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Ziemlich beste Feinde

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Nico Rosberg ist am Montagabend in Hamburg gewesen. Blaues Jackett, weißes Einstecktuch – so nahm er einen Preis entgegen, den sich ein Sport-Magazin extra für ihn ausgedacht hatte. Zuvor hatte der 29-Jährige an der Außenalster noch einen anderen Auftritt absolviert. Grauer Sweater, graue Wolken, im Hintergrund Ausflugsschiffchen auf dem grauen Wasser: „Definitiv mein schwerster Video-Blog bisher“, gab Rosberg zu. Weil er es sich zur Gewohnheit gemacht hat, die Geschehnisse bei jedem Grand Prix in wackeligen Youtube-Videos zu kommentieren, kam er aus der Nummer aber nicht raus. Gar nichts zu sagen, das hätte nach dem Großen Preis von Belgien feige gewirkt.



Ein Gutes hat der Kampf von Rosberg und Hamilton: Egal wer gewinnt, in jedem Fall gewinnt Mercedes.

In Spa hatte Rosberg mit seinem Frontflügel den Hinterreifen seines Mercedes-Kollegen Lewis Hamilton aufgeschlitzt, was den natürlich schäumen ließ. Aus der Nachbesprechung mit Rosberg, Teamchef Toto Wolff und Technikchef Paddy Lowe lief der Brite schnurstracks zu den heimischen Journalisten, vor denen er gerne Hof hält und behauptete: Rosberg habe zugegeben, die Kollision, die das Team um einen Doppelerfolg gebracht hatte, absichtlich nicht verhindert zu haben. Eine Version, die Rosberg so nicht stehen lassen will.

2:09 Minuten dauert seine Videobotschaft in der deutschen Version, die englische ist mit 1:42 ein wenig prägnanter. Die meiste Zeit fährt Rosberg verbale Ausweichmanöver: „Wir hatten ein sehr gutes Gespräch nach dem Rennen, ein wichtiges Gespräch.“ – „Was wir im Moment definitiv als Vorteil haben, ist unsere Teamführung, die ist sehr, sehr wichtig in diesen Momenten.“ – „Habe langfristig ein sehr, sehr gutes Gefühl.“ An zwei Stellen aber hält er so entschieden dagegen wie am Sonntag in der Schikane Les Combes. Er habe mitbekommen, wie Hamilton die Diskussion im Meeting nach dem Rennen dargestellt habe. „Ich sehe die Darstellung sehr, sehr anders“, so Rosberg. In Klartext übersetzt heißt das nichts anderes als: Hamilton lügt. Und noch einen nicht unwesentlichen Vorwurf erhebt Rosberg in Richtung des Rivalen. Es sei „wichtig“, findet Rosberg, „dass wir das intern halten, solche Diskussionen.“ Die Reibereien umgehend in die Öffentlichkeit zu tragen, war bisher tatsächlich ein No-No.

Rosberg wurde in Spa Zweiter hinter dem Red-Bull-Fahrer Daniel Ricciardo. Hamilton fiel aus. Vor dem 13. Saisonrennen am 7. September in Monza führen die beiden die WM-Wertung immer noch mit großem Vorsprung an. Doch der Vorfall hat gezeigt, wie schnell die Gegner aufholen können, wenn sich die Favoriten selbst im Weg stehen. Und: Fürs Saisonfinale Ende November in Abu Dhabi sind doppelte Punkte ausgelobt. Auf den letzten Metern könnte Ricciardo, der nach dem dritten Sieg nun schon bis auf 35 Punkte an Hamilton heranrückt ist, so doch noch gefährlich werden. Dieses Szenario beschert dem Gegeneinander der beiden Mercedes-Fahrer, das seit dem ersten Testtag dieses Jahres wogt, eine ganz neue Brisanz. „Es werden sicher noch Gespräche kommen“, ahnt Rosberg, „wir müssen schauen, wie wir weiter verfahren.“ Teamchef Toto Wolff stellte in Belgien neue Regeln für ein geregeltes Miteinander in Aussicht. Wie die aber aussehen sollen, ist noch unklar.

Bei der Deutung des Vorfalls in Umlauf zwei auf dem Circuit Spa-Francorchamps ist inzwischen ein Streit der Regelgelehrten entbrannt. Rosberg-Treue verweisen auf einen Passus, der 2012 ins Reglement aufgenommen wurde und der besagt, dass der Vordermann eine Wagenbreite Platz lassen muss, wenn irgendein Teil eines anderen Autos neben ihm ist. Hamilton wiederum argumentiert: Auf der Strecke zählten Usancen mehr als Buchstaben. „Ihr könnt Fernando Alonso oder jeden anderen Fahrer fragen“, forderte er die Reporter in Spa auf, „sie werden alle sagen: So lange ein Auto nicht eine halbe Wagenlänge neben dir ist, gehört die Ideallinie dir.“

Als Kronzeuge wird von Hamilton Sebastian Vettel angeführt: Der Titelverteidiger versuchte in der ersten Runde, Hamilton an der gleichen Stelle zu überholen, sah, dass er nicht vorbeikommen würde – und steckte zurück. „Er wusste, was zu tun war“, so Hamilton, der sogar noch weitergeht: Nach dem Manöver sei er sich nicht mehr sicher, ob er Nico Rosberg überhaupt noch vertrauen könne. „Wenn du da draußen bist, musst du dich darauf verlassen können, dass die Leute ihren Kopf benutzen“, sagt Hamilton und – dem Drama nie ganz abgeneigt: Nach Rosbergs Auftritt in der Nachbesprechung wisse er wirklich nicht, „wie ich das nächste Rennen angehen soll“. In anderen Worten: Der Teamkollege sei für ihn nur noch bedingt zurechnungsfähig.

Lügner! Kopfloser! Dafür, dass die beiden sich zu Saisonbeginn noch als Freunde bezeichneten, hat sich ihre Beziehung erstaunlich entwickelt. Und Teamchef Wolff schwant bereits, dass noch einiges kommen könnte: „In der zweiten Saisonhälfte wird der Kampf intensiver.“

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