Neulich, in einer Küche bei Freunden: „Ich hasse Küchengeräte“, sagte die Freundin, „aber das hier für den Milchschaum ist echt sinnvoll, das musste sein!“ Neulich, in einer anderen Küche, bei anderen Freunden: „Willst du Milchschaum?“, fragte die Freundin, „Das geht jetzt ganz leicht, seit wir dieses Gerät haben!“ Neulich, in meiner Küche, mit Besuch einer Freundin auf der Durchreise: „Ich mache mir noch einen Kaffee für die Fahrt“, sagte die Freundin, „guck mal, das Gerät habe ich mir gegönnt, das macht so guten Schaum!“ Als ich nach diesen drei Situationen einem Bekannten auf einer Party sagte, alle hätten auf einmal „diese Milchschaumgeräte“, sagte er: „Ja, ich auch, die sind super!“ Und dann war ich mir sicher mit einem Gedanken, der vorher nur eine Ahnung war: Das mit dem Milchschaum hat irgendwie überhand genommen. Die Schaum-Perfektionierung ist über die Stränge geschlagen.
Jaja, ihr könnt auch Herzchen in den Schaum machen, ist klar...
Milchschaum, das ist schon so ein Ding unserer Generation. Erst gab es ihn nur im Café, da haben wir ihn in der Oberstufe in unserer Mittagspause vom Latte Macchiato runtergelöffelt. Als ich von Zuhause auszog, fand er gerade Eingang in die WG-Küchen. Erst wurde in den Druck-Kaffeekannen geschäumt, dann kaufte man extra Milchkannen mit Pumpe, um zu schäumen. Beides klappte nur so mittelgut, meistens wandte man viel Kraft auf, um danach lauwarme Milch mit ein paar Bläschen drin in den Kaffee zu gießen. Dann kam die Zeit der Stab-Schäumer. Die Studenten kauften sie bei Tchibo und Kaufhof, schwärmten davon, wie viel Spaß es mache, sie zu benutzen, philosophierten über den besten Fettgehalt und die richtige Temperatur der Milch, lobten sich gegenseitig, wenn sie guten Schaum kreiert hatten (gut = möglichst fest), und schimpften darüber, wie schnell die Batterien leer gingen. Und seit Neustem tauchen nun also diese Milchschaumgeräte in den Küchen der Studenten und Gerade-der-Uni-Entwachsenen auf. Geräte, dir zuvor nur auf den Anrichten besser verdienender Eltern standen, die es jetzt aber auch in günstiger gibt, sodass die Freundinnen sagen: „Hat nur 30 Euro gekostet!“ Man nennt sie „Induktions-Milchaufschäumer“. Das habe ich auf www.milchschaum.net nachgelesen. Dort lernt man, was Milchschaum genau ist und welche Möglichkeiten es gibt, ihn „perfekt zuzubereiten“, wenn „man sich ein Leben ohne Cappuccino, Latte Macchiato oder Caffe Latte gar nicht mehr vorstellen kann“.
