Am Platz der Revolution von Havanna entsteht seit bald 49 Jahren jeden Tag eine dünne Zeitung mit dem Namen Granma, Großmama. So hieß die Motoryacht, mit der Castros Rebellen einst aus dem Exil in Mexiko übersetzten, um bis 1959 Kuba zu erobern. Und so nennt die Kommunistische Partei auch ihr Zentralorgan, die wichtigste Publikation der Insel. Am Montag zum Beispiel berichtet die Seite eins unter der Zeitrechnung „Jahr 56 der Revolution“ vom Bauernkongress, dem Start der nationalen Baseball-Liga und einer kubanischen Alphabetisierung im Norden Argentiniens. Das Auslandsressort widmet sich Verbrechen des Exilkubaners Luis Posada Carriles und vor Malta gekenterten Immigranten aus Afrika: „Sie haben uns wie Hunde behandelt.“
Yoani Sánchez betreibt jetzt eine Online-Zeitung.
Nur wenige Ecken weiter mit Blick Richtung dieser Plaza entsteht seit vier Monaten eine elektronische und regierungsferne Alternative namens 14ymedio, vierzehneinhalb. Der Titel hat damit zu tun, dass die Gründer im 14. Stock eines Hochhauses wohnen und auch arbeiten, und dass die erste Ausgabe dieses Experiments an einem 14. Mai 2014 erscheinen sollte. Das Debüt verschob sich aus technischen Gründen dann aber um eine Woche, und nachher wurde der Zugang vorübergehend von den Meinungsführern blockiert. Aber da ist diese KP-unabhängige Internetgazette nun seit vier Monaten, angeführt von der berühmtesten Bloggerin des Landes: Yoani Sánchez, unterstützt von ihrem Mann Reinaldo Escobar und zehn Kollegen.
Seit Jahren verfasst die 1975 geborene Philologin in ihrem Apartment den vor allem in der Fremde gefeierten Blog Generación Y. Die Miniaturen über Engpässe und Kuriositäten ihrer Heimat erschienen vielsprachig in der Weltpresse und als Bücher, mit Hilfe eines Aufgebots an Helfern. Die gefeierte und umstrittene Autorin gewann damit eine Menge Preise und ist bekannter als sämtliche Vertreter der versprengten Opposition zusammen. Sie darf ihre Trophäen sogar abholen, seit Raúl Castro von seinem Bruder Fidel das Kommando übernahm, und die Reisebeschränkungen im Rahmen der Reformen gelockert wurden. Jetzt bekam sie ein Stipendium der Georgetown University in Washington und ist dort „Yahoo! Fellow“, um die „Qualität meiner Arbeit zu verbessern und den unabhängigen Journalismus auf Kuba zu stärken“. Derweil befasst sich 14ymedio auf seine Weise mit Kubas Gegenwart im Jahr 56 der Revolution.
Man liest zu Wochenbeginn zum Beispiel von kubanischen Experten für biologische Kriegsführung, die für Venezuelas Präsident Nicolás Maduro Bakterien in einer Klinik von Caracas erforschen sollen. Ein weiterer Beitrag zu dem ölreichen Verbündeten zerpflückt „das Desaster“ Maduros. Ein Maler will von den Behörden wissen, wieso seine Ausstellung in Pinar del Río im Westen Kubas gecancelt wurde: „Niemand hat mir etwas erklärt. Niemand hat mir etwas gesagt.“
Ein Meinungsstück erörtert den Streit um die Teilnahme der Republik beim Gipfel Amerikanischer Staaten 2015 in Panamá. Chefredakteurin Yoani Sánchez verbindet in einer Betrachtung den spanischen Dichter Lope de Vega mit illegaler Technik und fragt sich in einem anderen Text, ob man besser lebe, seit in vielen Geschäften der einheimische Peso und der Devisen-Peso gleichzeitig als Zahlungsmittel zugelassen sind. „Die Antwort ist nein. Ein Nein, das das Wasserzeichen der Wirklichkeit trägt und die Tinte der Dringlichkeit.“
Früher hatte die Chronistin deutsche Sprachschüler unterrichtet. „Wieso ist die Stadt so kaputt? Was wird passieren, wenn Fidel Castro stirbt? Das waren Fragen, die sich wiederholten und mich zwangen nachzudenken“, erläuterte sie Spaniens Zeitung El País, die Sánchez als Mitarbeiterin führt. „Wir leben in einem Land, das Information braucht, in einem Land, in dem wir desinformiert waren.“
14ymedio ist aber keine Abrechnung, sondern ein schlichtes bis verwirrendes Potpourri mit allerlei Ressorts. Man könne Journalismus auf Kuba auch ohne Barrikaden bestreiten, findet die Redaktionsleiterin und Kolumnistin. Die Netzverbindung ist wie gehabt langsam und teuer, was auch am US-Embargo liegt und daran, dass das Glasfaserkabel aus Venezuela nicht recht ankommt.
