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Wie Couch-Surfing, nur mit Zelt

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Zelten im Garten von Fremden: Das ist das Prinzip einer Website aus Großbritannien, die allmählich auch in Deutschland beliebter wird. Der Nachfolger von Couchsurfing? Unser Autor hat es ausprobiert.

Die Idee von Campinmygarden ist simpel: Reisende können in den Gärten angemeldeter Mitglieder ihr Zelt aufstellen. Normalerweise verlangen die Gastgeber wenig bis kein Geld. Die Standards reichen vom "bamping", dem einfachen Camping, bis hin zum glamourösen "glamping“. Bisher liegen die meisten Plätze in Großbritannien. Außerhalb Europas gibt es nur wenige Angebote - darunter aber auch einen Anbieter auf den Fidji-Inseln und einen Garten im Iran.

16:19 Uhr
Die Regionalbahn hat Rohrbach passiert und draußen geht die Welt unter. Regen, Pfützen, Wolken, soweit ich sehen kann. Der junge Mann, der mir gegenüber sitzt, versucht anscheinend gerade zu erraten, wo ich meinen Urlaub verbringen werde. Dafür, dass ich nur eine Nacht campieren will, habe ich viel dabei. Zelt, Schlafsack, Isomatte, Decke, Extradecke, zwei Pullover zum Drüberziehen.  

Das ganze Zeug ist die einzige Sicherheit, an die ich mich klammern kann. Zelten ist nicht das Problem, darin bin ich geübt. Ich frage mich aber Grundlegenderes: Was sind das wohl für Leute, die andere im Garten zelten lassen? Auf der Webseite gab es ausgerechnet von meinem Ziel keine Bilder. Alles, was ich weiß, ist: Ich werde heute Nacht bei Tobi und Johanna im Garten schlafen. Er ist 35, sie 27. Außer mir werden noch zwei 18-Jährige Abiturienten die Nacht dort verbringen.

Alle, denen ich erzählt habe, dass ich heute Nacht in Ingolstadt in einem Vorgarten zelte, haben den Kopf geschüttelt. Und natürlich, es ist ja auch eine seltsame Idee: Im Garten zelten, das kenne ich nur aus der Kindheit. Eine Nacht im Garten der Großmutter, eingerahmt von Tannenbäumen, das war für mich als 9-Jähriger ein riesiges Abenteuer. Schlafen in der Dunkelheit, außerhalb des sicheren Hauses – gleichzeitig aber doch immer die Terrassentür in Sichtweite, um fliehen zu können. Ich frage mich: Wie fühlt es sich an, das als Erwachsener nochmal zu tun? 



Zelten neben der Sichtschutzwand: Das orangefarbene Zelt gehört unserem Autoren.


16:53 Uhr Um Fünf soll ich da sein, ich sehe mich noch ein bisschen in der Gegend um. Klassischer Vorort, Neubauhäuser, alle mit kleinem Garten. Bei jedem Haus, das ich passiere, versuche ich mir vorzustellen, wie es wohl aussähe, wenn ich mein kleines gelbes Zelt dort aufschlagen würde. Was die Nachbarn denken würden, wenn sie bei Dauerregen einen Camper nebenan im Garten entdecken. Dann stehe ich vor dem weißen Reihenhaus. Ich gucke nochmal auf meinen Schmierzettel, um mich zu vergewissern. Nichts deutet auf die Mitgliedschaft bei einer Zelt-Plattform hin. Alles ganz normal, außer, dass es keine Klingel gibt. Ich klopfe gegen die Scheibe.  

17:19 Uhr Ich sitze im Wohnzimmer, alles aus Holz, es sieht aus wie im Ausstellungsraum eines Möbelladens. Seit 15 Minuten unterhalte ich mich jetzt schon mit Tobi und Johanna. Die beiden wirken aufgeschlossen, sportlich, nett - ein sympathisches Surfer-Pärchen. Sie erzählen, dass sie vor ein paar Monaten auf Neuseeland mit einem Van unterwegs waren. Ein Dorf, in dem sie Silvester feiern wollten, war restlos überfüllt. Ein Wildfremder ließ sie dann in seinem Grundstück übernachten - sie hatten eine prima Zeit. Wieder in Deutschland fand Johanna einen Link auf ihrer Timeline zu campinmygarden.com und sie meldeten sich an. Im Gegensatz zu der älteren und sehr viel größeren Plattform Couchsurfing, auf der Menschen ihre Couch zum Übernachten anbieten, finden sie den Gedanken angenehmer, der unbekannte Gast schlafe im Garten. Ich frage mich, wann sie mich in den Garten schicken und hinter mir die Tür verriegeln.  

