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Boys Noize, ärgere dich nicht

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„Clärchens Ballhaus“ am frühen Nachmittag. Kellner mit Berliner Schnoddrigkeit in schicken Westen. Boys Noize, der eigentlich Alexander Ridha heißt und mit einem Eiskaffee in der Hand mehr einschwebt als -läuft, passt nicht ganz in die Szenerie: zu schüchtern, zu höflich. Sanft beinahe. Was ja auch ein Kontrast zu seiner Musik ist, die manche für arg krawallig halten, und andere genau deshalb für die Rettung des deutschen Electro. Gerade hat er ein Album mit dem Pianisten Chilly Gonzales veröffentlicht. Am Ende werden wir uns der Zeit wegen auf ein Unentschieden einigen. Los geht es mit der ersten Sechs bei seinem ersten Wurf.


jetzt.de: Was war für dich der bisher schwerste Rückschlag?
Boys Noize: Ich war mit meiner ersten Band, Kid Alex, bei einem Major Label unter Vertrag. Wir sollten eigentlich gerade unser zweites Album veröffentlichen – und wurden plötzlich komplett ignoriert.

Weil das Erste sich so schlecht verkauft hatte?
Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wie gut das erste Album lief. Ich war zu dem Zeitpunkt 17. Da war meine Einstellung zu dem Ganzen: Ich mache einfach jede Woche ein Album! Wenn eines nicht funktioniert, habe ich nächste Woche eben 15 neue Songs. Nein, das Problem war, dass wir ihnen angeblich keine Single geliefert haben. Und dann haben sie eben auf Stopp gedrückt. Wahrscheinlich war dieses Scheitern aber das Beste, was mir passieren konnte.

Inwiefern?
Danach habe ich mit Boys Noize angefangen. Und aufgehört, Kompromisse einzugehen.

Weil die das Problem waren?
Weil Kompromisse wahnsinnig schwierig sind, wenn es um Kreativität geht. Ich habe klare Vorstellungen, wie meine Musik sein muss. Da kann niemand von außen eingreifen.

Wie ging das dann beim „Octave Minds“-Album, das du gerade mit Chilly Gonzales gemacht hast?
Das ist etwas ganz anderes. Da gehe ich gezielt mit einem anderen Künstler in einen Raum, weil ich seinen kreativen Input will. Dadurch entsteht etwas Eigenes. Das ist gut. Aber sobald der Eingriff von außen kommt – von Plattenfirmen oder Managern –, macht das etwas kaputt.

Wem spielst du Sachen vor, wenn du Feedback brauchst?
Hauptsächlich den Leuten, die kommen, wenn ich auflege. Die wissen dann aber nicht, dass es etwas Neues ist. Live-Marktforschung? Das ist das beste Feedback, das du bekommen kannst: völlig neutral, sehr direkt, sehr ehrlich.

Er blickt solchen Worten auf sehr sympathische Art unsicher hinterher. Fast so, als überlege er, ob es ihm gebührt, sie auszusprechen. Und während er so schaut, schlage ich eine Figur. Eine fiesere Frage jetzt also:

Sind DJs echte Musiker oder doch nur Jukeboxen mit einem Gespür für Atmosphären?
Genau diese Diskussion hatte ich vor ein paar Wochen mit Gonzales. Ich komme mir neben einem grandiosen Pianisten wie ihm immer total mickrig vor. Er sieht das ganz anders. Für ihn spielt sich die Fähigkeit, Emotionen zu erkennen und zu beeinflussen, auf einer Meta-Ebene ab. Für ihn ist das Kunst. Allerdings hat sich da auch viel verändert: Als ich angefangen habe, gab es DJs und es gab Produzenten. Heute ist jeder DJ auch Produzent.

Ist es heute schwerer oder leichter, als DJ einzigartig zu klingen?
Nur anders. Jeder kommt leichter an alles. Und weil das für alle gilt, musst du eben selbst produzieren, um einzigartig zu klingen.

Das ist dank Musikprogrammen mit vorgefertigten Beats auch sehr viel einfacher geworden.
Ist es, ja. Ich finde das aber auch völlig okay. Als 14-Jähriger alle Möglichkeiten zu haben, Musik zu machen und dabei schnell zu Ergebnissen zu kommen, ist doch genial. Erst danach kommt irgendwann das Problem, dass sich viel gleich anhört. Ich glaube aber, dass sich Qualität trotzdem immer noch durchsetzt.
 
Ein kleiner Ausbruch, als ich eine zweite Figur schlage. „Der ganze Weg umsonst!“

In Kritiken, vor allem zu deinem Album „Out of the Black“, stand oft, dass du dich selbst kopierst: wenig Entwicklung, immer gleich krawallig.
Berührt mich überhaupt gar nicht. Ich merke ja selbst am besten, was passiert, wenn im Club 800 Leute auf meine Musik reagieren. Außerdem habe ich früh gelernt, mit Kritiken umzugehen. Am Anfang gab es eigentlich nur schlechte, weil der Sound überhaupt nicht in den Zeitgeist gepasst hat.

Noch ein winziger Ausbruch, als er eine meiner Figuren schlägt. Dann weiß er allerdings nicht, was er bewerben soll:

Über „Octave Minds“ haben wir ja eigentlich schon gesprochen. Na ja, ich bewerbe, dass es auf meinem Label erscheint. Wir haben „Nein“ zum Major Deal gesagt.

Musst du als Labelbetreiber geschäftlicher denken als als Produzent?
Vielleicht müsste ich. Aber ich tu’s nicht. Ich habe noch nie etwas gesignt, weil ich dachte, dass es ein Hit wird, sondern immer nur, weil ich’s geil fand. Fertig. Für mich ist das Label ein Baby, das ich liebe. Ich glaube nicht, dass ich der Richtige wäre, um da ein Business draus zu machen. Dafür wäre mir meine Zeit auch zu schade.

Moment, ich würfle schnell eine Drei, schlage dich und frage dann die nächste logische Frage.

Gesagt, getan.

Dann ist das Label ja nur ein Abschreibungsprojekt.
Lacht. Ich habe tatsächlich schon öfter drüber nachgedacht, das Label zu schließen. Ich habe bis heute noch nie Geld herausziehen können. Eigentlich pumpe ich sogar nur rein. Aber: Am Ende des Tages ist es mir das dann doch immer wert, weil es eine Art Identität für mich ist. Ich möchte das einfach nicht aufgeben.

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