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Undefinierte Spielfigur

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Es gab während der zweiten Halbzeit tatsächlich ein paar ermutigende „Maaarioo-Götze“-Rufe auf der Südtribüne, sie waren klar und deutlich zu hören und wurden nach bisherigem Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden nicht unter Gewaltandrohung angestimmt. Sie waren aber auch nicht Ausdruck von spontaner Begeisterung über ein leuchtend schönes Mario-Götze-Spiel, sondern eine Demonstration gegen jene Besucher, die bei jedem von Götzes Ballkontakten gepfiffen haben. Einige Beobachter behaupteten daraufhin, der Meinungskampf um den ehemaligen Dortmunder, heutigen Münchner und ewigen Finaltorschützen führe zur „Spaltung“ der Anhängerschaft. Als ob nun ein religiöses Dilemma von gemeingefährlicher Bedeutung entstanden wäre.



Götzes Bemühungen blieben auch gegen Schottland weitgehend erfolglos.

Die Wahrheit ist, dass es sich allenfalls um einen Randgruppendialog handelte, der vermutlich auf Langeweile beruhte. Die meisten der rund 60000 Zuschauer im Dortmunder Stadion nahmen an der Auseinandersetzung nicht teil. Stattdessen sahen sie mit einigem Wohlwollen, wie sich Götze um Wirkung bemühte, und sie sahen mit einiger Enttäuschung, dass dieses Bemühen weitgehend erfolglos blieb.
Der 22 Jahre alte Mittelfeldspieler hatte, so viel Gutes lässt sich sagen, schon schlechtere Länderspiel-Auftritte als am Sonntagabend, übrigens auch bei jenem WM-Turnier, bei dem er unsterblichen Ruhm erwarb: Im Achtelfinale gegen Algerien zum Beispiel nahm ihn der Bundestrainer zur Halbzeit vom Platz, andernfalls hätte womöglich der eine oder andere ärgerliche Mitspieler selbst für die Auswechslung gesorgt, nachdem Götze 45 Minuten lang eine provozierend träge Figur abgegeben hatte. Im Finale setzte Löw spät auf Götze, brachte ihn aber in einer entscheidenden Phase. Was sich bekanntlich gelohnt hat.

Götzes Talent ist nach wie vor ein ungeheuerliches, das hat man auch am Sonntag in ein paar Szenen gesehen. Bei einem steilen Pass auf Marco Reus etwa oder kurz vor Schluss bei einem kunstvollen Vorstoß in den Strafraum. Es blieb jedoch bei einer Handvoll gelungener Einzelaktionen. Dazu könnte Götze vorbringen, dass er mal wieder nicht auf seiner Lieblingsposition spielen durfte, weil er mal wieder in der Rolle der verkappten Sturmspitze aushelfen musste – es ist bloß so, dass man mittlerweile gar nicht mehr weiß, welches überhaupt seine Lieblingsposition ist. Götze ist inzwischen eine undefinierte Spielfigur. Weshalb auch der andere mildernde Umstand in den Zwiespalt führt. Zwar gilt auch für Götze, was für die anderen Brasilien-Fahrer gilt: Er befindet sich wie Jérôme Boateng oder Thomas Müller im WM-bedingten Leistungsloch, doch anders als Boateng oder Müller hatte Götze schon vor der WM in einem Leistungsloch gesteckt, die Symptome gleichen sich.

Mit dem Siegtreffer gegen Argentinien im WM-Finale hat Mario Götze den mutmaßlich größten Moment seiner Karriere schon jetzt hinter sich. Es sieht aber so aus, als ob die für die Karriere wichtigste Saison seines Lebens geradewegs vor ihm liegt.


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