Still zieht der Demonstrationszug durch Berlin. Keine Lautsprecher, keine Sambagruppen, stattdessen einige Hundert Demonstranten mit Kopfhörern, still vor sich hin tanzend, Richtung Brandenburger Tor. Eine Demo, so leise und unaufhaltsam wie der Klimawandel.
Teilnehmer der Klima-Demonstration "Mal schnell die Welt retten" in Berlin.
Der Zug in Berlin ist Teil der größten globalen Klimademo in der Geschichte, mit 2500 Demonstrationen weltweit, in Melbourne, Bogotá, Johannesburg, Delhi. In New York marschiert auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mit – als wolle er seinem eigenen Gipfel noch einmal Nachdruck verleihen. Am Dienstag nämlich empfängt Ban mehr als 120 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zum Klima-Sondergipfel, es wird die größte Zusammenkunft von Staatenlenkern seit dem gescheiterten Gipfel von Kopenhagen 2009. Jeder Staat müsse „eine klare Vision“ vorlegen, wie sein Beitrag zum großen Ziel aussehen soll, sagt Ban, der Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius. „Je mehr Zeit wir verlieren, desto mehr werden wir zahlen, an Leben und Geld.“
Derlei Appelle hat der UN-Generalsekretär schon oft abgegeben, auch bei seinem bislang letzten Sondergipfel dieser Art. Damals, fast auf den Tag vor sieben Jahren, waren 70 Staatschefs nach New York gekommen. Seinerzeit machte Ban anschließend eine „neue Ära im Klimaschutz“ aus, die aber leider in Kopenhagen schon wieder zu Ende war. Diesmal allerdings liegen die Dinge ein klein wenig anders. „Weltweit haben sich die Dinge geändert“, sagt Jennifer Morgan, Klimaexpertin beim Washingtoner World Resources Institute. „Es gibt eine Reihe von neuen Regierungen, die mit dem Klimaschutz anders umgehen als ihre Vorgänger.“ Chinas Xi Jinping etwa, der auffällig oft über Klimaschutz redet. Indiens Narendra Modi, bekennender Fan erneuerbarer Energien. Oder auch Barack Obama, der in seiner zweiten Amtszeit doch noch den Kampf gegen die Erderwärmung aufnimmt. „Dadurch entsteht eine völlig neue Dynamik“, sagt Morgan.
Die ist auch nötig. Nur mühsam hatten sich die Staaten nach dem Gipfel von Kopenhagen aus der Schockstarre gelöst. 2011 vereinbarten sie im südafrikanischen Durban, einen neuen Anlauf auf verbindliche Ziele zu nehmen, auszuhandeln bis 2015. Vermutlich wäre es der letzte.
Diesmal soll es anders laufen als in Kopenhagen. Nicht noch einmal sollen alle wichtigen Fragen erst am Schluss auf den Tisch kommen, in einer Komplexität, die Staatspräsidenten und Premiers nicht mehr übersehen. Wenn sie nun in New York zusammenkommen, dann auch, um die Positionen schon einmal abzustecken. An den Kernfragen hat sich dabei nichts geändert: Welche Staaten müssen wie viel Kohlendioxid ausstoßen? Auf welche Hilfe können Entwicklungsländer vertrauen? Wie lässt sich der Tropenwald schützen – und wer kommt für die Schäden auf, die der Klimawandel anrichtet?
Das Treffen in New York wird noch keine Antworten geben, auch wenn es anders geplant war. Ursprünglich sollten die Staaten schon harte Zahlen vorlegen – insbesondere was die Minderung von Emissionen angeht. Doch eine Verpflichtung dazu gibt es nicht. Bei der jüngsten großen Klimakonferenz in Warschau setzten die Staaten dafür eine Frist bis März 2015. Ohnehin sind viele Länder noch nicht so weit. Die EU zum Beispiel will erst im Oktober ihre Klimaziele für die Zeit nach 2020 feststecken, aller Voraussicht nach in einem unschönen Ringen zwischen den Kohlestaaten Osteuropas und den Klimaschützern im Westen. In den USA will Barack Obama die Kongresswahlen im November hinter sich bringen, ehe er konkreter wird. Wenn aber zwei so große Emittenten schweigen, lassen die anderen auch nichts raus.
Also doch nur wieder Klima-Mikado? Beobachter erwarten mehr. „Für uns ist wichtig, jetzt Zusagen für Sofortmaßnahmen zu bekommen und ein Gesamtbild, wer was zu tun bereit ist“, sagt Martin Kaiser, der für Greenpeace die internationalen Verhandlungen verfolgt. Auch könne am Ende eine Reihe wichtiger Bekenntnisse großer Staaten stehen, zum Beispiel für die Unterstützung von Entwicklungsländern, zur Komplettversorgung mit erneuerbaren Energien und zum Ausstieg aus der Kohlefinanzierung. „Das könnte ein schönes Paket geben“, sagt Kaiser.
