jetzt.de: Das Casting für deine Rolle in „Schönefeld Boulevard“ soll lang und schwierig gewesen sein. Warum hast du den Job bekommen?
Julia Jendroßek: Das zog sich tatsächlich über zwei Jahre. Rund 400 Mädchen wurden gecastet. Mein Demoband kam erst zwei Monate vor Drehbeginn zufällig über eine Bekannte ins Spiel. Daraufhin meinte wohl die Produzentin: Die mit der Zahnlücke laden wir mal ein!
Dein erstes Casting?
Ja. Ich wusste auch noch gar nicht, worum’s in dem Film genau geht, bin da einfach mal nach der Arbeit hin. Ich habe dann einen Zettel bekommen, hatte fünf Minuten Vorbereitungszeit – und dann ging’s los. Ein paar Tage später rief mich die Regisseurin Sylke Enders an und sagte, sie würde den Film gerne mit mir machen.
Was interessierte dich an der Rolle der Cindy?
Erstmal finde ich die Zeit, in der sich Cindy befindet, unheimlich spannend, nämlich die Abi-Zeit. Der erste große Lebensabschnitt ist bald zu Ende, man weiß noch nicht so genau, wie’s weitergeht. Und natürlich mochte ich Cindy an sich.
"Ich stamme aus der Generation Überangebot": Julia Jendroßek, 22.
Sie wird heftig gemobbt.
Ja, und sie kommt am Anfang wie ein stumpfes Duldungstier daher. Das sich einen Schutzpanzer gegen all die Angriffe zulegt. Und das sich im Verlauf der Geschichte auf eine wunderbare, charmant-naive Art wieder da rauskämpft.
Wie schafft sie das?
Irgendwann fragt sie sich, ob da nicht noch mehr zum Leben gehört. Was dieses Mehr ist, kann sie zwar noch nicht genau definieren, aber sie weiß, dass es das gibt. Die Metapher Flughafen, dieses Tor zur Welt, das direkt vor ihrer Haustür entsteht, unterstreicht das.
Wogegen muss sie kämpfen?
Stillstand. Den kriegt sie ja von ihren Eltern vorgelebt, die da in ihrer eigenen Tristesse herumsuppen. Und Cindy selbst harrt sehr lange einfach nur aus. Sie wartet auf irgendwas, das von außen kommt. Auch darauf, dass dieser Flughafen endlich öffnet und die Möglichkeiten, die er ihr beruflich bieten könnte.
Dieses Leben am Rand der Stadt, das Cindy führt, die leblose Familie, die falschen Freunde - kennst du Leute in deinem Alter, die dieses Schicksal teilen?
In meinem Umfeld weniger. Ich selbst habe das Glück, dass ich sehr auf meine Familie und Freunde bauen kann. Ich hatte eine ganz wunderbare Schulzeit. Wir waren ein guter Jahrgang, der immer zusammengehalten hat. Es gab nicht dieses Spiel, dass sich einzelne Grüppchen bekämpfen. Hab ich gerade auch bei der Filmpremiere gemerkt: Da waren bestimmt 30 Leute aus meinem ehemaligen Jahrgang.
Was war euer Hauptgegner während der Schulzeit?
Ich stamme ja aus der sogenannten Generation Überangebot. Unsere Probleme beschränkten sich vor allem auf die Frage, wie es nach der Schulzeit weitergeht. Also was passiert, wenn man aus diesem Kokon herauskommt. Es gibt mittlerweile rund 13.000 verschiedene Studienangebote! Und wenn man zum Beispiel in Berlin Abi macht, weiß man, dass man einen Notenschnitt von Einskommairgendwas braucht, um auch in Berlin studieren zu können.
Wie bist du mit dem Problem umgegangen?
Ich habe mir immer gesagt: Okay, wir wissen, dass wir immer länger arbeiten müssen und wahrscheinlich mehrere Berufe haben werden. Also lasst es uns ausprobieren! Einfach machen. Es gibt so viele Leute, die so viel reden und zerreden. Warum kann man nicht ein Praktikum hier und da machen, sich dort mal in eine Vorlesung setzen? Dieses Modell, dass man nach der Schule direkt studiert und dann anfängt zu arbeiten, bricht ja eh immer mehr auf.
http://www.youtube.com/watch?v=KZDWrQ1_Ack Der Trailer zu "Schönefeld Boulevard".
