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Ego-Taktiker überschütten sich gerne mal mit Eiswasser

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Keine Generation wurde mit so vielen unterschiedlichen Namen bedacht wie die heute 15- bis 30-Jährigen. Mittlerweile hat sich in der Debatte die Bezeichnung „Generation Y“ durchgesetzt. Einerseits meint man damit die Nachfolger der Generation Xaus den Neunzigerjahren, andererseits ist die Bezeichnung eine Anspielung auf das englische „Why?“ – „Warum?“. Eine Generation auf der Suche nach Sinn. Der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann versucht sich in seinem Buch „Die heimlichen Revolutionäre“ an einer Charakterisierung dieser Generation. Die Jungen seien pragmatische Optimisten, die unsere Gesellschaft leise verändern. Sie kämpfen für erfüllende Jobs, familienfreundliche Karrieren und die besten Chancen für sich selbst.

SZ: Ich bin 26, seit vier Jahren in einer festen Beziehung, habe studiert und mache ein Praktikum bei der SZ, weil ich Journalist werden möchte. Bin ich ein typischer Vertreter der Generation Y?
Klaus Hurrelmann: Einige der Dimensionen, die Sie nennen, sind nicht ganz typisch. Das auffällige Merkmal der Generation der 1985 bis 2000 Geborenen ist die prägende Erfahrung von großer Unsicherheit. Terror, Umweltkatastrophen und eine anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit. Die Mehrheit hat gelernt, dass nichts kalkulierbar ist. Junge Menschen müssen flexibel bleiben und können ihr Leben nicht fest planen. Die Aspekte, die Sie aufgezählt haben, klingen hingegen eher stromlinienförmig. Aber sicher haben auch Sie einen Plan B.



Ein Ego-Taktiker in Aktion.

Gibt es eine wissenschaftliche Grundlage für die Festlegung der Generationenspanne auf 15 Jahre?
Nein, die gibt es nicht. Der 15-Jahres-Schritt ist ein Kunstgriff der wissenschaftlichen Arbeit. Es gibt aber den Erfahrungswert, dass sich in solch einem Zeitabschnitt die gesellschaftlichen Ausgangskonstellationen spürbar ändern.

Aber steht ein heute 30-Jähriger einem 40-Jährigen nicht näher als einem 15-Jährigen, vor allem was seine Sozialisation im Internet angeht?
Ja, im Blick auf die technische Sozialisation unterscheiden sich der 30-Jährige und der 15-Jährige ganz enorm. Man muss Strömungen innerhalb der Generation Yunterscheiden. Es wird aber auch schwieriger, mit einem allgemeinen Generationenbegriff zu arbeiten, weil sich unsere Gesellschaft individualisiert. Das muss man als methodische Einschränkung anerkennen.

Die Generation Yist also eine heterogene Generation?
Trotz der hohen Individualität und der unterschiedlichen familiären Hintergründe gibt es historische Ereignisse, die Generationen prägen. Die Generation Yglaubt, dass sie im Gegensatz zur Generation Xviel mehr investieren muss, auch in Bildung, um nicht auf der Strecke zu bleiben.

Gilt das für alle Vertreter?
Nein, die Beschreibung der Generation Ytrifft nicht auf die ganze Breite zu. Etwa ein Fünftel sind sozial abgehängt. Ein Symptom dafür, dass einige junge Leute nicht mit dem Tempo mithalten können, das heute gelebt wird. Diese Gruppe vor allem junger Männer sieht jetzt schon keine Chancen für sich und hat viele der für die Generation Ytypischen Grundmentalitäten nicht entwickelt.

Sind diese Abgehängten typisch für die Generation Y?
Nein, die gab es schon immer. Neu ist, dass ihr relativ geringer Bildungsgrad ihnen heute nicht mehr gestattet, eine gesellschaftliche Position zu erreichen. Die Distanz zum Rest der Generation ist groß geworden. Sie sind anfällig für extreme, vor allem rechtsradikale Positionen. Ihr Protestpotenzial übersetzt sich aber nicht in einen nach außen sichtbaren Protest.

Sie sagen, dass die APO der Generation Yim Netz stattfindet. Die sozialen Medien seien die Kommandozentrale ihrer Revolution. In meinem Facebook-Feed sehe ich seit Tagen aber nur Menschen, die sich mit Eiswasser übergießen. Ist diese Generation politisch?
Es gibt ein geringes Interesse an der parlamentarischen Demokratie. Im Internet ist schwer zu erkennen, wo ein politisches Engagement liegt. Meist findet es sich bei Dingen, die mit der eigenen Situation zu tun haben. Insgesamt ist der Charakter von Veränderung gerade im politischen Sektor nicht besonders stark. In den Bereichen Bildung, Beruf, Lebensgestaltung und Familie sind die Effekte deutlich größer.

Während Sie der Generation eine heimliche Revolution zutrauen, wird in den Medien oft über sie geschimpft. Sie sei eine Generation narzisstischer Ego-Maschinen. Woher kommt dieser Hass?
Man unterstellt ihr eine sehr starke Ich-Fixierung. Die Erfahrung von Unsicherheit und Krisen hat zu einem opportunistischen Denken geführt: Was muss ich machen, damit sich meine Chancen verbessern? Ich werde zum Ego-Taktiker, der sondiert, was für ihn drin ist. Dadurch rührt eine Selbstbezüglichkeit, die von Angehörigen einer älteren Generation auch kritisch gesehen wird.

Sie schreiben, dass dem Ego-Taktiker Ideale, Normen und Prinzipien wenig helfen. Steht das im Widerspruch zum Ideal der Bildung, die der Generation Yso wichtig ist?
Junge Menschen stellen die korrekte Diagnose, dass man in dieser Gesellschaft nur durch eine hohe persönliche Bildung weiterkommt. Dabei geht es sogar nur um hohe Bildungsabschlüsse, um Zertifikate. Was ich inhaltlich lerne, steht nicht mehr im Vordergrund. Hier tritt die starke Kosten-Nutzen-Orientierung der Ego-Taktiker hervor.

Woher nimmt diese Generation trotz der Unwägbarkeiten ihre Selbstsicherheit?
Es handelt sich bei der Generation Yum die erste Generation, die sich die eigenen Eltern als strategische Verbündete wählt. Da herrscht zum ersten Mal Harmonie. Die Eltern werden als Modell für die Lebensgestaltung genommen, auch weil man ahnt, dass man deren Lebensstandard nicht wird halten können. Wenn man sich aber mit ihnen verbündet, hat man Chancen.



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