Die richtig heikle Frage wollten die Autoren der Studie gar nicht umschiffen, sie verwenden sie sogar als Überschrift eines Kapitels: „Der Bachelor: Abschluss ohne Wert?“ Darunter folgt, was repräsentativ ausgewählte Hochschüler aus ganz Deutschland dem Demoskopie-Institut Allensbach sagten: 61 Prozent der Bachelor-Studenten planen, im Anschluss noch den Master dranzuhängen. Nur jeweils ein Fünftel hat das nicht vor oder ist unsicher. Die Gründe, warum der Sechs-Semester-Abschluss, der mit der Bologna-Reform eigentlich der reguläre akademische Grad werden sollte, solche Zweifel auslöst: schlechte Karriere- und Verdienstmöglichkeiten, zu wenig Zeit, um das Wissen im Fach zu vertiefen oder sich zu spezialisieren. Nur 23 Prozent der Studenten sagten in der Studie, die kürzlich im Auftrag des Reemtsma Begabtenförderungswerk veröffentlicht wurde: Der Bachelor-Abschluss reicht als Berufsqualifikation aus. Man traut sich also kaum auf den Arbeitsmarkt damit.
15 Jahre nach dem Start der Bologna-Reform mit ihren neuen Abschlüssen Bachelor und Master hat sich das System mittlerweile etabliert, doch die Skepsis ist nicht verflogen. Und zwar nicht nur bei der Frage, ob die Nachwuchsakademiker in dem eher verschulten System noch umfassende Bildung gewinnen, ob Zeit bleibt für den Blick in andere Fächer, in abseitige Fragen oder für den Aufenthalt im Ausland. Sondern selbst da, wo die Reform besonders punkten wollte: Was ist der neue Abschluss wert? Im Studium, bei den Unternehmen und für eine spätere Karriere?
Was kommt nach dem Bachelor?
Im Oktober beginnt das Wintersemester an den Universitäten, an Fachhochschulen werden bereits wieder Vorlesungen gehalten. Gut eine halbe Million Studienanfänger im Jahr 2014 werden – wie schon in den vergangenen Jahren – bald von den Statistikern vermeldet werden. Sie beginnen fast alle ein Bachelorstudium. 85 Prozent der Angebote sind auf Bologna umgestellt, fast alle außer in der Regel Staatsexamensfächer wie Medizin, Jura; teils Lehramt sowie Studiengänge in einigen Widerstandsburgen. Und die Bilanz?
Eines der Ziele von Bologna war, den Anteil der Studienabbrecher zu senken. Die Chancen dazu standen nicht schlecht: Wer früher nach dem Vordiplom oder der Zwischenprüfung, also nach etwa vier Semestern, aufgab, galt als Abbrecher, mit all den unfairen Assoziationen akademischer Unfähigkeit oder fehlenden Durchhaltevermögens. Mit dem Bachelor hat man bereits nach sechs Semestern einen Abschluss in der Tasche. Wer danach schon aufhört, ist trotzdem Akademiker. Ein Übriges sollten die üppigeren Vorgaben erledigen, die die Studenten enger durchs Studium führen, ihnen mehr vorschreiben. Doch gefruchtet hat dies nicht: Mehr als jeder vierte Bachelor-Student, 28 Prozent, bricht laut einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung ab, in den Naturwissenschaften mehr als ein Drittel und in Mathematik an den Universitäten sogar fast jeder zweite Student.
Wer die Hochschule erfolgreich hinter sich hat, wird den Wert des Abschlusses bei der Stellensuche schätzen lernen. Statistisch gesehen findet praktisch jeder Absolvent einen Job, die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 2,5 Prozent. Das gilt als Vollbeschäftigung. Die Frage ist nur, welchen Job man bekommt. Und hier zeigen sich die Schwächen des Bachelor. Einer Studie des Stifterverbands zufolge hängt fast jeder fünfte FH-Bachelor ein Jahr nach dem Abschluss auf einer Stelle, für die er eigentlich überqualifiziert ist, beim Uni-Bachelor ist es sogar mehr als jeder vierte, der zum Beispiel als Honorarkraft oder Aushilfe über die Runden kommt. Die Unternehmen nehmen die Uni-Bachelor zwar. Aber sie nehmen sie oft nicht ernst.
Das schlägt sich auch im Einkommen nieder. Laut Studien verdienen Berufseinsteiger ein Jahr nach dem Uni-Bachelor-Abschluss 27700 Euro im Jahr, Bachelor von der FH bekommen dagegen deutlich mehr, nämlich fast 34000 Euro. Erst mit einem Masterabschluss schafft man es auf die Höhe der klassischen Universitätsabschlüsse wie Diplom oder Magister, die im Schnitt mehr als 37000 Euro auf dem Gehaltskonto erwarten können. Auch hier ist also der Wert des Uni-Bachelors auffällig gering – auch wenn man ziemlich sicher einen Job bekommt. Der Wert des Bachelors hängt von der Branche ab, wohl auch von der Persönlichkeit oder vom Profil des einzelnen Studiengangs. Doch wahre Begeisterung löst Bologna eher selten aus. In Befragungen von Personalchefs hört man oft auch gar nicht Klagen übers Fachliche – sondern darüber, dass die Akademiker Anfang 20 einfach noch zu unreif sind.