Castros Führung ließ die Herausforderer zuletzt in Ruhe und schweigt die Online-Zeitung tot, wobei das KP-Blatt Granma das Projekt als US-Beitrag zur „Desinformation und Diffamation Kubas“ beschimpfte. „Granma hat mir eine Attacke gewidmet“, schrieb Yoani Sánchez auf Twitter. „Den Ausschnitt hebe ich für meine Enkel auf.“
Yoani Sánchez betreibt jetzt eine Online-Zeitung.
Nur wenige Ecken weiter mit Blick Richtung dieser Plaza entsteht seit vier Monaten eine elektronische und regierungsferne Alternative namens 14ymedio, vierzehneinhalb. Der Titel hat damit zu tun, dass die Gründer im 14. Stock eines Hochhauses wohnen und auch arbeiten, und dass die erste Ausgabe dieses Experiments an einem 14. Mai 2014 erscheinen sollte. Das Debüt verschob sich aus technischen Gründen dann aber um eine Woche, und nachher wurde der Zugang vorübergehend von den Meinungsführern blockiert. Aber da ist diese KP-unabhängige Internetgazette nun seit vier Monaten, angeführt von der berühmtesten Bloggerin des Landes: Yoani Sánchez, unterstützt von ihrem Mann Reinaldo Escobar und zehn Kollegen.
Seit Jahren verfasst die 1975 geborene Philologin in ihrem Apartment den vor allem in der Fremde gefeierten Blog Generación Y. Die Miniaturen über Engpässe und Kuriositäten ihrer Heimat erschienen vielsprachig in der Weltpresse und als Bücher, mit Hilfe eines Aufgebots an Helfern. Die gefeierte und umstrittene Autorin gewann damit eine Menge Preise und ist bekannter als sämtliche Vertreter der versprengten Opposition zusammen. Sie darf ihre Trophäen sogar abholen, seit Raúl Castro von seinem Bruder Fidel das Kommando übernahm, und die Reisebeschränkungen im Rahmen der Reformen gelockert wurden. Jetzt bekam sie ein Stipendium der Georgetown University in Washington und ist dort „Yahoo! Fellow“, um die „Qualität meiner Arbeit zu verbessern und den unabhängigen Journalismus auf Kuba zu stärken“. Derweil befasst sich 14ymedio auf seine Weise mit Kubas Gegenwart im Jahr 56 der Revolution.
Man liest zu Wochenbeginn zum Beispiel von kubanischen Experten für biologische Kriegsführung, die für Venezuelas Präsident Nicolás Maduro Bakterien in einer Klinik von Caracas erforschen sollen. Ein weiterer Beitrag zu dem ölreichen Verbündeten zerpflückt „das Desaster“ Maduros. Ein Maler will von den Behörden wissen, wieso seine Ausstellung in Pinar del Río im Westen Kubas gecancelt wurde: „Niemand hat mir etwas erklärt. Niemand hat mir etwas gesagt.“
Ein Meinungsstück erörtert den Streit um die Teilnahme der Republik beim Gipfel Amerikanischer Staaten 2015 in Panamá. Chefredakteurin Yoani Sánchez verbindet in einer Betrachtung den spanischen Dichter Lope de Vega mit illegaler Technik und fragt sich in einem anderen Text, ob man besser lebe, seit in vielen Geschäften der einheimische Peso und der Devisen-Peso gleichzeitig als Zahlungsmittel zugelassen sind. „Die Antwort ist nein. Ein Nein, das das Wasserzeichen der Wirklichkeit trägt und die Tinte der Dringlichkeit.“
Früher hatte die Chronistin deutsche Sprachschüler unterrichtet. „Wieso ist die Stadt so kaputt? Was wird passieren, wenn Fidel Castro stirbt? Das waren Fragen, die sich wiederholten und mich zwangen nachzudenken“, erläuterte sie Spaniens Zeitung El País, die Sánchez als Mitarbeiterin führt. „Wir leben in einem Land, das Information braucht, in einem Land, in dem wir desinformiert waren.“
14ymedio ist aber keine Abrechnung, sondern ein schlichtes bis verwirrendes Potpourri mit allerlei Ressorts. Man könne Journalismus auf Kuba auch ohne Barrikaden bestreiten, findet die Redaktionsleiterin und Kolumnistin. Die Netzverbindung ist wie gehabt langsam und teuer, was auch am US-Embargo liegt und daran, dass das Glasfaserkabel aus Venezuela nicht recht ankommt.
Castros Führung ließ die Herausforderer zuletzt in Ruhe und schweigt die Online-Zeitung tot, wobei das KP-Blatt Granma das Projekt als US-Beitrag zur „Desinformation und Diffamation Kubas“ beschimpfte. „Granma hat mir eine Attacke gewidmet“, schrieb Yoani Sánchez auf Twitter. „Den Ausschnitt hebe ich für meine Enkel auf.“