Wer hier zum Übernachten vorbeikommt, hat oft große Sorgen. Aber das wissen wir noch nicht, als wir auf das dominikanische Frauenkloster Arenberg zulaufen. Wir flüstern.
Lisa: „Sieht aus wie ein Enid-Blyton-Mädcheninternat, auf das auch Hanni und Nanni gehen könnten.“
Steffi: „Stimmt. Aber warum flüstern wir eigentlich?“
[plugin bildergalerie Bild5="Die traurigsten Gedanken findet man im Versöhungsbuch der Kapelle" Bild2="Schwester Beatrix vor dem Kloster" Bild3="Selbstfindungs-Selbstversuch: Lisa im Raum der Stille" Bild4="Blick vom Dach des Klosters auf Koblenz"]
Unser Übernachtungsort wurde wie immer von den Lesern bestimmt. Claudia hat uns per Twitter ins Kloster in Koblenz geschickt. Wir mochten die Idee, weil es wohl der letzte Ort wäre, an dem wir freiwillig übernachten würden. Wir fühlen uns unheilig. Wie verhält man sich in einem Kloster? Welche Geheimnisse birgt die Klosternacht?
Das hier ist kein gewöhnliches Kloster. Es wirbt auf seiner Internetseite neumodisch mit einem „Time-Out“ für Besucher. Es gibt eine Sauna, eine Paartherapeutin und einen Raum der Stille. Klingt nach einer Mischung aus Gott und Wellness. Einer teuren Mischung: Etwa 100 Euro kostet die Nacht pro Person. In der Vitrine am Eingang begrüßt uns das Buch „Erleuchtung in der Kaffeetasse“. Ist das hier ein Ort für Esoteriker und Superchristen oder werden wir uns wohl fühlen?
Schwester Beatrix kommt auf uns zu. Sie gehört zur Hausleitung. Großes Lachen, weißes Nonnengewand, Rosenkranz auf Hüfthöhe. Sie erzählt uns, dass wir sie eigentlich kennen müssten. Aus dem Fernsehen. Sie sei bekannt als die Fußballnonne, die zum WM-Finale Freibier für alle ausgeschenkt hat und mit einem schwarz-rot-goldenen Fanschal für einen ZDF-Reporter kluge Tipps an Jogi Löw gegeben hat.
Schwester Beatrix ist das Gegenteil von leise. Trotzdem empfiehlt sie uns, hier zur Ruhe zu kommen. Wir gehen zur Meditation, wo wir auf die Nacht eingestimmt werden sollen.
Eine halbe Stunde stillhalten, schweigen und bestenfalls nichts denken. Wir versuchen es. Aber wir sind die Unruhigsten im Raum. Vielleicht bessert sich das beim stillen Abendessen (Zucchinisalat, Pellkartoffeln, Wackelpudding). Im Essenssaal gibt es einen Bereich für Gäste, die keinen Bock auf Reden haben. Wir setzen uns zu ihnen. Unsere Sitznachbarin begrüßt uns mit den Augen, das Paar am Nachbartisch kommuniziert, indem es mit den Fingern Wörter auf die Tischdecke malt. Schwester Beatrix erzählt uns danach, warum die Menschen hierherkommen. Trauer, Beziehungsnöte, Mobbing, gestresstes Managerleben. Hier können sie sich zurückziehen. Wer auch außerhalb des Essens den Mund halten will, kriegt einen „Schweigebutton“. Der signalisiert den anderen Gästen: „Sprich mich nicht an!“. Wir gewöhnen uns langsam an die Ruhe.
Warum ist es so wichtig, dass es hier still ist? „Damit der Mensch nach innen schauen kann. Wir kennen nämlich nur das Laute“, sagt Schwester Beatrix. Deshalb sei es auch wichtig, über Nacht zu bleiben. Abends vorm Schlafengehen soll man noch einmal den Tag durchgehen und seine Sorgen ablegen.
Sie empfiehlt uns, auf die Dachterrasse und in den Klosterkeller zu gehen. Zwecks Sonnenuntergang, beziehungsweise Alkohol. Oben sitzen die Frauen, unten die Männer. Wobei unter den Klostergästen viel mehr Frauen sind. Vielleicht weil es von Nonnen geleitet wird.