Der studentische Dachverband fzs will einen Rechtsanspruch für alle Bachelorabsolventen auf den Masterplatz: „Die Hochschulen haben aufgrund der schlechten Umsetzung der Bachelorstudiengänge versäumt, den Bachelor als vollwertigen Abschluss zu etablieren. Jetzt müssen sie den Studierenden den Weg in den Master ebnen.“ Laut dem Bologna-Bericht der Bundesregierung steht „für jeden interessierten Bachelorabsolventen heute ein Masterstudienplatz zur Verfügung“ – unterm Strich wohlgemerkt, gegebenenfalls ist die Uni zu wechseln. Zugangshürden zum Master – durch die Bachelor-Note oder spezielle Tests – sind daher keine Seltenheit. Hochschulen nehmen nicht jeden blind in den Master auf, weil sie wenig Kapazitäten und mit der Versorgung der Erstsemester schon genug zu tun haben. Andererseits wollen viele Rektoren ungern das Prinzip der Reform konterkarieren – der Bachelor als Regelabschluss, der Master als Spezialisierung oder nur für die Besten. Die Hochschulen stecken in der Bachelor-Falle.
Auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ist uneins. 2012 hatte HRK-Präsident Horst Hippler im SZ-Interview gesagt: Ein Bachelor in Ingenieurwesen sei „nie im Leben ein Ingenieur“. Eine Universität müsse „mehr leisten als Ausbildung, nämlich Bildung. Das tut sie mit dem Bachelor nicht“. Das Echo darauf war enorm, vor allem FH-Chefs pochten darauf, dass der Bachelor bei ihnen funktioniere; auch manche Uni-Rektoren sahen den Abschluss zu pauschal beurteilt. In der Folge werkelte eine HRK-Arbeitsgruppe an Verbesserungen – am Studienbetrieb, Anwesenheitspflichten oder Zeitfenster für Auslandsaufenthalte. Die Frage, wie man den Bachelor aufwertet, fehlte weitgehend.
In jüngster Zeit findet aber eine Idee zunehmend Sympathisanten, unter Bologna-Freunden wie Kritikern der Reform: die Ausdehnung der Bachelor-Studienzeit auf acht Semester. Der HRK-Vize und Hamburger Uni-Chef Dieter Lenzen, der jüngst mit einem Buch ein scharfes Bologna-Tribunal abhielt, sagt: Das Problem sei, „dass nach sechs Semestern eine Berufsfähigkeit im Sinne eines Hochschulabschlusses, wie er früher war, nicht gegeben ist“. Die Länder stellten jedoch das Geld für einen Acht-Semester-Bachelor nicht bereit – wenn eine Hochschule dies anbiete, müsse sie teils von vier Semestern Master zwei streichen.
Flexiblere Studienzeiten? Die nehmen sich freilich immer mehr Leute schon in Eigenregie. Dem Statistischen Bundesamt zufolge halten nur 40 Prozent aller Studenten die Regelstudienzeit ihres Fachs ein.
15 Jahre nach dem Start der Bologna-Reform mit ihren neuen Abschlüssen Bachelor und Master hat sich das System mittlerweile etabliert, doch die Skepsis ist nicht verflogen. Und zwar nicht nur bei der Frage, ob die Nachwuchsakademiker in dem eher verschulten System noch umfassende Bildung gewinnen, ob Zeit bleibt für den Blick in andere Fächer, in abseitige Fragen oder für den Aufenthalt im Ausland. Sondern selbst da, wo die Reform besonders punkten wollte: Was ist der neue Abschluss wert? Im Studium, bei den Unternehmen und für eine spätere Karriere?
Was kommt nach dem Bachelor?
Im Oktober beginnt das Wintersemester an den Universitäten, an Fachhochschulen werden bereits wieder Vorlesungen gehalten. Gut eine halbe Million Studienanfänger im Jahr 2014 werden – wie schon in den vergangenen Jahren – bald von den Statistikern vermeldet werden. Sie beginnen fast alle ein Bachelorstudium. 85 Prozent der Angebote sind auf Bologna umgestellt, fast alle außer in der Regel Staatsexamensfächer wie Medizin, Jura; teils Lehramt sowie Studiengänge in einigen Widerstandsburgen. Und die Bilanz?
Eines der Ziele von Bologna war, den Anteil der Studienabbrecher zu senken. Die Chancen dazu standen nicht schlecht: Wer früher nach dem Vordiplom oder der Zwischenprüfung, also nach etwa vier Semestern, aufgab, galt als Abbrecher, mit all den unfairen Assoziationen akademischer Unfähigkeit oder fehlenden Durchhaltevermögens. Mit dem Bachelor hat man bereits nach sechs Semestern einen Abschluss in der Tasche. Wer danach schon aufhört, ist trotzdem Akademiker. Ein Übriges sollten die üppigeren Vorgaben erledigen, die die Studenten enger durchs Studium führen, ihnen mehr vorschreiben. Doch gefruchtet hat dies nicht: Mehr als jeder vierte Bachelor-Student, 28 Prozent, bricht laut einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung ab, in den Naturwissenschaften mehr als ein Drittel und in Mathematik an den Universitäten sogar fast jeder zweite Student.