18:24 Uhr Mein Zelt steht und ist fertig eingerichtet. Es hat aufgehört zu regnen.  

18:49 Uhr Die beiden Gastgeber und ich bereiten den Grill vor. Ja: Sie haben einen Grillabend für mich und die anderen Campinggäste geplant. Ein befreundetes Pärchen ist auch noch gekommen. Hätte ich vorher etwas von gefüllten Champignons, Spargel, Mais oder Kräuterbaguette gewusst, hätte ich mir die drei Butterbrezeln am Bahnhof geschenkt.  

19:12 Uhr Tobi will nicht länger warten mit dem Grillen, ist zu hungrig. Aber die beiden Abiturienten, die mit dem Fahrrad kommen, sind noch 30 Kilometer entfernt. Tobi steigt in seinen VW-Bus, um sie abzuholen.  



Franks Zelt steht. Die Gastgeber haben ihm inzwischen schon Hausschuhe gegeben.


20:01 Uhr Als die beiden im Garten von Johanna und Tobi ankommen, sind sie müde, hungrig und durchgefroren. Sie sehen so aus, als rechneten sie mit nichts, außer einem Platz hinterm Haus, wo sie ihr Zelt aufstellen können. Wenn die wüssten, welcher Luxus sie hier erwartet. In den grünen Wollhausschuhen, die mir Johanna gegeben hat, fühle ich mich mittlerweile fast schon als Hausherr.  

20:42 Uhr "Das ist bisher das definitiv beste Essen auf unserer Tour", brummt der eine Abiturient mit vollem Mund. Vor acht Tagen sind er und sein Freund in ihrer Heimat Mühlheim an der Ruhr gestartet. Sie wollen noch bis nach Klagenfurt fahren. Gestern haben sie bei einer Frau im Schrebergarten übernachtet. Eine warme Dusche, wie bei Johanna und Tobi, gab es nicht. Nur einen Gartenschlauch zum Abspritzen.

21:33 Uhr Wir laufen über das Ingolstädter Volksfest und feuern uns gegenseitig beim "Camel Race" an. Am Ende haben die beiden Abiturienten ein kleines Plüschkamel gewonnen. Später trinken wir gemeinsam aus drei Maßkrügen, tanzen auf den Bierbänken im Festzelt und schießen Gruppenfotos mit unseren Smartphones.  



Die beiden Abiturienten wollen von Mühlheim an der Ruhr bis nach Klagenfurt radeln.


23:04 Uhr Wir sind gerade zurückgekehrt, da sagt Johanna einen Satz, für den ich sie am liebsten umarmen würde: "Wenn es zu kalt wird, kommt einfach rein und sucht euch einen Platz auf der Couch." Aber ich bin ja extra wegen des Zeltens hier. Und weil die beiden Abiturienten zielstrebig die Balkontür nach draußen verlassen, ziehe ich mit.  

23:19 Uhr Bei dieser Saukälte kann doch keiner schlafen. Im Wetterbericht hatten sie regnerische vier Grad  für die Nacht vorausgesagt. Trotz zweier Decken über meinem Schlafsack bibbere ich vor mich hin. Zwiebeltechnik hilft gar nichts. Aus dem Nachbarzelt glaube ich schon erste Schnarchgeräusche zu hören. Und drinnen ist es so schön warm, die Tür nur angelehnt. Aber jetzt wieder aus dem Schlafsack pellen? Nein. Augen zu und durch.  

5:44 Uhr Ich wache auf, mein Atem ist sichtbar. Ich muss ganz dringend aufs Klo. Das bedeutet, ich muss durch den Garten stapfen. Kurz überlege ich, ob mein Körper den Harndrang nur vortäuscht, um mich vor dem sicheren Kältetod zu bewahren.  

6:37 Uhr Finde mich auf der Couch im Wohnzimmer wieder. Nach dem Gang zur Toilette wollte ich mich doch nur ganz kurz hinsetzen und aufwärmen. Da liege ich nun, eingekuschelt in zwei Decken. Was zählt ist die Mission, denke ich, und trete den Rückweg ins Freie an. Hoffentlich hat mich keiner gehört oder gesehen. Der Abstecher auf die Kuschelcouch soll mein Geheimnis bleiben.  

9:22 Uhr Es gibt Semmeln, Kaffee, Tee, Speck und Müsli. Ich bin unfassbar dankbar für das großartige Frühstück. Aber was noch mehr zählt: Ich darf wieder drinnen sitzen. Kurz darauf packen wir Camper unsere Zelte zusammen. Und was macht Gastgeber Tobi? Er ölt noch schnell die Fahrradketten der Abiturienten.      

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