Sind die eigentlich alle gläubig? Schwester Beatrix sagt, das sei egal. „Wer kommt, ist da. Ob katholisch, ob homo, verheiratet oder nicht. Wir fragen da nicht nach.“ In einer Zeit, in der die katholische Kirche mit Imageproblemen, Missbrauchsskandalen und Kirchenaustritten kämpft, strömen hier die Ich-Suchendenden vorbei. 99 Betten gibt es, fast 90 sind an diesem Wochenende belegt. Die Leute, die herkommen sind zwischen 20 und 100 Jahre alt. Christian Wulff war auch schon hier. Am Kaninchenstall hängt ein Foto von ihm.
Als das Kloster vor mehr als zehn Jahren umgebaut wurde und der Wellness-Bereich dazukam, haben sich einige Nonnen gefragt, ob das in Ordnung ist: „Werden wir jetzt eine Spaßgesellschaft?“ Schwester Beatrix sagt, damals wurde entschieden, dass man hier nicht den eigenen Untergang verwalten will, sondern was Neues ausprobieren möchte. Alles etwas ungewöhnlich für die katholische Kirche. Gehen die Nonnen eigentlich auch in die Sauna? Nackt? Ja, aber erst wenn die Gäste im Bett sind.
Wir besuchen unsere letzte Station vor dem Schlafengehen: Die Kapelle auf dem Dach aus Beton und Glasbausteinen. Sie hat die ganze Nacht geöffnet. Wir finden das Versöhnungsbuch, in das Menschen ihre traurigsten Gedanken kritzeln.
Unten, im Zimmer, ist das Kloster wieder eher Hotel. Nur mit Kreuz über dem Bett und frommen Spruch auf dem Kopfkissen. Für Schwester Beatrix ist die Nacht normalerweise um 5:15 Uhr vorbei. Morgengebet. Diese Nacht bleibt sie liegen, dienstags darf sie ausschlafen.
Als wir das Kloster verlassen, fragt uns ein Mann „Na, im Kloster abgechillt?“ „Wir haben da gearbeitet,“ sagen wir. „Seid ihr die neuen Nonnen?“
Die Nacht war überraschend okay. Aber so weit wird es nicht kommen.
Wo und was sollen die Crowdspondent-Reporterinnen in den nächsten Wochen recherchieren? An welchen ungewöhnlichen Orten könnten und sollten sie dabei übernachten? Schickt sie schlafen! Hier in den Kommentaren oder per jetzt-Botschaft, oder per Facebook, Twitter oder crowdspondent.de.
Lisa: „Sieht aus wie ein Enid-Blyton-Mädcheninternat, auf das auch Hanni und Nanni gehen könnten.“
Steffi: „Stimmt. Aber warum flüstern wir eigentlich?“
[plugin bildergalerie Bild5="Die traurigsten Gedanken findet man im Versöhungsbuch der Kapelle" Bild2="Schwester Beatrix vor dem Kloster" Bild3="Selbstfindungs-Selbstversuch: Lisa im Raum der Stille" Bild4="Blick vom Dach des Klosters auf Koblenz"]
Unser Übernachtungsort wurde wie immer von den Lesern bestimmt. Claudia hat uns per Twitter ins Kloster in Koblenz geschickt. Wir mochten die Idee, weil es wohl der letzte Ort wäre, an dem wir freiwillig übernachten würden. Wir fühlen uns unheilig. Wie verhält man sich in einem Kloster? Welche Geheimnisse birgt die Klosternacht?
Das hier ist kein gewöhnliches Kloster. Es wirbt auf seiner Internetseite neumodisch mit einem „Time-Out“ für Besucher. Es gibt eine Sauna, eine Paartherapeutin und einen Raum der Stille. Klingt nach einer Mischung aus Gott und Wellness. Einer teuren Mischung: Etwa 100 Euro kostet die Nacht pro Person. In der Vitrine am Eingang begrüßt uns das Buch „Erleuchtung in der Kaffeetasse“. Ist das hier ein Ort für Esoteriker und Superchristen oder werden wir uns wohl fühlen?
Schwester Beatrix kommt auf uns zu. Sie gehört zur Hausleitung. Großes Lachen, weißes Nonnengewand, Rosenkranz auf Hüfthöhe. Sie erzählt uns, dass wir sie eigentlich kennen müssten. Aus dem Fernsehen. Sie sei bekannt als die Fußballnonne, die zum WM-Finale Freibier für alle ausgeschenkt hat und mit einem schwarz-rot-goldenen Fanschal für einen ZDF-Reporter kluge Tipps an Jogi Löw gegeben hat.
