Die Jungsfrage:
Ich war neulich mit ein paar Freunden ein paar Tage im Urlaub. In einem Haus mit einem Pool, der Strand war auch nicht weit. Wir haben in diesen paar Tagen sehr viel gespielt. Wir haben die Frisbee und diverse Bälle am Strand und im Meer hin- und hergeworfen oder -geschossen. Wir haben über die vier Tage verteilt ein zehn-Loch-Frisbeegolf-Turnier gespielt. Wir haben Volleyball auf Schwimmtieren gespielt und den sehr bauchplatscherintensiven Miro-Klose-Flugkopfball-Ähnlichkeitswettbewerb erfunden.
Ich behaupte: Wären wir keine Jungs-, sondern eine Mädchengruppe gewesen, hätte nichts von alldem stattgefunden.
Euch scheint etwas zu fehlen, was den meisten von uns serienmäßig eingebaut ist: der Drang, nach Ankunft an einem Strand oder auf der Wiese eines Badesees möglichst bald irgendein Spielgerät zu werfen, zu schlagen oder zu treten. Für uns ist das grundlegender Bestandteil eines Bade- oder Strandtags, wie das Baden selbst, wie das Sonnen und wie der Gang zum Kiosk zwecks Eiserwerb. Welches Strandspiel wir spielen, ist dabei Nebensache. Sollte gar keines vorhanden sein, holen wir halt Tannenzapfen und einen Stock aus dem Wald und kreieren damit eine improvisierte Baseball-Variante.
Ihr habt diesen Drang offenbar nicht – oder ihr unterdrückt ihn aus uns unerklärlichen Gründen und das ziemlich konsequent. Wenn man euch spielend am Strand sieht, dann ausschließlich in der Pärchenkonstellation mit eurem Freund, der euch wahrscheinlich mit seinem Quengeln so lange genervt hat, bis ihr euch zu zehn Minuten Beachball bereiterklärt habt. Aber zwei Mädchen, die sich zum Beispiel ein Football-Ei zuwerfen? Unvorstellbar.
Bitte erklärt uns eure Strandspielabstinenz mal. Warum seid ihr am Strand und am See so zurückhaltend? Und warum sind es selbst diejenigen unter euch, die in ihrer Freizeit Tennis, Badminton, Hockey oder Basketball spielen? Legt es bei euch einen Schalter um, sobald ihre eine Liegewiese betretet? Könnt ihr eure Talente nur in der dafür vorgesehenen Umgebung einer Turnhalle zu Tage fördern? Ist euch der Sand zu heiß oder die Wiese zu grün? Mädchen, warum spielt ihr keine Strand-Spiele?
Auf der nächsten Seite: die Mädchenantwort von michele-loetzner
[seitenumbruch]Die Mädchenantwort von michele-loetzner:
Oh, wie ich es hasse, wenn eine Antwort schon von weitem nach Gender-Klischees stinkt. Jeder Satz, den ich beginne und dann wieder lösche, weil er vor Frauen-Männer-Mittelalterargumente strotzt, ekelt mich ein bisschen an. Aber hilft ja nichts, hier kommt die Wahrheit direkt aus der Frauen-haben-von-Natur-aus-kleinere-Hände-um-besser-in-den-Ecken-putzen-zu-können-Hölle:
Wir sind schlechte Verlierer. Genau wie ihr. Aber wir messen uns auch genauso gern mit anderen. Wie ihr. Der Mensch ist einfach ein Vergleichstier. Dazu braucht es aber eine annähernd ähnliche Ausgangssituation, sonst wird das Ergebnis ungerecht verfälscht. Und Fakt ist leider: Die ist hier selten gegeben, denn in einem körperlichen Wettstreit um Schnelligkeit, Muskelkraft und Ausdauer gewinnt meistens ihr.
Natürlich kennen wir Mädchen, die Jungs bei bestimmten Sportarten in die Tasche stecken, aber grundsätzlich ist ein Junge fast immer stärker und schneller. Das finden wir natürlich blöd und deshalb macht es uns auch keinen Spaß, uns mit euch zu messen. Wenn wir geschlechtergetrennt gegen euch spielen, verlieren wir wahrscheinlich. Wenn wir in eure Teams gemischt werden, bekommen wir seltener den Ball (beziehungsweise den Tannenzapfen), weil ihr nicht unseretwegen verlieren wollt. Dafür haben wir Verständnis. Deshalb haben wir für die Lokalität „Strand“ ein anderes, subtileres Tournament entworfen. Während ihr euch Tannenzapfen an die Köpfe schmeißt oder mit verbundenen Augen nach zehn Drehungen versucht, einen 50-Meter-Sprint zu machen über die einzige Strecke am Strand, wo fiese Steine im Sand liegen, sind wir nicht untätig.
