanwalts muss einem solchen Einsatz der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zustimmen. Aber: „Die polizeiliche Umsetzung des Einsatzes im Einzelnen und die dafür erforderlichen polizeitaktischen Überlegungen erfolgen durch die von der ermittlungsführenden Staatsanwaltschaft beauftragte Polizeidienststelle“, schreibt Marcus Köhler, der Sprecher des Generalbundesanwalts.


Andreas Blechschmidt hat sogar ein gewisses Verständnis dafür, dass die Behörden sich um die Rote Flora kümmern. „Die Flora versteht sich auch als Teil der autonomen, militanten Szene“, sagt er. Deshalb geht er davon aus, dass auch weiterhin verdeckte Ermittler in der Szene tätig sind. „Mit diesem abstrakten Wissen leben wir.“


Blechschmidt und die anderen Flora-Aktivisten finden allerdings, dass ihre vermeintliche Freundin Iris zu weit gegangen ist. Im Herbst 2013 erkannte sie jemand aus der Szene als Beamtin auf einer Präventionsstelle. Das brachte die Recherchen der Autonomen wieder in Gang. Schon zu ihren Flora-Zeiten war Iris Schneider dem Verdacht ausgesetzt, eine falsche Iris zu sein. Das Plenum war gespalten in jene, die ihr glaubten und jene, die ihr nicht glaubten. So wie Blechschmidt es erzählt, muss Iris P. den offen geführten Informationsaustausch zu der Debatte unterwandert haben, indem sie Papiere unterschlug. Als die langen Recherchen der Flora-Mitglieder den Verdacht endgültig bestätigten, muss die Enttäuschung bei vielen sehr groß gewesen sein. Selbst intime Gefühle sind nicht sicher vor der Polizei, so kann man die Enthüllung um die Polizistin Iris P. lesen, und Andreas Blechschmidt findet: „Auch die radikale Linke hat das Recht, das zu reklamieren.“

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