Keine Heizdecken? Wo bleiben die Heizdecken? Charlotte Roches „Schoßgebete“-Roman beginnt mit dem Heizdecken-Motiv, an dem sich sogleich die beiden Bilderreihen der aus Sex & Katastrophe gemixten Geschichte entzünden: „Wie immer vor dem Sex haben wir beide Heizdecken im Bett eine halbe Stunde vorher angemacht...Ich habe wahnsinnige Angst, dass so ein Ding anfängt zu glühen und ich nach dem Einschlafen bei lebendigem Leibe verbrenne.“ Die „Schoßgebete“-Adaption von Sönke Wortmann (Regie) und Oliver Berben (Buch) bringt die Heizdecken erst ganz zum Schluss ins Spiel, wo sie als beiläufiges Accessoire erscheinen – beiläufig und belanglos wie so vieles in diesem mühsamen Geflecht aus Trauma und Therapie.
Ein fataler Cocktail der Geschmacklosigkeit: "Schoßgebete".
Der Film beginnt mit einer Traumsequenz, in der die 33-jährige Elizabeth (Lavinia Wilson) im Kampfanzug die Räume einer Tageszeitung stürmt, mit Bomben bewaffnet – sie ist irgendwie sauer auf die Boulevardpresse. Nur weiß man nicht genau, ob das jetzt komisch oder dramatisch sein soll. Die Traumsequenz wirkt wie ein lächerliches Selbstinszenierungstheater der Ich-Erzählerin.
Nach welchem Tonfall sucht der Film? Er weiß es selbst nicht so genau. Übersprungen werden die ersten dreißig Seiten des Romans, in denen Charlotte Roche mit ihrer typisch obsessiven Detailmalerei den ehelichen Sex von Elizabeth und ihrem braven Ehemann Georg (mit bewundernswerter Zurückhaltung gespielt von Jürgen Vogel) beschreibt. Wortmann/Berben haben die Sex-Passagen des Romans auf ein Minimum reduziert. Sie konzentrieren sich auf das Trauma: Vor acht Jahren erlebte Elizabeth den Schock, dass ihre drei Brüder bei einem schrecklichen Autounfall ums Leben kamen.
Seither hat sie wöchentliche Therapiesitzungen bei Frau Drescher (Juliane Köhler), die ihr beibringt, „dass ein Trauma so schmerzhaft ist, weil es eine offene Wunde ist, sie heilt nicht zu.“ In Horror-Rückblenden wird das Trauma aufwendig bebildert: der Lastwagen, der sich von der Gegenseite auf die Fahrbahn herüberschiebt, das schreckliche Feuer am Unfallort; in Zeitlupe die verbrannten Hände, die am Lenkrad kleben und weggerissen werden.
Es beginnt die Geschichte einer Begegnung mit dem Tod, einer vermeintlichen Trauerarbeit, die sich auf merkwürdige Weise in einer mit schnoddrigem Jugendjargon erzählten Neurosenpflege verliert. Dass das Unfalltrauma autobiografischen Bezug hat (Charlotte Roche verlor ihre Brüder bei einem Autounfall), kann der Geschichte nicht von außen jene ernstzunehmende Tragik einschreiben, die sie in ihrer witzelnden Selbstbezüglichkeit verspielt.
„Ich habe mehr Neurosen als andere Frauen Schuhe“, bekennt Elizabeth munter, und der Film zelebriert diese Neurosen in lähmender Ausführlichkeit: die Rachegelüste gegenüber der „blutgierigen“ Boulevardzeitung, den Verfolgungswahn, die Schuldgefühle und die apokalyptischen Katastrophenängste.
Wie packend und glaubwürdig Trauerarbeit gezeigt werden kann, demonstriert derzeit zum Beispiel R.J. Cutler in seinem in dieser Woche angelaufenen Drama „Wenn ich bleibe“. Die Geschichte einer Siebzehnjährigen, deren Eltern und Bruder bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Hier wird das Trauma übersetzt in eine bewegende Hommage an die Glücksmomente im Leben mit den Verstorbenen.
Hier bleibt die Trauerarbeit nicht in einer Egozentrik flunkernder Neurosenerkundung hängen.
Bei aller Reduktion der Sexszenen des Romans kann der Film doch nicht dem Sextherapieprogramm der Geschichte entkommen. „Nur beim Sex vergesse ich alle Probleme“, gesteht Elizabeth der Therapeutin, und ihren Gatten spornt sie an: „Fick mich ins Leben zurück!“ Sex als Erlösung vom Trauma? Der Sex, den das wohlsituierte Ehepaar in ehehygienischer Absicht praktiziert, kann nicht einmal die Andeutung einer solchen Erlösung sein. Er läuft ab wie in einem deutschen Sexfilmchen der späten 1960er-Jahre: Dildo-Kauf in einem Sexshop, Bordellbesuch zwecks flottem Dreier – Apotheose einer Spießigkeit, die sich als Mehltau der Langweile über die gesamte Story legt.
War die Verfilmung von Charlotte Roches Megahit „Feuchtgebiete“ vor einem Jahr eine Verniedlichung des Romans, eine Art feministisch-postfeministisches Pippi-Langstrumpf-Abenteuer in den Ekelzonen des Intimbereichs, so erscheint die „Schoßgebete“-Verfilmung als hilflose Suche nach dem Ton, in dem von Tod und Trauma erzählt werden könnte. Gemixt aus Sexkomödie und dem Trauma-Horror ergibt sich aber ein fataler Cocktail der Geschmacklosigkeit.
