Ein älterer Mann in Hamas-Kampfmontur holt in einem dunklen Keller eine Schachtel hervor, setzt sich an einen Tisch und pustet den Staub vom Deckel. So als hätte er einen Schatz gefunden oder ein Geheimnis entdeckt. "Sei bereit" und "Entdecke deine Fähigkeiten Palästina zu befreien", sagt er dann und greift mit seiner Hand zu einem Gewehr. Es ist aber eine andere Hand, die eines jungen Menschen, die zupackt und die Waffe an sich nimmt. Der zukünftige Hamas-Nachwuchs kann nun schon einmal anfangen den Kampf zu üben – von zu Hause und ganz bequem am Computer.
Waffen kaufen, Gefangenenaustausche erzwingen, Anschläge verüben, junge Männer aus Flüchtlingscamps rekrutieren. Das sind die Strategien, die die Hamas auch im realen Kampf gegen Israel anwendet. Und es sind auch die Slogans im Trailer zu The Liberation of Palestine, ein von Amateuren aus dem Gazastreifen entwickeltes, kostenloses Online-Spiel, bei dem es nicht ums Ballern, sondern um eine Anleitung zum bewaffneten Kampf geht. Der Trailer wurde am 6. Juli, zu Beginn des letzten Gaza-Kriegs, auf YouTube hochgeladen. Im Oktober wurde dann auf diversen arabischen TV-Sendern über das Spiel berichtet.
Im Nahen Osten gibt es immer wieder billig und schnell produzierte Computer- und Handyspiele, die den aktuellen Konflikt aufgreifen (hier ein Screenshot aus dem israelischen Spiel "Bomb Gaza").
Jungs und Mädchen sollen spielerisch Strategien trainieren, wie sie sich gegen Blockade und Besatzung zur Wehr setzen können. Gespielt werden kann direkt über die Homepage oder die Facebook-Seite. Ein kurzer Login genügt und es kann losgehen. Das Titelbild der Webseite zeigt einen weiteren Hamas-Kämpfer; im Hintergrund befinden sich Sperranlagen, die Israel vom Gazastreifen abschotten. Auf der einen Seite stehen eng bebaute Hütten, auf der anderen freistehende Einfamilien-Häuser mit Strandzugang.
Eine etwas vereinfachte Darstellung, aber sie zeigt wie höchst politisch Spiele sein können. Was soll man tun gegen Besatzung und Unterdrückung? Eine Frage, die für Palästinenser alltäglich ist. Im Interview mit Sky News Arabia betont Karam Hussein, einer der Entwickler, dass man mit dem Spiel lernen solle, wie man diplomatische Allianzen bildet und einen Gefangenenaustausch herbeiführt sowie sich mit Palästinensern vernetzt. "Die eigentliche Idee hier ist Strategie, nicht Aktion", sagt Hussein. In einem anderen Gespräch mit einem Sender aus den Vereinigten Arabischen Emiraten klingt er radikaler: Gegenseitiges Verständnis und Verhandlungen über "geplünderte Rechte" führten niemals zu positiven Ergebnissen, "die Israelis verstehen nur die Sprache der Waffen".
Im Spiel kann man sich aussuchen welche Region man "befreien" möchte und welche Art von Waffen eingesetzt werden sollen. Auswählen kann ein Spieler aus Kalaschnikow, Raketenarsenal oder Sprengstoffgürteln, um damit dann zum Beispiel gegen israelische Siedlungen vorzugehen. Für die Macher ist das der Geist des Widerstandes – für Israelis klingt das nach Terror.
The Liberation of Palestine ist nur eines von vielen solcher Spiele, die während der militärischen Auseinandersetzung zwischen der Hamas und Israel im Sommer die Kriegsführung beider Seiten aufgegriffen haben. Im Handy-App-Spiel Bomb Gaza stellten schwarze Figuren mit Schwertern die Terroristen dar, weiße mit Kindern auf dem Arm die Zivilisten. Es ging darum, so viele Terroristen wie möglich abzuschießen, ohne aber weiße Figuren zu treffen. Das Design war bunt und billig, die Botschaft blutig und so wurde das Spiel von Google und Facebook aufgrund einiger Proteste von Nutzern bereits nach einer Woche gelöscht. In Gaza Assault: Code Redkonnte man die Kontrolle des israelischen Abwehrsystems Iron Dome einmal selbst übernehmen, um Raketen früh genug abzufangen. In Whack the Hamas sollten Terroristen durch Beschuss daran gehindert werden aus ihren Tunneln herauszukommen. Konkret hieß das: abknallen. Auch diese Spiele wurden nach kurzer Zeit aus dem Google Play Store entfernt. Whack the Hamas ist mittlerweile aber wieder zu bekommen. Alle diese App-Spiele sind schnell und billig produziert, was man ihnen auch ansieht. Technisch und spielerisch haben sie wenig zu bieten. Es geht wohl darum, sie kostenlos oder sehr günstig anbieten zu können, um so viele Leute wie möglich zu erreichen.
