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Komplette Illusion

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Auf der Spielemesse Gamescom protzen die Hersteller mit Alleskönner-Konsolen. Doch die Kunden interessiert das nur mäßig

Über mangelnde Popularität kann sich die Branche nun wirklich nicht beklagen, auch in Deutschland nicht. 275000 Menschen werden sich um Tausende Bildschirme drängen, schätzen die Veranstalter der Gamescom. An diesem Mittwoch beginnt in Köln die weltgrößte Messe für Video- und Computerspiele und ihre erwarteten Besucher könnten auch fünf Fußballbundesliga-Stadien füllen. Selbst zur Frankfurter Buchmesse kommen jedes Jahr nur ein paar Tausend Menschen mehr.

Trotzdem ist die milliardenschwere Videospiel-Industrie im Umbruch, und Sony, Microsoft und Nintendo, die Hersteller der drei beliebtesten Spielkonsolen, spüren das am deutlichsten. Kauften 2010 weltweit noch etwa 44 Millionen Menschen eine Playstation 3, Xbox 360 oder Wii, waren es zwei Jahre später nur noch etwa 28 Millionen Spieler. Besonders hart traf das den japanischen Hersteller Nintendo: Die Konsole Wii ging 2012 nur noch etwa fünf Millionen Mal über den Ladentisch, das war ein Rückgang von fast 70 Prozent innerhalb von zwei Jahren.



Ein Besucher der letztjährigen Gamescom in Köln

Die Anbieter versuchen, den Trend umzukehren - mit immer neuen Geräten. So hat Nintendo schon Ende 2012 die Wii U auf den Markt gebracht, den ersten Vertreter einer neuen Generation von Konsolen. Sony und Microsoft werden in diesem Jahr zum Weihnachtsgeschäft nachziehen und auf der Gamescom ihre Geräte jetzt auch dem deutschen Publikum vorstellen. Mit der Playstation 4 und der Xbox One soll das Spielen noch spektakulärer sein, die Bilder noch detaillierter, die Illusion noch kompletter.

Aber auch bessere, aufwendigere, lebensechtere Spiele reichen nicht mehr, um Kunden zu locken. Die neuen Konsolen, so betonen die Vermarkter unermüdlich, können viel mehr. Sie sind DVD- und Blu-ray-Spieler und bringen über das Heimnetzwerk Fotos, Musik und Videos vom Computer auf den Fernsehbildschirm. Man kann mit ihnen im Internet Filme bestellen, herunterladen und ansehen. Oder sich mit Webcam, Mikrofon und Fernbedienung per Video-Chat mit Freunden unterhalten, ohne die Couch zu verlassen.

Nur: Das können Konsolen jetzt schon, wenn vielleicht auch noch nicht alles problemlos funktioniert. Das können auch Smartphones, Tablets und sogar einige Fernseher. Die Konsolenhersteller haben den Internetanschluss im Wohnzimmer zum Standard gemacht, aber sie haben kein Monopol darauf. Neue Käuferschichten lassen sich damit also nicht mehr erschließen.

Dazu kommt, dass Konsolen als Plattform für Spiele und Spieler immer unwichtiger werden. Unternehmen wie Rovio nehmen mit Internet-Spielchen wie "Angry Birds" Milliarden ein. Diese Spiele vertreiben Gelegenheitsspielern die Zeit und heißen daher Casual Games, sie sind kostengünstig und schnell zu programmieren, während die Budgets von populären Spielen wie "Call of Duty" immer näher an das Niveau teurer Hollywood-Filme heranreichen. Casual Games spielt man im Internet, auf dem Smartphone und Tablet. Ihr Gegenstück, die Core Games, auf dem Fernseher oder PC-Monitor.

Nun locken die meist kostenlosen Casual Games die Spieler nicht unbedingt von Core Games weg. Diese kosten 50 Euro oder mehr und erfordern meist leistungsfähigere und teurere Geräte. Und sie zu spielen ist komplizierter, braucht mehr Zeit. Die Zielgruppen beider Sparten überschneiden sich daher kaum.

Dennoch hat Nintendo als erster Hersteller auf die neue Sparte reagiert, immerhin bietet sie die Chance, zu wachsen. Die Wii, mit mehr als 100 Millionen verkaufter Exemplare die derzeit erfolgreichste Konsole, lässt sich über Bewegungen steuern - das brachte viele Gelegenheitsspieler zum ersten Mal zu den seit Jahrzehnten etablierten Nintendo-Spielen "Super Mario Bros" und "Legend of Zelda". Und sie brachte mit Produkten wie "Wii Party" Casual Games auf den großen Bildschirm im Wohnzimmer. Sony und Microsoft beeilten sich, eigene Bewegungssteuerungen nachzurüsten.

Jetzt wollen auch andere Hersteller mit Casual Games Geld verdienen. Schon seit Jahren gibt es Gerüchte, dass Apple eine eigene Spielkonsole plane. Nun berichten verschiedene Fachmedien, dass auch Amazon noch zum Weihnachtsgeschäft eine eigene Konsole auf Basis des Google-Betriebssystems Android herausbringen wolle. Diese dürfte für Gelegenheitsspiele gedacht sein - und Amazon helfen, andere Digitalinhalte wie Musik und Videos zu verkaufen. Aber wollen viele Menschen wirklich auf dem Fernsehbildschirm statt auf dem Smartphone Casual Games spielen? Sind sie bereit, mehrere Hundert Euro für eine Konsole auszugeben? Nintendos Wii U setzt das Konzept, das Gelegenheits- und Hobbyspieler vereinen soll, fort. Im November 2012 kam die Konsole auf den Markt. Erst 3,4 Millionen Geräte wurden verkauft.

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