Auch der deutsche Beitrag geht in diese Richtung. Zwar kommt die Kanzlerin nicht selbst, sie spricht am Dienstag lieber zum Bundesverband der Deutschen Industrie. Statt ihrer rückt Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) an, unter anderem mit der Zusage, durch die Förderbank KfW keine Kohlekraftwerke in Entwicklungsländern mehr zu finanzieren zu lassen – sicher keine schlechte Idee für ein Land, das selbst auf erneuerbare Energien setzt.
Vor allem aber soll das Treffen in New York abstrahlen auf die beiden nächsten Klimakonferenzen – im nächsten Winter in Lima, im übernächsten in Paris. Dort soll das Torso des Kyoto-Protokolls durch ein Abkommen ersetzt werden, in dem sich wirklich alle Staaten zum Klimaschutz verpflichten, spätestens von 2020 an. Nicht umsonst investiert Frankreich gerade viel in das „Paris-Protokoll“, anders als Merkel reist François Hollande nach New York. Denn auch dies hat Kopenhagen gelehrt: Wenn eine entscheidende Konferenz scheitert, fällt das immer auch auf die Regierung des Gastgeberlandes zurück.
Man kann Ban Ki Moon nicht vorwerfen, dass er seinen Teil zum Erfolg nicht beitrüge. Passend zum Gipfel hat er fiktive Wetterberichte in Auftrag gegeben bei seiner meteorologischen Organisation WMO, Berichte aus einer bedrohlichen Zukunft. Auch für Deutschland gibt es einen: Wetter-Mann Sven Plöger trägt ihn vor – in der „Tagesschau“ vom 7. August 2050. Ein Zuschauer aus Ingolstadt hat eine „Superzelle“ fotografiert, ein Ungeheuer von einem Unwetter, danach werden Bilder vom Hochwasser eingeblendet. Die Aussichten sind übel: tropische Nächte, Temperaturen tagsüber bis 42 Grad, Unwetter. Und Hagelkörner, sieben bis neun Zentimeter groß. Am Ende sagt Plöger: „Trotzdem wünsche ich Ihnen mit diesem Ausblick noch einen angenehmen Abend.“
Teilnehmer der Klima-Demonstration "Mal schnell die Welt retten" in Berlin.
Der Zug in Berlin ist Teil der größten globalen Klimademo in der Geschichte, mit 2500 Demonstrationen weltweit, in Melbourne, Bogotá, Johannesburg, Delhi. In New York marschiert auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mit – als wolle er seinem eigenen Gipfel noch einmal Nachdruck verleihen. Am Dienstag nämlich empfängt Ban mehr als 120 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zum Klima-Sondergipfel, es wird die größte Zusammenkunft von Staatenlenkern seit dem gescheiterten Gipfel von Kopenhagen 2009. Jeder Staat müsse „eine klare Vision“ vorlegen, wie sein Beitrag zum großen Ziel aussehen soll, sagt Ban, der Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius. „Je mehr Zeit wir verlieren, desto mehr werden wir zahlen, an Leben und Geld.“
Derlei Appelle hat der UN-Generalsekretär schon oft abgegeben, auch bei seinem bislang letzten Sondergipfel dieser Art. Damals, fast auf den Tag vor sieben Jahren, waren 70 Staatschefs nach New York gekommen. Seinerzeit machte Ban anschließend eine „neue Ära im Klimaschutz“ aus, die aber leider in Kopenhagen schon wieder zu Ende war. Diesmal allerdings liegen die Dinge ein klein wenig anders. „Weltweit haben sich die Dinge geändert“, sagt Jennifer Morgan, Klimaexpertin beim Washingtoner World Resources Institute. „Es gibt eine Reihe von neuen Regierungen, die mit dem Klimaschutz anders umgehen als ihre Vorgänger.“ Chinas Xi Jinping etwa, der auffällig oft über Klimaschutz redet. Indiens Narendra Modi, bekennender Fan erneuerbarer Energien. Oder auch Barack Obama, der in seiner zweiten Amtszeit doch noch den Kampf gegen die Erderwärmung aufnimmt. „Dadurch entsteht eine völlig neue Dynamik“, sagt Morgan.