Wer die Hochschule erfolgreich hinter sich hat, wird den Wert des Abschlusses bei der Stellensuche schätzen lernen. Statistisch gesehen findet praktisch jeder Absolvent einen Job, die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 2,5 Prozent. Das gilt als Vollbeschäftigung. Die Frage ist nur, welchen Job man bekommt. Und hier zeigen sich die Schwächen des Bachelor. Einer Studie des Stifterverbands zufolge hängt fast jeder fünfte FH-Bachelor ein Jahr nach dem Abschluss auf einer Stelle, für die er eigentlich überqualifiziert ist, beim Uni-Bachelor ist es sogar mehr als jeder vierte, der zum Beispiel als Honorarkraft oder Aushilfe über die Runden kommt. Die Unternehmen nehmen die Uni-Bachelor zwar. Aber sie nehmen sie oft nicht ernst.
Das schlägt sich auch im Einkommen nieder. Laut Studien verdienen Berufseinsteiger ein Jahr nach dem Uni-Bachelor-Abschluss 27700 Euro im Jahr, Bachelor von der FH bekommen dagegen deutlich mehr, nämlich fast 34000 Euro. Erst mit einem Masterabschluss schafft man es auf die Höhe der klassischen Universitätsabschlüsse wie Diplom oder Magister, die im Schnitt mehr als 37000 Euro auf dem Gehaltskonto erwarten können. Auch hier ist also der Wert des Uni-Bachelors auffällig gering – auch wenn man ziemlich sicher einen Job bekommt. Der Wert des Bachelors hängt von der Branche ab, wohl auch von der Persönlichkeit oder vom Profil des einzelnen Studiengangs. Doch wahre Begeisterung löst Bologna eher selten aus. In Befragungen von Personalchefs hört man oft auch gar nicht Klagen übers Fachliche – sondern darüber, dass die Akademiker Anfang 20 einfach noch zu unreif sind.
Der studentische Dachverband fzs will einen Rechtsanspruch für alle Bachelorabsolventen auf den Masterplatz: „Die Hochschulen haben aufgrund der schlechten Umsetzung der Bachelorstudiengänge versäumt, den Bachelor als vollwertigen Abschluss zu etablieren. Jetzt müssen sie den Studierenden den Weg in den Master ebnen.“ Laut dem Bologna-Bericht der Bundesregierung steht „für jeden interessierten Bachelorabsolventen heute ein Masterstudienplatz zur Verfügung“ – unterm Strich wohlgemerkt, gegebenenfalls ist die Uni zu wechseln. Zugangshürden zum Master – durch die Bachelor-Note oder spezielle Tests – sind daher keine Seltenheit. Hochschulen nehmen nicht jeden blind in den Master auf, weil sie wenig Kapazitäten und mit der Versorgung der Erstsemester schon genug zu tun haben. Andererseits wollen viele Rektoren ungern das Prinzip der Reform konterkarieren – der Bachelor als Regelabschluss, der Master als Spezialisierung oder nur für die Besten. Die Hochschulen stecken in der Bachelor-Falle.
Auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ist uneins. 2012 hatte HRK-Präsident Horst Hippler im SZ-Interview gesagt: Ein Bachelor in Ingenieurwesen sei „nie im Leben ein Ingenieur“. Eine Universität müsse „mehr leisten als Ausbildung, nämlich Bildung. Das tut sie mit dem Bachelor nicht“. Das Echo darauf war enorm, vor allem FH-Chefs pochten darauf, dass der Bachelor bei ihnen funktioniere; auch manche Uni-Rektoren sahen den Abschluss zu pauschal beurteilt. In der Folge werkelte eine HRK-Arbeitsgruppe an Verbesserungen – am Studienbetrieb, Anwesenheitspflichten oder Zeitfenster für Auslandsaufenthalte. Die Frage, wie man den Bachelor aufwertet, fehlte weitgehend.
In jüngster Zeit findet aber eine Idee zunehmend Sympathisanten, unter Bologna-Freunden wie Kritikern der Reform: die Ausdehnung der Bachelor-Studienzeit auf acht Semester. Der HRK-Vize und Hamburger Uni-Chef Dieter Lenzen, der jüngst mit einem Buch ein scharfes Bologna-Tribunal abhielt, sagt: Das Problem sei, „dass nach sechs Semestern eine Berufsfähigkeit im Sinne eines Hochschulabschlusses, wie er früher war, nicht gegeben ist“. Die Länder stellten jedoch das Geld für einen Acht-Semester-Bachelor nicht bereit – wenn eine Hochschule dies anbiete, müsse sie teils von vier Semestern Master zwei streichen.
Flexiblere Studienzeiten? Die nehmen sich freilich immer mehr Leute schon in Eigenregie. Dem Statistischen Bundesamt zufolge halten nur 40 Prozent aller Studenten die Regelstudienzeit ihres Fachs ein.