Die Jungsfrage:
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Neulich, regnerischer Sonntag, Couch. Darauf meine Freundin und ich, auf unseren Knien je ein Laptop beziehungsweise Tablet. Regensonntagszeitvertreib: Bisschen nach Musik stöbern, bisschen Mails beantworten, bisschen durch Blogs und soziale Netzwerke treiben lassen, hin und wieder dem anderen mal das eigene Gerät vor die Nase halten, schau mal, was der Dings für blöde Fotos auf Facebook gestellt hat. Und dann irgendwann die Aufforderung zum Blick auf ihren Bildschirm, dazu eine Frage: „Welche Stiefel findest du schöner: die, oder die, oder die?“
Bis hierhin: alles normal. Erstaunlich fand ich nur, wo sich die Stiefel befanden, die mir zur Beurteilung vorgelegt wurden: nämlich im Einkaufswagen. Obwohl doch noch gar keine Kaufentscheidung gefallen war. Neben der Stiefelsammlung befanden sich im Warenkorb noch zwei Oberteile, eine Leggings und ein Halstuch. Gekauft wurde letzten Endes nichts davon.
Ich habe nach diesem kleinen Erlebnis mal Kolleginnen und Freundinnen nach ihrem Onlineshopping-Verhalten gefragt. Auch hier zeigte sich: Ihr werft in eure Warenkörbe Klamotten, die ihr nur vielleicht oder vielleicht auch gar nicht kaufen wollt. Auf Portalen, bei denen man sich ein Profil anlegen kann und der Warenkorb auch über das Ende einer Shopping-Session hinaus gespeichert werden, hortet ihr Dinge, ohne sie jemals zu kaufen. Der Online-Einkaufswagen eines Mädchens ähnelt einer Hamsterbacke: immer ordentlich Vorräte drin.
Ich finde das seltsam. Für uns Jungs ist der Einkaufswagen eines Onlineshopping-Portals ein Tool, das wir benutzen, wenn wir wirklich etwas kaufen wollen. Wie im Supermarkt eben. Wenn wir dort durch die Regalreihen laufen, legen wir die Nudelpackung rein, die wir kaufen wollen. Die anderen lassen wir im Regal liegen. Dann gehen wir zur Kasse und bezahlen.
Bei euch scheint das aber anders zu sein. Ihr schmeißt – um bei dem Supermarkt-Beispiel zu bleiben – vier verschiedene Nudelsorten, Parmesan, Tomaten, Zwiebeln, vier verschiedene Fertigsaucen und Mozzarella in euren Wagen. Dann geht ihr zur Kasse – und lasst den vollen Wagen stehen, bevor ihr den Supermarkt verlasst, ohne etwas gekauft zu haben.
Warum macht ihr das? Ist das irgendeine Neurose? Habt ihr Angst, dass euch jemand die Stiefel wegkauft? Befriedigt das irgendeine Sucht, für die ihr viel anfälliger seid als wir? Warum seid ihr solche Warenkorb-Hamster?
[seitenumbruch]
Die Mädchenantwort:
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Hä? Wir sind doch nicht neurotisch, nur weil wir uns bisweilen den virtuellen Warenkorb bis zur Oberkante voll laden, um dann das Browserfenster wieder zu schließen, ohne irgendetwas tatsächlich erstanden zu haben. Im Grunde genommen ist diese Form des Shoppings nichts anderes als die reinste Form des Einkaufens. Wir nehmen die Versprechen der Werbung wörtlich und laden lauter Sachen in den Korb, die wir in Wahrheit niemals anziehen würden.
Ich zum Beispiel bin seit jeher das typische Jeans und T-Shirt-Mädchen. In Röcken fühle ich mich blöd und damit bin ich eigentlich ganz zufrieden. Aber manchmal, da wäre ich halt doch gerne jemand ganz anderes. Und an solchen Tagen gehe ich dann auf irgendeine bekloppte Shopping-Website (am liebsten eine, wo man alles, wirklich ALLES findet) und dann lade ich nur Sachen in den Korb rein, die zu meinem neuen Ich passen würden: Seiden-Blusen mit Schluppen-Kragen, knielange ausgestellte Röcke aus Tweed, Mary-Jane-Absatzschühchen, Haarreifen – oh Mann. Ich kann spüren, wie sich mein neues Leben anfühlen würde. Ich würde Don Draper stolz machen, jeden Tag wohlschmeckende 4-Gänge-Menüs kochen, obwohl ich alleine in einem Ein-Zimmer-Apartment in New York lebte. Wohlerzogen und dezent würde ich meine Sekretärinnen-Arbeit tun und im richtigen Moment nach vorne treten, um am Ende doch die Karriereleiter zu erklimmen.
Ach, was für ein unglaublich tolles Leben.