Klingt gut, ist aber auch nicht so einfach.
Ich glaube, jeder muss sich seine Zeit nehmen. Klar, es ist super, wenn man gleich nach dem Abi weiß: Ich will Arzt werden! Aber es ist genauso wichtig und sinnvoll, sich erstmal fünf Jahre Zeit zu nehmen, um sich selbst zu finden. Nur weil man die Schule abgeschlossen hat, ist die Persönlichkeitsentwicklung ja noch nicht vorbei.
Welche Fragen muss man sich stellen, wenn man wissen will, was man nach der Schule machen will?
Zum Beispiel: Wo sind meine Stärken? Bin ich ein Team-Mensch? Möchte ich regelmäßige Arbeitszeiten? Will ich später mal mit meiner Familie in einem Haus wohnen? Oder will ich mein Leben lang einfach nur reisen? Diese Fragen sind natürlich nicht nur wichtig für den Beruf, sondern auch privat.
Deiner Generation wird eine besonders große Sehnsucht nach Sicherheit nachgesagt, die bis zur Spießigkeit führt.
Das würde ich so nicht unterschreiben. Liegt wohl auch daran, dass ich in einer Großstadt aufgewachsen bin, wo es immer noch mal anders ist. Ich glaube, diese Spießigkeit, wahrscheinlich auch diese Landlust, die es in meiner Generation gibt, entsteht auch aus einer Angst heraus. Der Angst, nicht abgesichert zu sein. Deshalb gründen so viele dann eine Familie - das kleinste System, das es in der Gesellschaft gibt. Dort suchen viele ihre Sicherheit.
Glaubst Du, Cindy wird sich nach der Abi-Feier auch auf die Suche nach Sicherheit machen?
Ich glaube, sie geht jetzt erstmal auf Erkundungstour. Vielleicht besucht sie ja ihren koreanischen Freund Park, den sie im Film am Flughafen kennen lernt. Auf jeden Fall denkt sie noch nicht an eine Ausbildung oder ans Studieren. Sie will die Welt kennen lernen, auch wenn diese Welt erstmal nur Berlin heißt.
Julia Jendroßek: Das zog sich tatsächlich über zwei Jahre. Rund 400 Mädchen wurden gecastet. Mein Demoband kam erst zwei Monate vor Drehbeginn zufällig über eine Bekannte ins Spiel. Daraufhin meinte wohl die Produzentin: Die mit der Zahnlücke laden wir mal ein!
Dein erstes Casting?
Ja. Ich wusste auch noch gar nicht, worum’s in dem Film genau geht, bin da einfach mal nach der Arbeit hin. Ich habe dann einen Zettel bekommen, hatte fünf Minuten Vorbereitungszeit – und dann ging’s los. Ein paar Tage später rief mich die Regisseurin Sylke Enders an und sagte, sie würde den Film gerne mit mir machen.
Was interessierte dich an der Rolle der Cindy?
Erstmal finde ich die Zeit, in der sich Cindy befindet, unheimlich spannend, nämlich die Abi-Zeit. Der erste große Lebensabschnitt ist bald zu Ende, man weiß noch nicht so genau, wie’s weitergeht. Und natürlich mochte ich Cindy an sich.
"Ich stamme aus der Generation Überangebot": Julia Jendroßek, 22.
Sie wird heftig gemobbt.
Ja, und sie kommt am Anfang wie ein stumpfes Duldungstier daher. Das sich einen Schutzpanzer gegen all die Angriffe zulegt. Und das sich im Verlauf der Geschichte auf eine wunderbare, charmant-naive Art wieder da rauskämpft.
Wie schafft sie das?
Irgendwann fragt sie sich, ob da nicht noch mehr zum Leben gehört. Was dieses Mehr ist, kann sie zwar noch nicht genau definieren, aber sie weiß, dass es das gibt. Die Metapher Flughafen, dieses Tor zur Welt, das direkt vor ihrer Haustür entsteht, unterstreicht das.
Wogegen muss sie kämpfen?
