Als Barack Obama im Juni 2013 Deutschland besuchte, hielt er eine viel beachtete Rede. Vor dem Brandenburger Tor sprach der US-Präsident über Frieden, Gerechtigkeit – und im Anschluss auch über Deutschlands Rolle im amerikanischen Drohnenkrieg. Die Süddeutsche Zeitung und der NDR hatten zuvor über das in Stuttgart ansässige US-Oberkommando für Afrika (Africom) berichtet, das die Befehle für Luftangriffe in Afrika gibt. Auch von der Drohnen-Flugleitzentrale AOC in Ramstein war die Rede. Wenig später berichtete ein Air-Force-Soldat, dass die Daten sämtlicher Drohnenangriffe über Ramstein flössen. Recherchen für das jetzt in den USA erschienene Buch „Predator: The Secret Origins of the Drone Revolution“ belegen: Das ist längst nicht alles. In Deutschland saßen – zumindest zeitweise – auch die Drohnenpiloten selbst, so berichteten US-Offiziere, die an solchen Operationen teilnahmen. Interne Dokumente untermauern ihre Angaben.
Vor vierzehn Jahren, im Sommer 2000, begann demnach eine Mannschaft der US-Air-Force 32nd Expeditionary Air Intelligence Squadron von Rheinland-Pfalz aus, mit einer ferngesteuerten Drohne Jagd zu machen auf Osama bin Laden. Der damalige Al-Qaida-Chef war seit den Anschlägen auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia untergetaucht. Führende Beamte der CIA und des National Security Council entwickelten daraufhin allerlei Pläne , um bin Laden zu fangen oder zu töten.
Vom US-Stützpunkt Ramstein aus wurden Drohnen gesteuert
Zum ersten Mal wurde dabei auch über den Einsatz von bewaffneten Drohnen nachgedacht. Heutzutage schwirren sie über dem Hindukusch, dem Nahen Osten, selbst über der Ukraine. Hunderte Terrorverdächtige und Zivilisten wurden inzwischen durch ihre Raketen getötet. Alltag im weltweiten „Krieg den Terror“. Damals jedoch war der Einsatz der unbemannten Flugzeuge noch Neuland und das Militär war skeptisch über die Einsatzmöglichkeiten.
Befürworter verwiesen auf die Vorteile: Die Drohne vom Typ Predator – die das US-Militär heute noch einsetzt – kann länger als 24 Stunden in der Luft bleiben und aus mehreren Kilometern Höhe in Echtzeit Videos an die Kommandozentrale senden. Gesteuert werden solche Drohnen von einer sogenannten Ground control station (GCS), einer Bodenstation, die einem Überseecontainer ähnelt und vollgestopft ist mit Technik. In einer GCS sitzt der Pilot, der mit einem Joystick die Drohne fliegt. Neben ihm sitzt der „Sensor Operator“, eine Art Co-Pilot, der die Bordkameras bedient.
Amerikas Geheimdienste vermuteten Osama bin Laden im Jahr 2000 in Afghanistan. Angeblich hielt er sich in einem Al-Qaida-Camp – der sogenannten Tarnak-Farm – südlich von Kandahar auf. Für das neueste Kampfgerät des US-Militärs, die Predator-Drohne, galt damals allerdings die Regel, dass sie nicht mehr als 800 Kilometer entfernt von ihrem Ziel gestartet und gesteuert werden müsse. Ein Kreis um die Tarnak-Farm mit dem Radius von 800 Kilometern verläuft allerdings durch Iran, Pakistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Selbst wenn eines dieser Länder den USA die Erlaubnis gegeben hätte, ihr Territorium für eine Geheimmission gegen die al-Qaida zu nutzen, hätte es dort keinen Platz gegeben, um eine GCS, die nötigen Satelliten-Terminals und eine mobile Kommandozentrale aufzubauen, ohne für Aufsehen zu sorgen. Die Jagd auf bin Laden sollte jedoch geheim bleiben.
Und so kam nach Angaben aus amerikanischen Regierungs- und Militärkreisen Deutschland ins Spiel: Ein Wissenschaftler der „Big Safari“, einer Technologieabteilung der Air-Force, entwickelte eine Technologie, mit eine Drohne auch aus großer Entfernung gesteuert werden kann: Eine kleine Mannschaft startet sie von einem Flugfeld in der Nähe des Einsatzortes und übergibt dann per Satellitenverbindung die Steuerung an die Piloten im GCS. Ob die Bodenstation nur wenige oder Tausende Kilometer entfernt ist, spielt keine Rolle – solange eine direkte Satellitenverbindung besteht.