Die ist auch nötig. Nur mühsam hatten sich die Staaten nach dem Gipfel von Kopenhagen aus der Schockstarre gelöst. 2011 vereinbarten sie im südafrikanischen Durban, einen neuen Anlauf auf verbindliche Ziele zu nehmen, auszuhandeln bis 2015. Vermutlich wäre es der letzte.
Diesmal soll es anders laufen als in Kopenhagen. Nicht noch einmal sollen alle wichtigen Fragen erst am Schluss auf den Tisch kommen, in einer Komplexität, die Staatspräsidenten und Premiers nicht mehr übersehen. Wenn sie nun in New York zusammenkommen, dann auch, um die Positionen schon einmal abzustecken. An den Kernfragen hat sich dabei nichts geändert: Welche Staaten müssen wie viel Kohlendioxid ausstoßen? Auf welche Hilfe können Entwicklungsländer vertrauen? Wie lässt sich der Tropenwald schützen – und wer kommt für die Schäden auf, die der Klimawandel anrichtet?
Das Treffen in New York wird noch keine Antworten geben, auch wenn es anders geplant war. Ursprünglich sollten die Staaten schon harte Zahlen vorlegen – insbesondere was die Minderung von Emissionen angeht. Doch eine Verpflichtung dazu gibt es nicht. Bei der jüngsten großen Klimakonferenz in Warschau setzten die Staaten dafür eine Frist bis März 2015. Ohnehin sind viele Länder noch nicht so weit. Die EU zum Beispiel will erst im Oktober ihre Klimaziele für die Zeit nach 2020 feststecken, aller Voraussicht nach in einem unschönen Ringen zwischen den Kohlestaaten Osteuropas und den Klimaschützern im Westen. In den USA will Barack Obama die Kongresswahlen im November hinter sich bringen, ehe er konkreter wird. Wenn aber zwei so große Emittenten schweigen, lassen die anderen auch nichts raus.
Also doch nur wieder Klima-Mikado? Beobachter erwarten mehr. „Für uns ist wichtig, jetzt Zusagen für Sofortmaßnahmen zu bekommen und ein Gesamtbild, wer was zu tun bereit ist“, sagt Martin Kaiser, der für Greenpeace die internationalen Verhandlungen verfolgt. Auch könne am Ende eine Reihe wichtiger Bekenntnisse großer Staaten stehen, zum Beispiel für die Unterstützung von Entwicklungsländern, zur Komplettversorgung mit erneuerbaren Energien und zum Ausstieg aus der Kohlefinanzierung. „Das könnte ein schönes Paket geben“, sagt Kaiser.
Auch der deutsche Beitrag geht in diese Richtung. Zwar kommt die Kanzlerin nicht selbst, sie spricht am Dienstag lieber zum Bundesverband der Deutschen Industrie. Statt ihrer rückt Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) an, unter anderem mit der Zusage, durch die Förderbank KfW keine Kohlekraftwerke in Entwicklungsländern mehr zu finanzieren zu lassen – sicher keine schlechte Idee für ein Land, das selbst auf erneuerbare Energien setzt.
Vor allem aber soll das Treffen in New York abstrahlen auf die beiden nächsten Klimakonferenzen – im nächsten Winter in Lima, im übernächsten in Paris. Dort soll das Torso des Kyoto-Protokolls durch ein Abkommen ersetzt werden, in dem sich wirklich alle Staaten zum Klimaschutz verpflichten, spätestens von 2020 an. Nicht umsonst investiert Frankreich gerade viel in das „Paris-Protokoll“, anders als Merkel reist François Hollande nach New York. Denn auch dies hat Kopenhagen gelehrt: Wenn eine entscheidende Konferenz scheitert, fällt das immer auch auf die Regierung des Gastgeberlandes zurück.
Man kann Ban Ki Moon nicht vorwerfen, dass er seinen Teil zum Erfolg nicht beitrüge. Passend zum Gipfel hat er fiktive Wetterberichte in Auftrag gegeben bei seiner meteorologischen Organisation WMO, Berichte aus einer bedrohlichen Zukunft. Auch für Deutschland gibt es einen: Wetter-Mann Sven Plöger trägt ihn vor – in der „Tagesschau“ vom 7. August 2050. Ein Zuschauer aus Ingolstadt hat eine „Superzelle“ fotografiert, ein Ungeheuer von einem Unwetter, danach werden Bilder vom Hochwasser eingeblendet. Die Aussichten sind übel: tropische Nächte, Temperaturen tagsüber bis 42 Grad, Unwetter. Und Hagelkörner, sieben bis neun Zentimeter groß. Am Ende sagt Plöger: „Trotzdem wünsche ich Ihnen mit diesem Ausblick noch einen angenehmen Abend.“