Nein, unsere Turnier-Parameter sind lediglich andere. Da wird zum Beispiel gespielt: Wer hat den flacheren Bauch? Oder: Welches Dekolleté ist am definiertesten? Oder: Wer wird brauner, ohne Sonnenbrand zu bekommen? Oder: Wer hat am wenigsten Dellen an den Oberschenkeln?
All diesen oberflächlichen Dreck würden wir natürlich niemals laut aussprechen, denn dann hielten wir uns gegenseitig für fiese, blöde Kühe. Jene Competition findet dementsprechend still und leise statt: Wir vergleichen uns und sind uns im Anschluss eigentlich auch stillschweigend über den Gewinner einig. Maximal tuscheln wir in kleinen Teams. Eine Art Manöverkritik, wenn man so will. So groß ist der Unterschied zu euch gar nicht: Ihr tarnt euer Kräftemessen zwar als gemeinschaftliches Getue, aber am Ende wollt ihr doch nur rausfinden, wer von euch am schnellsten oder stärksten ist. Wir messen, wer von uns am schönsten ist. Beides ist leider mittelalterlicher, genderspezifischer Klischeekram.
Jetzt könntet ihr natürlich sagen: „Dann spielt doch gegeneinander und nicht gegen uns! Da könnt ihr Mädchen herausfinden, wer von euch schneller oder stärker ist!“ Wollen wir aber nicht. Strandspiele torpedieren nämlich unser eigenes Turnier. Beim Rumgehopse sehen die vielen Weichteile unseres Körpers nämlich meistens sehr unvorteilhaft aus. Die Dellen wabbeln noch delliger, die Brüste hüpfen möglicherweise asymmetrisch aus unseren Bikinis, das Höschen rutscht halbseitig zwischen unsere Pobacken, das zuvor kunstvoll sortierte Haupthaar klebt wirr an der Stirn. Ihr mögt das vielleicht sexy finden, für uns ist das der Zonk.
Bevor ihr jetzt aber Angst habt, dass dann in Zukunft keine großen Gemeinschaftsausflüge mehr drin sind: Es gibt natürlich trotzdem etwas, wo wir gerne mit euch spielen, weil wir uns dabei ebenbürtig messen können: Intelligenz. Die ist schließlich körperbauunabhängig. Deshalb sind wir bei folgenden Strandspielen sofort am Start: Alles mit Karten oder Würfel, Ratespiele, sämtliche Quizz-Duelle und Knutschen am Lagerfeuer. Bei Letzterem gewinnt nämlich auch der, der den anderen zuerst strategisch geknackt hat. Wollt ihr anfangen oder sollen wir?
Ich war neulich mit ein paar Freunden ein paar Tage im Urlaub. In einem Haus mit einem Pool, der Strand war auch nicht weit. Wir haben in diesen paar Tagen sehr viel gespielt. Wir haben die Frisbee und diverse Bälle am Strand und im Meer hin- und hergeworfen oder -geschossen. Wir haben über die vier Tage verteilt ein zehn-Loch-Frisbeegolf-Turnier gespielt. Wir haben Volleyball auf Schwimmtieren gespielt und den sehr bauchplatscherintensiven Miro-Klose-Flugkopfball-Ähnlichkeitswettbewerb erfunden.
Ich behaupte: Wären wir keine Jungs-, sondern eine Mädchengruppe gewesen, hätte nichts von alldem stattgefunden.
Euch scheint etwas zu fehlen, was den meisten von uns serienmäßig eingebaut ist: der Drang, nach Ankunft an einem Strand oder auf der Wiese eines Badesees möglichst bald irgendein Spielgerät zu werfen, zu schlagen oder zu treten. Für uns ist das grundlegender Bestandteil eines Bade- oder Strandtags, wie das Baden selbst, wie das Sonnen und wie der Gang zum Kiosk zwecks Eiserwerb. Welches Strandspiel wir spielen, ist dabei Nebensache. Sollte gar keines vorhanden sein, holen wir halt Tannenzapfen und einen Stock aus dem Wald und kreieren damit eine improvisierte Baseball-Variante.
Ihr habt diesen Drang offenbar nicht – oder ihr unterdrückt ihn aus uns unerklärlichen Gründen und das ziemlich konsequent. Wenn man euch spielend am Strand sieht, dann ausschließlich in der Pärchenkonstellation mit eurem Freund, der euch wahrscheinlich mit seinem Quengeln so lange genervt hat, bis ihr euch zu zehn Minuten Beachball bereiterklärt habt. Aber zwei Mädchen, die sich zum Beispiel ein Football-Ei zuwerfen? Unvorstellbar.
Bitte erklärt uns eure Strandspielabstinenz mal. Warum seid ihr am Strand und am See so zurückhaltend? Und warum sind es selbst diejenigen unter euch, die in ihrer Freizeit Tennis, Badminton, Hockey oder Basketball spielen? Legt es bei euch einen Schalter um, sobald ihre eine Liegewiese betretet? Könnt ihr eure Talente nur in der dafür vorgesehenen Umgebung einer Turnhalle zu Tage fördern? Ist euch der Sand zu heiß oder die Wiese zu grün? Mädchen, warum spielt ihr keine Strand-Spiele?
