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Auch ohne Uni gut gebildet

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Trotz der steigenden Zahl an Studienanfängern weist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im „Bildungsbericht 2014“ auf einen Rückstand Deutschlands hin. 31 Prozent der jungen Leute werden im Lauf ihres Lebens voraussichtlich ein Studium abschließen, heißt es in der am Dienstag präsentierten Studie. Im Schnitt der OECD-Nationen seien es 38 Prozent, in europäischen Ländern wie Finnland, Dänemark oder Polen sogar um die 50 Prozent. Die „Bildungsexpansion“ in vielen Ländern habe Menschen die Möglichkeit verschafft, ein höheres Bildungsniveau zu erreichen als ihre Eltern. In Deutschland sei dagegen „kein wesentlicher Zuwachs“ von Generation zu Generation zu erkennen. Nur 24 Prozent der Erwachsenen seien höher gebildet als Vater und Mutter; und 65Prozent der jetzigen Studenten stammen aus akademischen Elternhäusern.



In Deutschland studieren weniger Leute als in anderen Ländern.

Allerdings würdigt die OECD in dem jährlich veröffentlichten Statistik-Bericht ausdrücklich das System der Berufsausbildung – und die „damit einhergehenden niedrigen Erwerbslosenquoten“. Das duale System der Lehre in Betrieb und Berufsschule sei wohl ein Anreiz, dass die Neigung zum Studium in Deutschland schwächer ausgeprägt ist als andernorts, schreiben die Autoren. Erst seit dem Bericht 2013 betont die OECD die Besonderheit des deutschen Systems – in den Jahren zuvor hatte es dagegen Konflikte zwischen der Organisation und der Bundesregierung gegeben. Zum Beispiel des Generationenvergleichs entgegnete 2012 die damalige Bildungsministerin Annette Schavan (CDU): „Wenn der Vater Professor und der Sohn Optiker ist, ist das kein Abstieg.“ Die Statistik sei „völlig abwegig“. Neben der Akademikerquote von 31 Prozent werden nach OECD-Schätzung 15 Prozent der jungen Bürger eine Meisterausbildung oder ähnliche höhere Berufsqualifikationen abschließen, die zum Hochschulbereich zählen.

Insofern konnten die politisch Verantwortlichen am Dienstag ohne jeden Groll auf die Ergebnisse blicken. „Deutschland bildet sich wie nie zuvor. Der Erfolg unseres Systems resultiert auch daraus, dass den jungen Menschen mit Hochschulausbildung und beruflicher Bildung zwei gleichwertige Alternativen zur Verfügung stehen. Beide bieten optimale Möglichkeiten für die berufliche Zukunft“, sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) lobte die „enormen Anstrengungen“ der vergangenen Jahre.

Längst gibt es jedoch hierzulande eine Debatte, ob die Studentenzahlen nicht allmählich zu hoch werden. Seit 2011 beginnen jedes Jahr eine halbe Million Studienanfänger. Das gemeinnützige Centrum für Hochschulentwicklung sprach unlängst in einer Analyse vom „Normalfall Hochschulbildung“. Zum Beginn des Ausbildungsjahres vergangene Woche hatte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) besorgt zu Wort gemeldet: „Wir müssen aufpassen, dass wir noch genügend junge Leute haben, die auch eine duale Ausbildung machen.“ Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) macht gar einen „Akademiker-Wahn“ aus, Zehntausende Lehrstellen seien unbesetzt. „Perspektivisch dürfte sich das Einkommensgefüge zugunsten der beruflich Gebildeten verschieben, wenn der Trend zur Akademisierung weitergeht“, stellte DIHK-Chef Eric Schweitzer kürzlich in Aussicht. Laut OECD allerdings verdienen die deutschen Akademiker derzeit im Schnitt 74 Prozent mehr als Erwerbstätige ohne ein Studium. Eine wachsende Kluft: 2000 lag der Vorsprung nur bei 45 Prozent, im OECD-Schnitt sind es 59 Prozent.

In weiteren Fragen verteilt der Bericht Lob wie Tadel für Deutschland. Nur ein Zehntel der Unter-30-Jährigen sei weder im Job noch in Bildung oder Lehre – im OECD-Schnitt sind es 15 Prozent. Gleichwohl habe der Bildungsaufschwung „nur bedingt zur besseren Teilhabe bildungsferner Schichten beigetragen“. Positiv sei dagegen: 96 Prozent der Vierjährigen nehmen frühkindliche Bildung wahr. Immer mehr Frauen studieren naturwissenschaftliche Fächer. Mittlerweile stellen sie 44 Prozent dieser Absolventen.


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