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Rückkehr des Lückenschleichers

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Metallkisten wurden vorbeischoben, Matthias Sammer zog einen schwarzen Lederkoffer, kleine Metallkoffer wurden vorbeigeschoben, die Spieler des SC Paderborn trugen auffällige moderne Mützen, weitere Metallkisten, weitere Metallkoffer, Xabi Alonso kam von der Dopingkontrolle, die letzten Kisten, die letzten Koffer, und Mario Götze war immer noch nicht da.

Das Nichtdasein hat Götze, 22, in seiner Karriere zu einer eigenen Kunst gemacht, mit seinen Bewegungen, mit seinen Körpertäuschungen. Dachte der Gegner zu wissen, was Götze gleich macht, war er längst an ihm vorbeigeschlichen, mit unnachahmlichen Bewegungen, die jede Bewegung des Gegenspielers verhöhnten. In den vergangenen Monaten hat Götze das Nichtdasein jedoch so verfeinert, dass manchmal nicht einmal mehr seine Mitspieler wussten, wo genau er sich gerade auf dem Platz aufhielt, er schlich und schlurfte dann über den Rasen, mit unnachahmlichen Bewegungen, die gerade so noch Bewegungen imitierten.



Der FC Bayern gewinnt gegen Paderborn

Am Dienstagabend war Götze also wieder einmal nicht da, es ging auf Mitternacht zu, doch er war entschuldigt: Dopingkontrolle. Lange nach dem letzten Metallkoffer kam er aus der Kabine, er machte erst einmal einen Witz. Götze spielte mit seinem Image als verzogener, arroganter Junge. „Nein, nein“, keine Zeit, sagte er den Journalisten. Um sich dann lachend doch Zeit zu nehmen. Götze war gut gelaunt, er sagte: „Heute hat man gesehen, dass wir wieder Spaß am Fußball hatten.“

Zuvor, beim 4:0 im Heimspiel des FCBayern gegen den SC Paderborn, hatte Götze unnachahmlich die Bewegungen eines jungen Mannes nachgeahmt, dessen Talent viele schätzen, nicht zuletzt Götze selbst. Am Dienstagabend spielte der immer noch junge Mario Götze wieder wie der sehr junge Mario Götze.

Der FC Bayern ist nach dem langen WM-Sommer, nach einem Sommer mit vielen Verletzungen, nach einem Sommer mit taktischen Umstellungen, schwerfällig in die Saison gestartet. Bei der Mannschaft, die in der vergangenen Saison zeitweise den schnellen Ballbesitzfußball zelebriert hatte, war das umso auffälliger. Dem Team fehlte die Energie, das Eingespielte, und, zumindest am Samstag eine Halbzeit lang beim 0:0 in Hamburg: die Einstellung.

Gegen Paderborn dagegen demonstrierte die Mannschaft wieder die Überlegenheit der Ballbesitz-Strategie von Trainer Pep Guardiola, vor allem in der ersten halben Stunde. Die Spieler verschoben sich geschickt, und das lag auch an den Bewegungen des Mario Götze.

Xabi Alonso strukturierte das Spiel als Chef kurz vor der Mittellinie, der Spanier war 80 Minuten lang das Metronom der Passfolgen, mit 153 Zuspielen und 167 Ballkontakten – wäre er nicht ausgewechselt worden, hätte er wohl den Liga-Rekord seines lange schon verletzten Teamkollegen Thiago (185 Ballkontakte in einem Spiel) gebrochen. Philipp Lahm positionierte sich ungewöhnlich weit vorne und ungewöhnlich weit rechts, mit vielen kurzen Pässen näherte er das Spiel an die Gefahrenzone an; das 2:0 durch Robert Lewandowski bereitete er mit so einem Kurzpass vor (13.). Mario Götze blieben somit die Tiefen der linken Seite und des Zentrums, und durch diese Tiefen schlich und sprintete er, ein Körperwackler, schon war er im Strafraum; von dort traf er zum 1:0 und zum 3:0 (8., 78.). Götze zeigte wieder die Bewegungen, die sture Passfolgen zu flinkem Kombinationsspiel veredeln.

Als Götze später bei der Dopingkontrolle feststeckte, sprachen erst einmal die anderen über ihn. Arjen Robben, der zahlreiche Torchancen mit seinen Dribblings und Flanken vorbereitet hatte (darunter das 4:0 durch Thomas Müller, 85.), sagte: „Mario ist ein ganz wichtiger Spieler für uns, das wird er in dieser Saison auch sicher zeigen.“ Sportvorstand Sammer lobte Götzes „gute Bewegungen“, er sagte: „Ich glaube, dass er Hirn und Gefühl hat, und dementsprechend tun zwei Tore immer gut.“

Da ging es natürlich wieder um Götzes Nichtdasein. Ob Götze nun endgültig beim FC Bayern angekommen sei? Sammer sagte: „Ich habe ihn jeden Tag bei uns gesehen, daher hatte ich das Gefühl, dass er schon immer bei uns da war.“

Götze selbst hat inzwischen akzeptiert, dass er mit seinen Bewegungen, seinen Nichtbewegungen, seinen Äußerungen, seinen Nichtäußerungen immer auffallen wird, er sagte zu den Diskussionen um seine Person: „Ich sehe das relativ entspannt. Ich kann nur sagen, dass ich mich hier wohl fühle, dass ich froh bin, hier zu sein.“ Er lobte die taktischen Umstellungen aus dem Sommer, die noch größere Flexibilität, von der er, der begnadete Lückenschleicher, besonders profitiere. Weil er weiß, dass er auch wieder kritisiert werden wird, sagte er noch: „Manchmal kommt ein guter Tag, manchmal kommen schlechte.“

Aber Mario Götze hat Hirn und Gefühle, er weiß, dass die guten Tage allein von seinen Bewegungen abhängen.

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