Kann man durch diese Spiele wirklich das eigene Kampfverhalten trainieren? "Man lernt durch solche Spiele nicht zu schießen. Per Mausklick kann man niemals lernen, wie man eine Waffe zu halten hat", sagt Johannes Breuer, Medienpsychologe an der Universität Münster, der unter anderem zu der Verbindung zwischen digitalen Spielen und Aggression forscht. Man könne zwar lernen, sich in eine Einheit oder eine Armee einzufügen, aber das seien eben nicht die eigentlichen Ziele. Extremistische Organisationen nutzten die Spiele als Propaganda- und Werbeinstrumente, Strategie und Taktik seien dabei zweitrangig. "Die Macher dieser Spiele versuchen die Leute, meist junge gewaltbereite Männer, da abzuholen, wo sie sind. Sie nutzen deshalb Medien wie YouTube, Facebook und Computerspiele um so neue Mitglieder zu rekrutieren", sagt Breuer.
Propaganda-Spiele, um Nachwuchs für eine Kampftruppe zu finden, sind nicht nur ein Phänomen des Nahen Ostens. America’s Armyzum Beispiel ist ein Ego-Shooter, der von der US-amerikanischen Armee mit viel Budget produziert wurde. Hier wird man als Spieler zum Soldaten einer Spezialeinheit und schießt unter anderem im Häuserkampf auf seine Feinde. Das Besondere daran: Die Armee kontaktiert die erfolgreichsten Spieler per E-Mail, um sie für den Militärdienst anzuwerben.
Eins haben alle Spiele gemeinsam: Sie vermischen Wirklichkeit und Fiktion, verherrlichen Gewalt und schüren Hass. Als Bomb Gaza herauskam, hatte die israelische Armee bereits Hunderte Zivilisten getötet. Die Entwickler von The Liberation of Palestine verschweigen, dass ihr Kampf zur Befreieung Palästinas eigentlich eine Zerstörung Israels zum Ziel hat und dass auch die Opfer der Hamas unschuldige Zivilisten sind.
Die Macher dieser Spiele inszenieren die Schlachtfelder aktueller Kriege als Unterhaltungsmedium. Sie tun das, um schnelles Geld zu verdienen oder um junge Menschen mit ihrer Ideologie zu manipulieren. Das Gefährliche daran ist, wie so oft: Man stumpft ab. Wenn man Knöpfe drückt, muss man niemandem in die Augen schauen, es fließt nirgendwo Blut und man bringt sich selbst nicht in Gefahr.
Waffen kaufen, Gefangenenaustausche erzwingen, Anschläge verüben, junge Männer aus Flüchtlingscamps rekrutieren. Das sind die Strategien, die die Hamas auch im realen Kampf gegen Israel anwendet. Und es sind auch die Slogans im Trailer zu The Liberation of Palestine, ein von Amateuren aus dem Gazastreifen entwickeltes, kostenloses Online-Spiel, bei dem es nicht ums Ballern, sondern um eine Anleitung zum bewaffneten Kampf geht. Der Trailer wurde am 6. Juli, zu Beginn des letzten Gaza-Kriegs, auf YouTube hochgeladen. Im Oktober wurde dann auf diversen arabischen TV-Sendern über das Spiel berichtet.
Im Nahen Osten gibt es immer wieder billig und schnell produzierte Computer- und Handyspiele, die den aktuellen Konflikt aufgreifen (hier ein Screenshot aus dem israelischen Spiel "Bomb Gaza").
Jungs und Mädchen sollen spielerisch Strategien trainieren, wie sie sich gegen Blockade und Besatzung zur Wehr setzen können. Gespielt werden kann direkt über die Homepage oder die Facebook-Seite. Ein kurzer Login genügt und es kann losgehen. Das Titelbild der Webseite zeigt einen weiteren Hamas-Kämpfer; im Hintergrund befinden sich Sperranlagen, die Israel vom Gazastreifen abschotten. Auf der einen Seite stehen eng bebaute Hütten, auf der anderen freistehende Einfamilien-Häuser mit Strandzugang.
Eine etwas vereinfachte Darstellung, aber sie zeigt wie höchst politisch Spiele sein können. Was soll man tun gegen Besatzung und Unterdrückung? Eine Frage, die für Palästinenser alltäglich ist. Im Interview mit Sky News Arabia betont Karam Hussein, einer der Entwickler, dass man mit dem Spiel lernen solle, wie man diplomatische Allianzen bildet und einen Gefangenenaustausch herbeiführt sowie sich mit Palästinensern vernetzt. "Die eigentliche Idee hier ist Strategie, nicht Aktion", sagt Hussein. In einem anderen Gespräch mit einem Sender aus den Vereinigten Arabischen Emiraten klingt er radikaler: Gegenseitiges Verständnis und Verhandlungen über "geplünderte Rechte" führten niemals zu positiven Ergebnissen, "die Israelis verstehen nur die Sprache der Waffen".