Mit Erlaubnis der usbekischen Regierung startete das US-Militär fortan seine Predators von einem abgelegenen Flugfeld nahe der usbekisch-afghanischen Grenze. Die Piloten hingegen saßen im US-Stützpunkt in Ramstein. Auf dem weitläufigen Gelände – der größte US-Militärflughafen außerhalb des amerikanischen Festlands – fiel die GCS, ein paar Satellitenschüsseln und die in einem grün-schwarzen Tarnzelt untergebrachte Kommandozentrale nicht weiter auf. Die damalige Bundesregierung erfuhr von dem Ganzen offenbar nichts. Das Pentagon wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern.
Bereits wenige Tage nach ihrem ersten Einsatz entdeckten die Drohnenpiloten aus Ramstein Osama bin Laden. Hochrangige Beamte in Washington waren begeistert, als sie den Terrorchef auf einem Video sahen. Richard Clarke, jahrzehntelang einer der höchsten Sicherheitsbeamten der USA, schrieb dazu später: „Diese Art der geheimdienstlichen Arbeit war etwas, dass wir nur aus Hollywood-Filmen kannten.“ Auf die Euphorie folgte jedoch die Ernüchterung, denn der damalige US-Präsident Bill Clinton war gegen einen Einsatz von – in der Regel von Schiffen aus abgefeuerten –Cruise Missiles. Und die Predators, die über bin Laden kreisten, waren nicht mit Raketen ausgerüstet. Noch nicht.
Die amerikanische Luftwaffe arbeitete aber bereits daran, Drohnen mit Hellfire-Raketen zu bestücken. Als Clintons Anti-Terror-Berater Richard Clarke davon erfuhr, verfasste er ein geheimes Memo mit dem Vorschlag, die mit Waffen ausgerüsteten Predator-Drohnen sofort einzusetzen, wenn sie einsatzbereit seien. Trotz juristischer Bedenken des US-Außenministerium arbeitete das US-Militär mit Hochdruck an den Projekt. Auf Testgeländen in Nevada und Kalifornien testete die Luftwaffe zusammen mit dem Hersteller General Atomics erstmals Drohnen, unter deren Flügeln Raketen angebracht waren.
Doch dann brachten Juristen des Verteidigungsministeriums einen gravierenden Einwand vor: Sollte der Pilot eines Predator in einem GCS in Ramstein abdrücken, um eine Hellfire abzuschießen, ohne vorher die Zustimmung der deutschen Regierung eingeholt zu haben, würden die Vereinigten Staaten gegen das Truppenstationierungsabkommen verstoßen. Die Befürworter des Projekts befürchteten jedoch offenbar, dass die Regierung in Berlin die Vorgänge in Ramstein nicht geheim halten würde, wenn sie von ihnen Kenntnis hätte. Also wurde die rot-grüne Regierung erst gar nicht gefragt, berichteten amerikanische Beamte, die an der damaligen Entscheidung beteiligt waren.
Statt die Bundesregierung um Erlaubnis zu fragen, wollten sie die Drohnenpiloten lieber in ein anderes Land verlegen. Aber wohin? Zwischen Afghanistan und den Vereinigten Staaten gab es schließlich keine direkte Satellitenverbindung. Für die Übertragung der Daten wären mehrere Satelliten nötig gewesen, was die Verbindung stark verlangsamt hätte. Die Versuche, einen Ersatz für den Standort Ramstein zu finden, blieben jedoch aus verschiedenen technischen und politischen Gründen erfolglos. Die Architekten des US-Drohnenprogramms waren kurz davor, das Programm zu stoppen, bevor es überhaupt so richtig begonnen hatte. Doch dann hatte derselbe Wissenschaftler, der schon die Technologie für die Drohnensteuerung via Ramstein entwickelt hatte, eine Idee: Theoretisch, erklärte er, könne die Bodenstation GCS in den Vereinigten Staaten stehen, wenn die Verbindung zur Drohne nicht über mehrere Satelliten, sondern zumindest zwischen Europa und den USA nach Europa über Glasfaserkabel hergestellt werde.
Es war die Geburtsstunde jenes ausgeklügelten Systems zur Drohnensteuerung, das auch heute noch im Einsatz ist: Das Signal der Drohnen über dem Hindukusch, Afrika oder dem Nahen Osten wird per Satellit nach Ramstein gesendet und von dort über ein Glasfaserkabel, das unter dem Atlantik verläuft, in die Vereinigten Staaten gesendet – wo dann die Piloten sitzen. Die Daten für sämtliche Drohneneinsätze fließen zwar über Deutschland, abgedrückt aber wird woanders. Für das US-Militär war das Problem damit gelöst.
