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Im Dienste der Tanzbarkeit

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Sie marschieren wieder: War das dritte Album von Franz Ferdinand doch eher überkonstruiertes Gitarrengekaue, finden die Glasgower Retter des Indie-Pop auf ihrem neuen Album zur alten Streberform zurück


In Zeiten der Skip-Taste, des Aktualisierungszwangs und des Shuffle-Modus ist es ziemlich schwer geworden, das Album einer Rockband so richtig in- und auswendig zu lernen. Es gelingt aber, wenn es zum Beispiel auf der Playlist eines jener prähistorischen MP3-Player festsitzt, den man nur noch zum Joggen nimmt. Man läuft also, hat keine Hand zum Skippen frei und ärgert sich über das immer gleiche Liedgut. Man kann aber nichts dagegen tun, ganz so wie vor 20 Jahren, als die Kassette manchmal im Autoradio feststeckte und man auf der langen Überlandfahrt keine Wahl hatte.

Dieser besondere Zufall versetzt den Autor dieses Textes in die Lage, über das 2009er-Album "Tonight: Franz Ferdinand" heute ein mühsam erarbeitetes Langstrecken-Urteil nachzutragen, das damals nicht möglich war. Es lautet: streberhaftes und über lange Strecken überkonstruiertes Gitarrengekaue. Eine richtig hirnzerplante Platte, die beim flüchtigen Hören zwar noch mit Kulissenschieberei beeindrucken konnte. Nach vielen gemeinsam durchlittenen Jogging-Kilometern aber bleibt nichts als Dosenrock und bürgerliche Tristesse. Von der für die schottische Gruppe Franz Ferdinand seit jeher verwendeten gesellschaftliche Einordnung als "Kunststudenten", die anfangs Hinweis auf die höheren Weihen der Band sein sollte, bleibt danach nicht mehr viel übrig. Das verflixte dritte Werk hat noch den Charme des Bummelstudententums im 22. Trimester.





Es wäre also nicht zwingend noch eine Franz-Ferdinand-Platte nötig gewesen, aber das ist das Schöne am Pop. Er schert sich nicht besonders um Notwendigkeiten, er ist ja immer eigentlich gleich nutzlos oder lebenswichtig, je nach Tageszeit. So geschieht es also, dass dieses vierte Album der früheren Glasgower Gitarrenpop-Retter mit dem klangvollen Namen genau den Überraschungseffekt bereit hält, den Totgesagte so gerne - betont lässig, demonstrativ lebendig - aus dem Ärmel schütteln. "Right Thoughts, Right Words, Right Action" nimmt den Hörer schon beim ersten Durchlauf für sich ein, ohne dass er genau sagen könnte, warum. Denn eigentlich haben Sänger und Vorsteher Alex Kapranos und seine drei feinen Herren doch wieder nur Variationen ihres "Darts Of Pleasure"-Einstiegshits vom Anfang des Jahrtausends komponiert. Eine maximal euphorische Variante typischer Post-Punk-Tanzmusik, die seinerzeit oft als "zackig" charakterisiert wurde.

Kaum eine Band dieser Gewichtsklasse pflegt ja eine derart stoische Werktreue und Wiedererkennbarkeit, eine über allen Alben, Songs und Konzerten schwebende zeitlose Klangeigenschaft. Den Grund legt die stets ähnlich stapfende Rhythmusabteilung, über deren struppigen Teppich die Leadgitarre des (in Bayern aufgewachsenen) Nick McCarthy bittersüß paradiert und Kapranos entspannt seine kleinen Geschichten souffliert. Das treibende Moment, der stets stramm losmarschierende Franz-Ferdinand-Takt - auf dieser, insgesamt vierten Platte wurde das Rückgrat wieder freigelegt. Im Dienste der Tanzbarkeit.

Beruhigende Erkenntnisse stellen sich ein. Erstens scheint die mittlerweile um die 40 Jahre alten Bandmitglieder der ewige Kunststudenten-Ruf auch nicht mehr sehr gereizt zu haben. Das Album klingt nämlich kein bisschen verkopft oder artifiziell elektrisch verwachsen, sondern eben wie genau das, was man sich in der Indie-Disco beim DJ wünscht.

Die zweite Erkenntnis ist schon schmerzvoller: Songs wie "Love Illumination" oder das aufreizende "Bullet" sind Hits, so gnadenlos gut hingeschleudert, dass man nicht anders kann, als ihren Riffs hinterherzuhecheln und Abbitte zu leisten, für eventuell in den letzten vier Jahren geäußerte Verächtlichkeiten. Ja, und das Laufen geht damit natürlich auch besser.

Diese Renaissance der Band Franz Ferdinand mit rosigen Wangen war Absicht, so scheint es, wenn man die Produktionsdaten deutet. Frei von Abgabeterminen haben sie gearbeitet, in einem bandeigenen Studio, in dem der Spaß im Vordergrund stand. Eine schnelle Aufnahme ohne langes Grübeln, diese einfachen Zutaten haben schon manch einer festgefahrenen Überflieger-Band ein respektables Spätwerk beschwert. Dabei wirkt es, als hätten die Schotten nicht nur ihre eigenen Wurzeln noch einmal neu nachgezeichnet und interpretiert, sondern auch den ganzen Fundus des britischen Popzirkus gesichtet und ihren neuen Braten schön mit Zitaten und Anklängen gespickt. "Bullet" klingt wie der Hit, den die leider vergessenen Supergrass nie ganz hingekriegt haben. Das spielerische "Fresh Strawberries" geht irgendwie stark den Beatles in der lustigen Phase hinterher und ist damit überhaupt nicht Ferdinand-typisch. Und die ikonische Gang Of Four steht sowieso wieder an jeder Ecke.

Aber die kurzweiligen Farbtupfer und Keyboardnotizen, die Lust an der verschmitzten Kurzgeschichte, das Zünden anachronistischer Lagerfeuer, all die Aktionen erzählen auch von einer noch nicht allzu weit zurückliegenden, goldenen Vergangenheit großbritischer Musikkultur. Wenn man gleichzeitig in die Veröffentlichungen der nächste Monate schaut und sieht, dass die Arctic Monkeys und die Babyshambles auch wieder miteinsteigen werden, ist man fast geneigt zu sagen: In diesem Herbst wird der Britpop noch mal sein Bierglas erheben. Feierlich, womöglich triumphal. Und Hunderttausende, die die alten Frisuren und Sportjacken noch tapfer auftragen, könnten sich wieder sehr gegenwärtig fühlen.

Dabei standen und stehen Franz Ferdinand immer auch für eine aristokratische Ausgabe dieser Kultur. Es ist etwas in der Art, wie Alex Kapranos in seinen Liedern über den Weltenlauf nachdenkt, diese feinsinnige Arroganz, mit der er etwa ganz am Ende der Platte beiläufig "You know, I hate pop music!" herausschleudert, das diese Band auf der Bühne noch ein bisschen höher stehen lässt als andere. Die Stromlinienform, die glatten Anzüge! Bei aller Nähe zur Indie-Disco ist auch dieses Album hermetisch, kein echter Ort der Freiheit. Es erzählt dem Hörer letztlich nichts über ihn, sondern nur von einer Band, die wieder mal alles richtig gemacht hat. Streber eben. Aber immerhin solche, mit denen man jetzt durchaus wieder mal ein Bier trinken würde.

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