Im Spiel kann man sich aussuchen welche Region man "befreien" möchte und welche Art von Waffen eingesetzt werden sollen. Auswählen kann ein Spieler aus Kalaschnikow, Raketenarsenal oder Sprengstoffgürteln, um damit dann zum Beispiel gegen israelische Siedlungen vorzugehen. Für die Macher ist das der Geist des Widerstandes – für Israelis klingt das nach Terror.
The Liberation of Palestine ist nur eines von vielen solcher Spiele, die während der militärischen Auseinandersetzung zwischen der Hamas und Israel im Sommer die Kriegsführung beider Seiten aufgegriffen haben. Im Handy-App-Spiel Bomb Gaza stellten schwarze Figuren mit Schwertern die Terroristen dar, weiße mit Kindern auf dem Arm die Zivilisten. Es ging darum, so viele Terroristen wie möglich abzuschießen, ohne aber weiße Figuren zu treffen. Das Design war bunt und billig, die Botschaft blutig und so wurde das Spiel von Google und Facebook aufgrund einiger Proteste von Nutzern bereits nach einer Woche gelöscht. In Gaza Assault: Code Redkonnte man die Kontrolle des israelischen Abwehrsystems Iron Dome einmal selbst übernehmen, um Raketen früh genug abzufangen. In Whack the Hamas sollten Terroristen durch Beschuss daran gehindert werden aus ihren Tunneln herauszukommen. Konkret hieß das: abknallen. Auch diese Spiele wurden nach kurzer Zeit aus dem Google Play Store entfernt. Whack the Hamas ist mittlerweile aber wieder zu bekommen. Alle diese App-Spiele sind schnell und billig produziert, was man ihnen auch ansieht. Technisch und spielerisch haben sie wenig zu bieten. Es geht wohl darum, sie kostenlos oder sehr günstig anbieten zu können, um so viele Leute wie möglich zu erreichen.
Kann man durch diese Spiele wirklich das eigene Kampfverhalten trainieren? "Man lernt durch solche Spiele nicht zu schießen. Per Mausklick kann man niemals lernen, wie man eine Waffe zu halten hat", sagt Johannes Breuer, Medienpsychologe an der Universität Münster, der unter anderem zu der Verbindung zwischen digitalen Spielen und Aggression forscht. Man könne zwar lernen, sich in eine Einheit oder eine Armee einzufügen, aber das seien eben nicht die eigentlichen Ziele. Extremistische Organisationen nutzten die Spiele als Propaganda- und Werbeinstrumente, Strategie und Taktik seien dabei zweitrangig. "Die Macher dieser Spiele versuchen die Leute, meist junge gewaltbereite Männer, da abzuholen, wo sie sind. Sie nutzen deshalb Medien wie YouTube, Facebook und Computerspiele um so neue Mitglieder zu rekrutieren", sagt Breuer.
Propaganda-Spiele, um Nachwuchs für eine Kampftruppe zu finden, sind nicht nur ein Phänomen des Nahen Ostens. America’s Armyzum Beispiel ist ein Ego-Shooter, der von der US-amerikanischen Armee mit viel Budget produziert wurde. Hier wird man als Spieler zum Soldaten einer Spezialeinheit und schießt unter anderem im Häuserkampf auf seine Feinde. Das Besondere daran: Die Armee kontaktiert die erfolgreichsten Spieler per E-Mail, um sie für den Militärdienst anzuwerben.
Eins haben alle Spiele gemeinsam: Sie vermischen Wirklichkeit und Fiktion, verherrlichen Gewalt und schüren Hass. Als Bomb Gaza herauskam, hatte die israelische Armee bereits Hunderte Zivilisten getötet. Die Entwickler von The Liberation of Palestine verschweigen, dass ihr Kampf zur Befreieung Palästinas eigentlich eine Zerstörung Israels zum Ziel hat und dass auch die Opfer der Hamas unschuldige Zivilisten sind.
Die Macher dieser Spiele inszenieren die Schlachtfelder aktueller Kriege als Unterhaltungsmedium. Sie tun das, um schnelles Geld zu verdienen oder um junge Menschen mit ihrer Ideologie zu manipulieren. Das Gefährliche daran ist, wie so oft: Man stumpft ab. Wenn man Knöpfe drückt, muss man niemandem in die Augen schauen, es fließt nirgendwo Blut und man bringt sich selbst nicht in Gefahr.