Auf der nächsten Seite: die Mädchenantwort von michele-loetzner
[seitenumbruch]Die Mädchenantwort von michele-loetzner:
Oh, wie ich es hasse, wenn eine Antwort schon von weitem nach Gender-Klischees stinkt. Jeder Satz, den ich beginne und dann wieder lösche, weil er vor Frauen-Männer-Mittelalterargumente strotzt, ekelt mich ein bisschen an. Aber hilft ja nichts, hier kommt die Wahrheit direkt aus der Frauen-haben-von-Natur-aus-kleinere-Hände-um-besser-in-den-Ecken-putzen-zu-können-Hölle:
Wir sind schlechte Verlierer. Genau wie ihr. Aber wir messen uns auch genauso gern mit anderen. Wie ihr. Der Mensch ist einfach ein Vergleichstier. Dazu braucht es aber eine annähernd ähnliche Ausgangssituation, sonst wird das Ergebnis ungerecht verfälscht. Und Fakt ist leider: Die ist hier selten gegeben, denn in einem körperlichen Wettstreit um Schnelligkeit, Muskelkraft und Ausdauer gewinnt meistens ihr.
Natürlich kennen wir Mädchen, die Jungs bei bestimmten Sportarten in die Tasche stecken, aber grundsätzlich ist ein Junge fast immer stärker und schneller. Das finden wir natürlich blöd und deshalb macht es uns auch keinen Spaß, uns mit euch zu messen. Wenn wir geschlechtergetrennt gegen euch spielen, verlieren wir wahrscheinlich. Wenn wir in eure Teams gemischt werden, bekommen wir seltener den Ball (beziehungsweise den Tannenzapfen), weil ihr nicht unseretwegen verlieren wollt. Dafür haben wir Verständnis. Deshalb haben wir für die Lokalität „Strand“ ein anderes, subtileres Tournament entworfen. Während ihr euch Tannenzapfen an die Köpfe schmeißt oder mit verbundenen Augen nach zehn Drehungen versucht, einen 50-Meter-Sprint zu machen über die einzige Strecke am Strand, wo fiese Steine im Sand liegen, sind wir nicht untätig.
Nein, unsere Turnier-Parameter sind lediglich andere. Da wird zum Beispiel gespielt: Wer hat den flacheren Bauch? Oder: Welches Dekolleté ist am definiertesten? Oder: Wer wird brauner, ohne Sonnenbrand zu bekommen? Oder: Wer hat am wenigsten Dellen an den Oberschenkeln?
All diesen oberflächlichen Dreck würden wir natürlich niemals laut aussprechen, denn dann hielten wir uns gegenseitig für fiese, blöde Kühe. Jene Competition findet dementsprechend still und leise statt: Wir vergleichen uns und sind uns im Anschluss eigentlich auch stillschweigend über den Gewinner einig. Maximal tuscheln wir in kleinen Teams. Eine Art Manöverkritik, wenn man so will. So groß ist der Unterschied zu euch gar nicht: Ihr tarnt euer Kräftemessen zwar als gemeinschaftliches Getue, aber am Ende wollt ihr doch nur rausfinden, wer von euch am schnellsten oder stärksten ist. Wir messen, wer von uns am schönsten ist. Beides ist leider mittelalterlicher, genderspezifischer Klischeekram.
Jetzt könntet ihr natürlich sagen: „Dann spielt doch gegeneinander und nicht gegen uns! Da könnt ihr Mädchen herausfinden, wer von euch schneller oder stärker ist!“ Wollen wir aber nicht. Strandspiele torpedieren nämlich unser eigenes Turnier. Beim Rumgehopse sehen die vielen Weichteile unseres Körpers nämlich meistens sehr unvorteilhaft aus. Die Dellen wabbeln noch delliger, die Brüste hüpfen möglicherweise asymmetrisch aus unseren Bikinis, das Höschen rutscht halbseitig zwischen unsere Pobacken, das zuvor kunstvoll sortierte Haupthaar klebt wirr an der Stirn. Ihr mögt das vielleicht sexy finden, für uns ist das der Zonk.
Bevor ihr jetzt aber Angst habt, dass dann in Zukunft keine großen Gemeinschaftsausflüge mehr drin sind: Es gibt natürlich trotzdem etwas, wo wir gerne mit euch spielen, weil wir uns dabei ebenbürtig messen können: Intelligenz. Die ist schließlich körperbauunabhängig. Deshalb sind wir bei folgenden Strandspielen sofort am Start: Alles mit Karten oder Würfel, Ratespiele, sämtliche Quizz-Duelle und Knutschen am Lagerfeuer. Bei Letzterem gewinnt nämlich auch der, der den anderen zuerst strategisch geknackt hat. Wollt ihr anfangen oder sollen wir?