Schwester Beatrix ist das Gegenteil von leise. Trotzdem empfiehlt sie uns, hier zur Ruhe zu kommen. Wir gehen zur Meditation, wo wir auf die Nacht eingestimmt werden sollen.
Eine halbe Stunde stillhalten, schweigen und bestenfalls nichts denken. Wir versuchen es. Aber wir sind die Unruhigsten im Raum. Vielleicht bessert sich das beim stillen Abendessen (Zucchinisalat, Pellkartoffeln, Wackelpudding). Im Essenssaal gibt es einen Bereich für Gäste, die keinen Bock auf Reden haben. Wir setzen uns zu ihnen. Unsere Sitznachbarin begrüßt uns mit den Augen, das Paar am Nachbartisch kommuniziert, indem es mit den Fingern Wörter auf die Tischdecke malt. Schwester Beatrix erzählt uns danach, warum die Menschen hierherkommen. Trauer, Beziehungsnöte, Mobbing, gestresstes Managerleben. Hier können sie sich zurückziehen. Wer auch außerhalb des Essens den Mund halten will, kriegt einen „Schweigebutton“. Der signalisiert den anderen Gästen: „Sprich mich nicht an!“. Wir gewöhnen uns langsam an die Ruhe.
Warum ist es so wichtig, dass es hier still ist? „Damit der Mensch nach innen schauen kann. Wir kennen nämlich nur das Laute“, sagt Schwester Beatrix. Deshalb sei es auch wichtig, über Nacht zu bleiben. Abends vorm Schlafengehen soll man noch einmal den Tag durchgehen und seine Sorgen ablegen.
Christian Wulff war auch schon hier. Von ihm hängt ein Foto am Kaninchenstall.
Sie empfiehlt uns, auf die Dachterrasse und in den Klosterkeller zu gehen. Zwecks Sonnenuntergang, beziehungsweise Alkohol. Oben sitzen die Frauen, unten die Männer. Wobei unter den Klostergästen viel mehr Frauen sind. Vielleicht weil es von Nonnen geleitet wird.
Sind die eigentlich alle gläubig? Schwester Beatrix sagt, das sei egal. „Wer kommt, ist da. Ob katholisch, ob homo, verheiratet oder nicht. Wir fragen da nicht nach.“ In einer Zeit, in der die katholische Kirche mit Imageproblemen, Missbrauchsskandalen und Kirchenaustritten kämpft, strömen hier die Ich-Suchendenden vorbei. 99 Betten gibt es, fast 90 sind an diesem Wochenende belegt. Die Leute, die herkommen sind zwischen 20 und 100 Jahre alt. Christian Wulff war auch schon hier. Am Kaninchenstall hängt ein Foto von ihm.
Als das Kloster vor mehr als zehn Jahren umgebaut wurde und der Wellness-Bereich dazukam, haben sich einige Nonnen gefragt, ob das in Ordnung ist: „Werden wir jetzt eine Spaßgesellschaft?“ Schwester Beatrix sagt, damals wurde entschieden, dass man hier nicht den eigenen Untergang verwalten will, sondern was Neues ausprobieren möchte. Alles etwas ungewöhnlich für die katholische Kirche. Gehen die Nonnen eigentlich auch in die Sauna? Nackt? Ja, aber erst wenn die Gäste im Bett sind.
Wir besuchen unsere letzte Station vor dem Schlafengehen: Die Kapelle auf dem Dach aus Beton und Glasbausteinen. Sie hat die ganze Nacht geöffnet. Wir finden das Versöhnungsbuch, in das Menschen ihre traurigsten Gedanken kritzeln.
Unten, im Zimmer, ist das Kloster wieder eher Hotel. Nur mit Kreuz über dem Bett und frommen Spruch auf dem Kopfkissen. Für Schwester Beatrix ist die Nacht normalerweise um 5:15 Uhr vorbei. Morgengebet. Diese Nacht bleibt sie liegen, dienstags darf sie ausschlafen.
Als wir das Kloster verlassen, fragt uns ein Mann „Na, im Kloster abgechillt?“ „Wir haben da gearbeitet,“ sagen wir. „Seid ihr die neuen Nonnen?“
Die Nacht war überraschend okay. Aber so weit wird es nicht kommen.
Wo und was sollen die Crowdspondent-Reporterinnen in den nächsten Wochen recherchieren? An welchen ungewöhnlichen Orten könnten und sollten sie dabei übernachten? Schickt sie schlafen! Hier in den Kommentaren oder per jetzt-Botschaft, oder per Facebook, Twitter oder crowdspondent.de.