[plugin imagelink link="http://ecx.images-amazon.com/images/I/4119uEwSb7L.jpg" imagesrc="http://ecx.images-amazon.com/images/I/4119uEwSb7L.jpg"]Für alle, die sich nichts drunter vorstellen können: Das ist ein Induktionsmilchschäumer. (Quelle)
Irgendwann zwischen Oberstufen-Mittagspause und Induktions-Milchaufschäumer für Zuhause sind alle Menschen um mich herum zu kleinen Baristas geworden. Mir macht das ein bisschen Angst, weil ich glaube, dass es etwas mit Fotogenität zu tun hat. Mit dem schönen Schein. Er sieht gut aus, der Schaum. Mit ihm wehen immer ein cremiger Hauch französischer Cafés und das Gefühl von kalten Wintertagen, die man dort zweisam plaudernd in Vintage-Sesseln verbringt, durch den Raum. Weil es heute so wichtig ist, dass auch das Zuhause diesen Café-Hauch und dieses Sessel-Gefühl hat, und sich die Menschen am wohlsten fühlen, wenn sie am eigenen Küchentisch so aussehen, dass man sie gleich abfotografieren könnte, musste der Milchschaum auch in unsere Küchen kommen. Damit man dort in einer besonders schönen Hausanzug-Hose lässig auf dem Stuhl sitzen, ein Bein anziehen und die Hände locker um eine große Tasse legen kann, die von einer weißen Haube aus Schaum gekrönt wird. Damit davon jemand ein Foto macht oder man wenigstens das Gefühl hat: Würde jetzt jemand ein Foto machen, dann sähe mein Leben sehr schön und genießerisch aus. Die Instagram-Timeline ist voll mit Fotos, auf denen jemand so oder ähnlich dasitzt, oder mit solchen, die mit #coffeediary gekennzeichnet werden. Darauf sieht man schönste Milchschäume aus der Vogelperspektive in schönsten Tassen neben schönsten Magazinen oder Büchern auf schönsten Massivholztischen. Milchschaum, das ist auch immer ein Symbol für: sich Zeit nehmen. Genießen. Sich ins gute, schöne Leben oder ein gutes Buch vertiefen. Nicht den Kaffee schnell runterkippen, sondern erstmal in Ruhe ein bisschen Schaum löffeln und sich beim ersten Schluck die Oberlippe auf eine ganz niedliche Art bemilchschäumen.
Dabei sprechen ja, wenn man mal ehrlich ist, auch genug Gründe gegen Milchschaum. Erstens bleibt er in den Coffee-to-go-Bechern immer so unschön als Bodensatz zurück, den man ohne Löffel nie erreicht. Zweitens sind die wirklich coolen Säue immer die, die „Kaffe, schwarz“ bestellen. Und drittens ist Milchschaum nach allem hübschen Aussehen eigentlich immer eine Enttäuschung, wenn man ihn probiert. Dann schmeckt er halt zu Dreivierteln nach Milch und zu einem Viertel nach Luft. Das kann man auch haben, wenn man erst ein Glas Milch trinkt und dann atmet.
Man verstehe mich nicht falsch: Jeder darf so viel Milch schäumen, wie er will. Und ich bestelle im Café selbst immer die Kaffee-Variante mit Schaum. Trotzdem möchte ich vorsichtig anmerken, dass es vielleicht Zeit wird, weniger Wirbel um die Milch (und in der Milch) zu machen, bevor es lächerlich wird. Milchschaum ist keine Wissenschaft und auch kein Accessoire. Ich finde, man sollte immer stutzig werden, wenn so etwas herrlich nutzloses wie Milchschaum auf einmal mit Geräten gemacht wird, die das Präfix „Induktions-“ haben.
Jaja, ihr könnt auch Herzchen in den Schaum machen, ist klar...
Milchschaum, das ist schon so ein Ding unserer Generation. Erst gab es ihn nur im Café, da haben wir ihn in der Oberstufe in unserer Mittagspause vom Latte Macchiato runtergelöffelt. Als ich von Zuhause auszog, fand er gerade Eingang in die WG-Küchen. Erst wurde in den Druck-Kaffeekannen geschäumt, dann kaufte man extra Milchkannen mit Pumpe, um zu schäumen. Beides klappte nur so mittelgut, meistens wandte man viel Kraft auf, um danach lauwarme Milch mit ein paar Bläschen drin in den Kaffee zu gießen. Dann kam die Zeit der Stab-Schäumer. Die Studenten kauften sie bei Tchibo und Kaufhof, schwärmten davon, wie viel Spaß es mache, sie zu benutzen, philosophierten über den besten Fettgehalt und die richtige Temperatur der Milch, lobten sich gegenseitig, wenn sie guten Schaum kreiert hatten (gut = möglichst fest), und schimpften darüber, wie schnell die Batterien leer gingen. Und seit Neustem tauchen nun also diese Milchschaumgeräte in den Küchen der Studenten und Gerade-der-Uni-Entwachsenen auf. Geräte, dir zuvor nur auf den Anrichten besser verdienender Eltern standen, die es jetzt aber auch in günstiger gibt, sodass die Freundinnen sagen: „Hat nur 30 Euro gekostet!“ Man nennt sie „Induktions-Milchaufschäumer“. Das habe ich auf www.milchschaum.net nachgelesen. Dort lernt man, was Milchschaum genau ist und welche Möglichkeiten es gibt, ihn „perfekt zuzubereiten“, wenn „man sich ein Leben ohne Cappuccino, Latte Macchiato oder Caffe Latte gar nicht mehr vorstellen kann“.