Und für die Bundesregierung? Sie teilte auf Anfrage lediglich mit, Washington habe gegenüber Berlin bestätigt, dass von amerikanischen Stützpunkten in Deutschland bewaffnete Drohnen „weder geflogen noch befehligt werden“. Die Antwort bezog sich auf die Gegenwart. Zur Vergangenheit hingegen sagte die Bundesregierung kein Wort.
Vor vierzehn Jahren, im Sommer 2000, begann demnach eine Mannschaft der US-Air-Force 32nd Expeditionary Air Intelligence Squadron von Rheinland-Pfalz aus, mit einer ferngesteuerten Drohne Jagd zu machen auf Osama bin Laden. Der damalige Al-Qaida-Chef war seit den Anschlägen auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia untergetaucht. Führende Beamte der CIA und des National Security Council entwickelten daraufhin allerlei Pläne , um bin Laden zu fangen oder zu töten.
Vom US-Stützpunkt Ramstein aus wurden Drohnen gesteuert
Zum ersten Mal wurde dabei auch über den Einsatz von bewaffneten Drohnen nachgedacht. Heutzutage schwirren sie über dem Hindukusch, dem Nahen Osten, selbst über der Ukraine. Hunderte Terrorverdächtige und Zivilisten wurden inzwischen durch ihre Raketen getötet. Alltag im weltweiten „Krieg den Terror“. Damals jedoch war der Einsatz der unbemannten Flugzeuge noch Neuland und das Militär war skeptisch über die Einsatzmöglichkeiten.
Befürworter verwiesen auf die Vorteile: Die Drohne vom Typ Predator – die das US-Militär heute noch einsetzt – kann länger als 24 Stunden in der Luft bleiben und aus mehreren Kilometern Höhe in Echtzeit Videos an die Kommandozentrale senden. Gesteuert werden solche Drohnen von einer sogenannten Ground control station (GCS), einer Bodenstation, die einem Überseecontainer ähnelt und vollgestopft ist mit Technik. In einer GCS sitzt der Pilot, der mit einem Joystick die Drohne fliegt. Neben ihm sitzt der „Sensor Operator“, eine Art Co-Pilot, der die Bordkameras bedient.
Amerikas Geheimdienste vermuteten Osama bin Laden im Jahr 2000 in Afghanistan. Angeblich hielt er sich in einem Al-Qaida-Camp – der sogenannten Tarnak-Farm – südlich von Kandahar auf. Für das neueste Kampfgerät des US-Militärs, die Predator-Drohne, galt damals allerdings die Regel, dass sie nicht mehr als 800 Kilometer entfernt von ihrem Ziel gestartet und gesteuert werden müsse. Ein Kreis um die Tarnak-Farm mit dem Radius von 800 Kilometern verläuft allerdings durch Iran, Pakistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Selbst wenn eines dieser Länder den USA die Erlaubnis gegeben hätte, ihr Territorium für eine Geheimmission gegen die al-Qaida zu nutzen, hätte es dort keinen Platz gegeben, um eine GCS, die nötigen Satelliten-Terminals und eine mobile Kommandozentrale aufzubauen, ohne für Aufsehen zu sorgen. Die Jagd auf bin Laden sollte jedoch geheim bleiben.
Und so kam nach Angaben aus amerikanischen Regierungs- und Militärkreisen Deutschland ins Spiel: Ein Wissenschaftler der „Big Safari“, einer Technologieabteilung der Air-Force, entwickelte eine Technologie, mit eine Drohne auch aus großer Entfernung gesteuert werden kann: Eine kleine Mannschaft startet sie von einem Flugfeld in der Nähe des Einsatzortes und übergibt dann per Satellitenverbindung die Steuerung an die Piloten im GCS. Ob die Bodenstation nur wenige oder Tausende Kilometer entfernt ist, spielt keine Rolle – solange eine direkte Satellitenverbindung besteht.
Mit Erlaubnis der usbekischen Regierung startete das US-Militär fortan seine Predators von einem abgelegenen Flugfeld nahe der usbekisch-afghanischen Grenze. Die Piloten hingegen saßen im US-Stützpunkt in Ramstein. Auf dem weitläufigen Gelände – der größte US-Militärflughafen außerhalb des amerikanischen Festlands – fiel die GCS, ein paar Satellitenschüsseln und die in einem grün-schwarzen Tarnzelt untergebrachte Kommandozentrale nicht weiter auf. Die damalige Bundesregierung erfuhr von dem Ganzen offenbar nichts. Das Pentagon wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern.
