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In Nordkorea gibt es Pillen statt Espresso

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Ursprünglich sollten sie nur die Soldaten wach halten, doch inzwischen sind Amphetamine eine verbreitete Droge in Nordkorea. Beamte akzeptieren sie statt Dollar als Bestechungsgeld.

Die ersten Anzeichen, dass Nordkoreas Jugend ein Drogenproblem hat, machten sich im chinesischen Grenzgebiet bemerkbar. Binnen weniger Jahre stieg dort die Zahl der Drogenabhängigen massiv an. Mitte der Neunzigerjahre waren etwa in der Grenzstadt Yanji 44 Süchtige aktenkundig. 2010 registrierten die Behörden plötzlich über 2100 Abhängige. Und fast alle nahmen sie "bingdu" (Eis), so nennen die Süchtigen ihren Stoff, das Amphetamin. Die Beamten waren ratlos. In der Volksrepublik wird eigentlich kaum Rauschgift konsumiert, die am stärksten verbreitete Droge ist Heroin - gespritzt von 70 Prozent der Süchtigen. In der Provinz Jilin schluckten aber binnen weniger Monate 90 Prozent der Abhängigen Amphetamine. Woher kommt der Stoff?



Eine illegale Amphetaminfabrik in Bulgarien

Das Eis der Süchtigen stammt aus Nordkorea. Seit Jahrzehnten werden jenseits der Grenze Amphetamine hergestellt - für die Armee. Im 2. Weltkrieg setzten die Japaner die Droge ein. Den Kamikaze-Fliegern verabreichte man sogenannte Angriffstabletten - Amphetamine gestreckt mit grünem Teepulver. Die nordkoreanischen Truppen haben das übernommen. Soldaten, die eine Pille intus haben, können tagelang Wache schieben.

Bis vor ein Jahr funktionierte die staatliche Produktion. Irgendwann brach das System jedoch zusammen, überall im Land entstanden kleine Labore. Eine Küche, ein paar Chemikalien und ein Ingenieur reichen aus. Banden exportieren das Rauschgift seitdem nach China, gedeckt von korrupten Kadern. Viel schlimmer noch: Tausende Nordkoreaner selbst schlucken die Pillen.

Der angesehene Nordkoreaspezialist Andrei Lankov hat nun gemeinsam mit der koreanischen Wissenschaftlerin Kim Seok Hyang erstmals Flüchtlinge über den Drogenmissbrauch im Norden befragt und die Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift North Korean Review veröffentlicht. Sie sind besorgniserregend. Spätestens seit 2010 schreiben Lankov und Kim habe Nordkorea ein ernsthaftes Drogenproblem. Einer der Interviewten, ein Bauarbeiter, schätzt, dass 70 Prozent seiner Kollegen Amphetamine nähmen. Andere Flüchtlinge geben an, dass "fast alle" Teenager inzwischen Erfahrungen mit der Droge hätten.

Die erste Welle des Konsums begann wohl 2005. Es waren vor allem die Neureichen, die zu erst Amphetamine schluckten: Korrupte Beamte etwa oder Händler, die ins benachbarte China reisen. Wer die Droge nahm, der gehörte zur Oberschicht. In manchem teuren Restaurant bot man sich die Tabletten nach dem Essen an, als wäre es ein Dessert oder ein Espresso. Bald danach setzte die zweite und dritte Welle ein.

Inzwischen ist die Drogensucht so stark verbreitet, dass Amphetamine sich zu einer Drittwährung in Nordkorea entwickelt haben, schreiben Lankov und Kim. Statt mit Dollar oder chinesischen Yuan lassen sich Beamte auch mit ein paar Pillen bestechen. Und die Sucht hat ernste Folgen: Viele sind inzwischen erkrankt. Ein eigenes Wort haben sich im Norden für die Drogensucht gefunden: "Munlan". Spricht man mit nordkoreanischen Flüchtlingen, die es vor 2008 nach Südkorea geschafft haben, können sie mit dem Wort nichts anfangen. 

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