Stillstand. Den kriegt sie ja von ihren Eltern vorgelebt, die da in ihrer eigenen Tristesse herumsuppen. Und Cindy selbst harrt sehr lange einfach nur aus. Sie wartet auf irgendwas, das von außen kommt. Auch darauf, dass dieser Flughafen endlich öffnet und die Möglichkeiten, die er ihr beruflich bieten könnte.
Dieses Leben am Rand der Stadt, das Cindy führt, die leblose Familie, die falschen Freunde - kennst du Leute in deinem Alter, die dieses Schicksal teilen?
In meinem Umfeld weniger. Ich selbst habe das Glück, dass ich sehr auf meine Familie und Freunde bauen kann. Ich hatte eine ganz wunderbare Schulzeit. Wir waren ein guter Jahrgang, der immer zusammengehalten hat. Es gab nicht dieses Spiel, dass sich einzelne Grüppchen bekämpfen. Hab ich gerade auch bei der Filmpremiere gemerkt: Da waren bestimmt 30 Leute aus meinem ehemaligen Jahrgang.
Was war euer Hauptgegner während der Schulzeit?
Ich stamme ja aus der sogenannten Generation Überangebot. Unsere Probleme beschränkten sich vor allem auf die Frage, wie es nach der Schulzeit weitergeht. Also was passiert, wenn man aus diesem Kokon herauskommt. Es gibt mittlerweile rund 13.000 verschiedene Studienangebote! Und wenn man zum Beispiel in Berlin Abi macht, weiß man, dass man einen Notenschnitt von Einskommairgendwas braucht, um auch in Berlin studieren zu können.
Wie bist du mit dem Problem umgegangen?
Ich habe mir immer gesagt: Okay, wir wissen, dass wir immer länger arbeiten müssen und wahrscheinlich mehrere Berufe haben werden. Also lasst es uns ausprobieren! Einfach machen. Es gibt so viele Leute, die so viel reden und zerreden. Warum kann man nicht ein Praktikum hier und da machen, sich dort mal in eine Vorlesung setzen? Dieses Modell, dass man nach der Schule direkt studiert und dann anfängt zu arbeiten, bricht ja eh immer mehr auf.
http://www.youtube.com/watch?v=KZDWrQ1_Ack Der Trailer zu "Schönefeld Boulevard".
Klingt gut, ist aber auch nicht so einfach.
Ich glaube, jeder muss sich seine Zeit nehmen. Klar, es ist super, wenn man gleich nach dem Abi weiß: Ich will Arzt werden! Aber es ist genauso wichtig und sinnvoll, sich erstmal fünf Jahre Zeit zu nehmen, um sich selbst zu finden. Nur weil man die Schule abgeschlossen hat, ist die Persönlichkeitsentwicklung ja noch nicht vorbei.
Welche Fragen muss man sich stellen, wenn man wissen will, was man nach der Schule machen will?
Zum Beispiel: Wo sind meine Stärken? Bin ich ein Team-Mensch? Möchte ich regelmäßige Arbeitszeiten? Will ich später mal mit meiner Familie in einem Haus wohnen? Oder will ich mein Leben lang einfach nur reisen? Diese Fragen sind natürlich nicht nur wichtig für den Beruf, sondern auch privat.
Deiner Generation wird eine besonders große Sehnsucht nach Sicherheit nachgesagt, die bis zur Spießigkeit führt.
Das würde ich so nicht unterschreiben. Liegt wohl auch daran, dass ich in einer Großstadt aufgewachsen bin, wo es immer noch mal anders ist. Ich glaube, diese Spießigkeit, wahrscheinlich auch diese Landlust, die es in meiner Generation gibt, entsteht auch aus einer Angst heraus. Der Angst, nicht abgesichert zu sein. Deshalb gründen so viele dann eine Familie - das kleinste System, das es in der Gesellschaft gibt. Dort suchen viele ihre Sicherheit.
Glaubst Du, Cindy wird sich nach der Abi-Feier auch auf die Suche nach Sicherheit machen?
Ich glaube, sie geht jetzt erstmal auf Erkundungstour. Vielleicht besucht sie ja ihren koreanischen Freund Park, den sie im Film am Flughafen kennen lernt. Auf jeden Fall denkt sie noch nicht an eine Ausbildung oder ans Studieren. Sie will die Welt kennen lernen, auch wenn diese Welt erstmal nur Berlin heißt.