[plugin imagelink link="http://ecx.images-amazon.com/images/I/4119uEwSb7L.jpg" imagesrc="http://ecx.images-amazon.com/images/I/4119uEwSb7L.jpg"]Für alle, die sich nichts drunter vorstellen können: Das ist ein Induktionsmilchschäumer. (Quelle)
Irgendwann zwischen Oberstufen-Mittagspause und Induktions-Milchaufschäumer für Zuhause sind alle Menschen um mich herum zu kleinen Baristas geworden. Mir macht das ein bisschen Angst, weil ich glaube, dass es etwas mit Fotogenität zu tun hat. Mit dem schönen Schein. Er sieht gut aus, der Schaum. Mit ihm wehen immer ein cremiger Hauch französischer Cafés und das Gefühl von kalten Wintertagen, die man dort zweisam plaudernd in Vintage-Sesseln verbringt, durch den Raum. Weil es heute so wichtig ist, dass auch das Zuhause diesen Café-Hauch und dieses Sessel-Gefühl hat, und sich die Menschen am wohlsten fühlen, wenn sie am eigenen Küchentisch so aussehen, dass man sie gleich abfotografieren könnte, musste der Milchschaum auch in unsere Küchen kommen. Damit man dort in einer besonders schönen Hausanzug-Hose lässig auf dem Stuhl sitzen, ein Bein anziehen und die Hände locker um eine große Tasse legen kann, die von einer weißen Haube aus Schaum gekrönt wird. Damit davon jemand ein Foto macht oder man wenigstens das Gefühl hat: Würde jetzt jemand ein Foto machen, dann sähe mein Leben sehr schön und genießerisch aus. Die Instagram-Timeline ist voll mit Fotos, auf denen jemand so oder ähnlich dasitzt, oder mit solchen, die mit #coffeediary gekennzeichnet werden. Darauf sieht man schönste Milchschäume aus der Vogelperspektive in schönsten Tassen neben schönsten Magazinen oder Büchern auf schönsten Massivholztischen. Milchschaum, das ist auch immer ein Symbol für: sich Zeit nehmen. Genießen. Sich ins gute, schöne Leben oder ein gutes Buch vertiefen. Nicht den Kaffee schnell runterkippen, sondern erstmal in Ruhe ein bisschen Schaum löffeln und sich beim ersten Schluck die Oberlippe auf eine ganz niedliche Art bemilchschäumen.
Dabei sprechen ja, wenn man mal ehrlich ist, auch genug Gründe gegen Milchschaum. Erstens bleibt er in den Coffee-to-go-Bechern immer so unschön als Bodensatz zurück, den man ohne Löffel nie erreicht. Zweitens sind die wirklich coolen Säue immer die, die „Kaffe, schwarz“ bestellen. Und drittens ist Milchschaum nach allem hübschen Aussehen eigentlich immer eine Enttäuschung, wenn man ihn probiert. Dann schmeckt er halt zu Dreivierteln nach Milch und zu einem Viertel nach Luft. Das kann man auch haben, wenn man erst ein Glas Milch trinkt und dann atmet.
Man verstehe mich nicht falsch: Jeder darf so viel Milch schäumen, wie er will. Und ich bestelle im Café selbst immer die Kaffee-Variante mit Schaum. Trotzdem möchte ich vorsichtig anmerken, dass es vielleicht Zeit wird, weniger Wirbel um die Milch (und in der Milch) zu machen, bevor es lächerlich wird. Milchschaum ist keine Wissenschaft und auch kein Accessoire. Ich finde, man sollte immer stutzig werden, wenn so etwas herrlich nutzloses wie Milchschaum auf einmal mit Geräten gemacht wird, die das Präfix „Induktions-“ haben.