Schoßgebete, Deutschland 2014 – Regie: Sönke Wortmann. Buch: Oliver Berben, nach dem Roman von Charlotte Roche. Kamera: Maher Maleh. Mit: Lavinia Wilson, Jürgen Vogel, Juliane Köhler. Constantin, 93 Minuten.
Ein fataler Cocktail der Geschmacklosigkeit: "Schoßgebete".
Der Film beginnt mit einer Traumsequenz, in der die 33-jährige Elizabeth (Lavinia Wilson) im Kampfanzug die Räume einer Tageszeitung stürmt, mit Bomben bewaffnet – sie ist irgendwie sauer auf die Boulevardpresse. Nur weiß man nicht genau, ob das jetzt komisch oder dramatisch sein soll. Die Traumsequenz wirkt wie ein lächerliches Selbstinszenierungstheater der Ich-Erzählerin.
Nach welchem Tonfall sucht der Film? Er weiß es selbst nicht so genau. Übersprungen werden die ersten dreißig Seiten des Romans, in denen Charlotte Roche mit ihrer typisch obsessiven Detailmalerei den ehelichen Sex von Elizabeth und ihrem braven Ehemann Georg (mit bewundernswerter Zurückhaltung gespielt von Jürgen Vogel) beschreibt. Wortmann/Berben haben die Sex-Passagen des Romans auf ein Minimum reduziert. Sie konzentrieren sich auf das Trauma: Vor acht Jahren erlebte Elizabeth den Schock, dass ihre drei Brüder bei einem schrecklichen Autounfall ums Leben kamen.
Seither hat sie wöchentliche Therapiesitzungen bei Frau Drescher (Juliane Köhler), die ihr beibringt, „dass ein Trauma so schmerzhaft ist, weil es eine offene Wunde ist, sie heilt nicht zu.“ In Horror-Rückblenden wird das Trauma aufwendig bebildert: der Lastwagen, der sich von der Gegenseite auf die Fahrbahn herüberschiebt, das schreckliche Feuer am Unfallort; in Zeitlupe die verbrannten Hände, die am Lenkrad kleben und weggerissen werden.
Es beginnt die Geschichte einer Begegnung mit dem Tod, einer vermeintlichen Trauerarbeit, die sich auf merkwürdige Weise in einer mit schnoddrigem Jugendjargon erzählten Neurosenpflege verliert. Dass das Unfalltrauma autobiografischen Bezug hat (Charlotte Roche verlor ihre Brüder bei einem Autounfall), kann der Geschichte nicht von außen jene ernstzunehmende Tragik einschreiben, die sie in ihrer witzelnden Selbstbezüglichkeit verspielt.
„Ich habe mehr Neurosen als andere Frauen Schuhe“, bekennt Elizabeth munter, und der Film zelebriert diese Neurosen in lähmender Ausführlichkeit: die Rachegelüste gegenüber der „blutgierigen“ Boulevardzeitung, den Verfolgungswahn, die Schuldgefühle und die apokalyptischen Katastrophenängste.
Wie packend und glaubwürdig Trauerarbeit gezeigt werden kann, demonstriert derzeit zum Beispiel R.J. Cutler in seinem in dieser Woche angelaufenen Drama „Wenn ich bleibe“. Die Geschichte einer Siebzehnjährigen, deren Eltern und Bruder bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Hier wird das Trauma übersetzt in eine bewegende Hommage an die Glücksmomente im Leben mit den Verstorbenen.
Hier bleibt die Trauerarbeit nicht in einer Egozentrik flunkernder Neurosenerkundung hängen.
Bei aller Reduktion der Sexszenen des Romans kann der Film doch nicht dem Sextherapieprogramm der Geschichte entkommen. „Nur beim Sex vergesse ich alle Probleme“, gesteht Elizabeth der Therapeutin, und ihren Gatten spornt sie an: „Fick mich ins Leben zurück!“ Sex als Erlösung vom Trauma? Der Sex, den das wohlsituierte Ehepaar in ehehygienischer Absicht praktiziert, kann nicht einmal die Andeutung einer solchen Erlösung sein. Er läuft ab wie in einem deutschen Sexfilmchen der späten 1960er-Jahre: Dildo-Kauf in einem Sexshop, Bordellbesuch zwecks flottem Dreier – Apotheose einer Spießigkeit, die sich als Mehltau der Langweile über die gesamte Story legt.
War die Verfilmung von Charlotte Roches Megahit „Feuchtgebiete“ vor einem Jahr eine Verniedlichung des Romans, eine Art feministisch-postfeministisches Pippi-Langstrumpf-Abenteuer in den Ekelzonen des Intimbereichs, so erscheint die „Schoßgebete“-Verfilmung als hilflose Suche nach dem Ton, in dem von Tod und Trauma erzählt werden könnte. Gemixt aus Sexkomödie und dem Trauma-Horror ergibt sich aber ein fataler Cocktail der Geschmacklosigkeit.
Schoßgebete, Deutschland 2014 – Regie: Sönke Wortmann. Buch: Oliver Berben, nach dem Roman von Charlotte Roche. Kamera: Maher Maleh. Mit: Lavinia Wilson, Jürgen Vogel, Juliane Köhler. Constantin, 93 Minuten.