Quantcast
Channel: Alle Meldungen - jetzt.de
Viewing all articles
Browse latest Browse all 6207

Tippgemeinschaft

$
0
0

Der Spendenaufruf wird von sieben Universitäten getragen, er richtet sich an alle in Deutschland lebenden Menschen, und wer ihm folgen möchte, der kann dies weder mit Geld tun noch mit alter Kleidung. Die an dem Projekt „What’s up, Deutschland?“ beteiligten Sprachforscher interessieren sich nämlich für Datensätze.




Wie schreiben die Menschen in Whatsapp? Forscher der Uni Leipzig wollen es wissen.

Bis zum 11. Januar wollen sie mindestens 700000 Nachrichten einsammeln, vier Millionen Wörter sollen zusammenkommen. Ziel der Wissenschaftler ist es, die Sprache in einem Raum zu erforschen, der sich in den vergangenen Jahren stark vergrößert hat: Mehr als 30 Millionen Nutzer verwenden den Kommunikationsdienst Whatsapp in Deutschland. Am Ende des Projekts sollen Erkenntnisse darüber vorliegen, wie oft diese Nutzer von Dialekt Gebrauch machen, in welcher Weise sie Smileys einsetzen oder auf die Rechtschreibung achten, und wie sich die bei Whatsapp verwendete Sprache von der in SMS unterscheidet. Die Forscher wollen die Daten auch mit einer bereits abgeschlossenen Erhebung in der Schweiz vergleichen.


Von dort stammt Beat Siebenhaar, Projektleiter und Variationslinguist an der Universität Leipzig. Den Gedanken, bei der Erhebung könnte es sich eher um eine Werbemaßnahme für seine Disziplin handeln als um relevante Forschung, will er nicht gelten lassen. In der Sprachforschung habe die Untersuchung der Gegenwart „genauso ihren Platz wie zum Beispiel in der Biologie oder der Medizin“. Und die Gegenwart von Sprache, sagt Joachim Scharloth von der TU Dresden, sei eben nicht nur das Gespräch von Angesicht zu Angesicht: „Wir tun immer noch so, als wäre das der alleinige Normalfall, aber achten Sie mal darauf, wie oft Menschen sich sogar dann Nachrichten schreiben, wenn sie nebeneinander sitzen.“ Die Frage sei deswegen, was „mit uns und unserer Sprache passiert, wenn Kommunikation immer digitaler wird, wenn wir uns den Fenstern und Blasen ausliefern, die uns angeboten werden“.


Vorstellbar ist, dass durch Smartphones und die darauf vorinstallierten Sets von Smileys und anderen grafischen Symbolen die Verwendung von Abkürzungen zurückgeht – einem lauten Lachen lässt sich mit einer quietschgelben Grinsekugel schließlich besser Ausdruck verleihen als mit einem sperrigen „LOL“. Die Hilfestellung der Autokorrektur wiederum könnte den Effekt haben, dass Nutzer bei Whatsapp seltener Dialekt verwenden als bei anderen Kommunikationsformaten. Scharloth interessiert sich speziell für den Aufbau von Dialogen und dafür, wie diese zu Gemeinschaftsbildung beitragen. Whatsapp wird häufig für Gruppen-Chats genutzt. Technisch war das schon bei SMS möglich, aber auch wegen der Kosten habe diese Funktion kaum jemand genutzt.


Scharloth erhofft sich von den Daten zudem einen Gewinn für ein weiteres Projekt: Mit einem Kollegen arbeitet er an einem Chat-Bot. Der Roboter könnte eines Tages, verkürzt gesagt, selbst Kommentare in Netzwerken abgeben und Gespräche dort lenken. Dafür braucht das Programm Wissen. Erst wenn der Bot weiß, welche sprachlichen Muster etwa des Grüßens oder Kritisierens für Menschen typisch sind, hat er die Chance, selbst wie einer zu wirken.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 6207