Doch dann schaue ich mir den Inhalt des Einkaufskorbes noch einmal genauer an und stelle fest:
Und das, so glaube ich, ist die ganz simple Erklärung für unseren immer voll-gehamsterten Einkaufskorb beim Online-Shopping.
martina-holzapfl
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Neulich, regnerischer Sonntag, Couch. Darauf meine Freundin und ich, auf unseren Knien je ein Laptop beziehungsweise Tablet. Regensonntagszeitvertreib: Bisschen nach Musik stöbern, bisschen Mails beantworten, bisschen durch Blogs und soziale Netzwerke treiben lassen, hin und wieder dem anderen mal das eigene Gerät vor die Nase halten, schau mal, was der Dings für blöde Fotos auf Facebook gestellt hat. Und dann irgendwann die Aufforderung zum Blick auf ihren Bildschirm, dazu eine Frage: „Welche Stiefel findest du schöner: die, oder die, oder die?“
Bis hierhin: alles normal. Erstaunlich fand ich nur, wo sich die Stiefel befanden, die mir zur Beurteilung vorgelegt wurden: nämlich im Einkaufswagen. Obwohl doch noch gar keine Kaufentscheidung gefallen war. Neben der Stiefelsammlung befanden sich im Warenkorb noch zwei Oberteile, eine Leggings und ein Halstuch. Gekauft wurde letzten Endes nichts davon.
Ich habe nach diesem kleinen Erlebnis mal Kolleginnen und Freundinnen nach ihrem Onlineshopping-Verhalten gefragt. Auch hier zeigte sich: Ihr werft in eure Warenkörbe Klamotten, die ihr nur vielleicht oder vielleicht auch gar nicht kaufen wollt. Auf Portalen, bei denen man sich ein Profil anlegen kann und der Warenkorb auch über das Ende einer Shopping-Session hinaus gespeichert werden, hortet ihr Dinge, ohne sie jemals zu kaufen. Der Online-Einkaufswagen eines Mädchens ähnelt einer Hamsterbacke: immer ordentlich Vorräte drin.
Ich finde das seltsam. Für uns Jungs ist der Einkaufswagen eines Onlineshopping-Portals ein Tool, das wir benutzen, wenn wir wirklich etwas kaufen wollen. Wie im Supermarkt eben. Wenn wir dort durch die Regalreihen laufen, legen wir die Nudelpackung rein, die wir kaufen wollen. Die anderen lassen wir im Regal liegen. Dann gehen wir zur Kasse und bezahlen.
Bei euch scheint das aber anders zu sein. Ihr schmeißt – um bei dem Supermarkt-Beispiel zu bleiben – vier verschiedene Nudelsorten, Parmesan, Tomaten, Zwiebeln, vier verschiedene Fertigsaucen und Mozzarella in euren Wagen. Dann geht ihr zur Kasse – und lasst den vollen Wagen stehen, bevor ihr den Supermarkt verlasst, ohne etwas gekauft zu haben.
Warum macht ihr das? Ist das irgendeine Neurose? Habt ihr Angst, dass euch jemand die Stiefel wegkauft? Befriedigt das irgendeine Sucht, für die ihr viel anfälliger seid als wir? Warum seid ihr solche Warenkorb-Hamster?
[seitenumbruch]
Die Mädchenantwort:
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Hä? Wir sind doch nicht neurotisch, nur weil wir uns bisweilen den virtuellen Warenkorb bis zur Oberkante voll laden, um dann das Browserfenster wieder zu schließen, ohne irgendetwas tatsächlich erstanden zu haben. Im Grunde genommen ist diese Form des Shoppings nichts anderes als die reinste Form des Einkaufens. Wir nehmen die Versprechen der Werbung wörtlich und laden lauter Sachen in den Korb, die wir in Wahrheit niemals anziehen würden.
Ich zum Beispiel bin seit jeher das typische Jeans und T-Shirt-Mädchen. In Röcken fühle ich mich blöd und damit bin ich eigentlich ganz zufrieden. Aber manchmal, da wäre ich halt doch gerne jemand ganz anderes. Und an solchen Tagen gehe ich dann auf irgendeine bekloppte Shopping-Website (am liebsten eine, wo man alles, wirklich ALLES findet) und dann lade ich nur Sachen in den Korb rein, die zu meinem neuen Ich passen würden: Seiden-Blusen mit Schluppen-Kragen, knielange ausgestellte Röcke aus Tweed, Mary-Jane-Absatzschühchen, Haarreifen – oh Mann. Ich kann spüren, wie sich mein neues Leben anfühlen würde. Ich würde Don Draper stolz machen, jeden Tag wohlschmeckende 4-Gänge-Menüs kochen, obwohl ich alleine in einem Ein-Zimmer-Apartment in New York lebte. Wohlerzogen und dezent würde ich meine Sekretärinnen-Arbeit tun und im richtigen Moment nach vorne treten, um am Ende doch die Karriereleiter zu erklimmen.
Ach, was für ein unglaublich tolles Leben.
Doch dann schaue ich mir den Inhalt des Einkaufskorbes noch einmal genauer an und stelle fest:
- der schöne Pullover sieht am Model irgendwie sackartig aus, wie muss er erst an einem ganz normalen Körper aussehen...
- es gibt die Schluppenbluse nur noch in den Größen XXS, XS und S
- das 50er-Jahre-Kleidchen besteht zu 100 Prozent aus Polyester
- der Wollrock, das einzig tragbare Stück kostet nicht, 9,95 Euro, sondern 199,95 Euro – eigenartig, muss mich wohl verlesen haben.
- Außerdem, wenn wir mal ehrlich sind: wann werde ich den Wollrock anziehen? Niemals? Genau. Und dafür sind 199 ,95 Euro eindeutig zu teuern.
- Und die Stöckelschuhe? Ach Puppe, lüg dich doch nicht selbst an.
Und das, so glaube ich, ist die ganz simple Erklärung für unseren immer voll-gehamsterten Einkaufskorb beim Online-Shopping.
martina-holzapfl