Bereits wenige Tage nach ihrem ersten Einsatz entdeckten die Drohnenpiloten aus Ramstein Osama bin Laden. Hochrangige Beamte in Washington waren begeistert, als sie den Terrorchef auf einem Video sahen. Richard Clarke, jahrzehntelang einer der höchsten Sicherheitsbeamten der USA, schrieb dazu später: „Diese Art der geheimdienstlichen Arbeit war etwas, dass wir nur aus Hollywood-Filmen kannten.“ Auf die Euphorie folgte jedoch die Ernüchterung, denn der damalige US-Präsident Bill Clinton war gegen einen Einsatz von – in der Regel von Schiffen aus abgefeuerten –Cruise Missiles. Und die Predators, die über bin Laden kreisten, waren nicht mit Raketen ausgerüstet. Noch nicht.
Die amerikanische Luftwaffe arbeitete aber bereits daran, Drohnen mit Hellfire-Raketen zu bestücken. Als Clintons Anti-Terror-Berater Richard Clarke davon erfuhr, verfasste er ein geheimes Memo mit dem Vorschlag, die mit Waffen ausgerüsteten Predator-Drohnen sofort einzusetzen, wenn sie einsatzbereit seien. Trotz juristischer Bedenken des US-Außenministerium arbeitete das US-Militär mit Hochdruck an den Projekt. Auf Testgeländen in Nevada und Kalifornien testete die Luftwaffe zusammen mit dem Hersteller General Atomics erstmals Drohnen, unter deren Flügeln Raketen angebracht waren.
Doch dann brachten Juristen des Verteidigungsministeriums einen gravierenden Einwand vor: Sollte der Pilot eines Predator in einem GCS in Ramstein abdrücken, um eine Hellfire abzuschießen, ohne vorher die Zustimmung der deutschen Regierung eingeholt zu haben, würden die Vereinigten Staaten gegen das Truppenstationierungsabkommen verstoßen. Die Befürworter des Projekts befürchteten jedoch offenbar, dass die Regierung in Berlin die Vorgänge in Ramstein nicht geheim halten würde, wenn sie von ihnen Kenntnis hätte. Also wurde die rot-grüne Regierung erst gar nicht gefragt, berichteten amerikanische Beamte, die an der damaligen Entscheidung beteiligt waren.
Statt die Bundesregierung um Erlaubnis zu fragen, wollten sie die Drohnenpiloten lieber in ein anderes Land verlegen. Aber wohin? Zwischen Afghanistan und den Vereinigten Staaten gab es schließlich keine direkte Satellitenverbindung. Für die Übertragung der Daten wären mehrere Satelliten nötig gewesen, was die Verbindung stark verlangsamt hätte. Die Versuche, einen Ersatz für den Standort Ramstein zu finden, blieben jedoch aus verschiedenen technischen und politischen Gründen erfolglos. Die Architekten des US-Drohnenprogramms waren kurz davor, das Programm zu stoppen, bevor es überhaupt so richtig begonnen hatte. Doch dann hatte derselbe Wissenschaftler, der schon die Technologie für die Drohnensteuerung via Ramstein entwickelt hatte, eine Idee: Theoretisch, erklärte er, könne die Bodenstation GCS in den Vereinigten Staaten stehen, wenn die Verbindung zur Drohne nicht über mehrere Satelliten, sondern zumindest zwischen Europa und den USA nach Europa über Glasfaserkabel hergestellt werde.
Es war die Geburtsstunde jenes ausgeklügelten Systems zur Drohnensteuerung, das auch heute noch im Einsatz ist: Das Signal der Drohnen über dem Hindukusch, Afrika oder dem Nahen Osten wird per Satellit nach Ramstein gesendet und von dort über ein Glasfaserkabel, das unter dem Atlantik verläuft, in die Vereinigten Staaten gesendet – wo dann die Piloten sitzen. Die Daten für sämtliche Drohneneinsätze fließen zwar über Deutschland, abgedrückt aber wird woanders. Für das US-Militär war das Problem damit gelöst.
Und für die Bundesregierung? Sie teilte auf Anfrage lediglich mit, Washington habe gegenüber Berlin bestätigt, dass von amerikanischen Stützpunkten in Deutschland bewaffnete Drohnen „weder geflogen noch befehligt werden“. Die Antwort bezog sich auf die Gegenwart. Zur Vergangenheit hingegen sagte die Bundesregierung kein Wort.