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Zaudern und zieren

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In dem Unternehmen von Saskia Biskup arbeiten 80 Menschen. 70 Prozent davon sind Frauen. Und so fällt die Antwort, die Biskup auf die Frage, ob Innovation weiblich ist, knapp aus: „Offensichtlich“, sagt die Unternehmerin. Denn Cegat, ein Dienstleister, der Erbinformationen entschlüsselt und diese Daten medizinisch auswertet, wurde von vielen für seine Innovationskraft gerühmt, zuletzt mit dem europäischen Erfinderpreis ausgezeichnet.



Immer noch zu selten: Frauen in männerdominierten Führungsgremien

Aber Biskup schickt ihrer knappen Antwort an diesem Abend ein Lachen hinterher. Sie ist zu klug, um solche Zuspitzung ernst zu nehmen. Zu klug, um nicht abzuwägen. Und sie ist nur eine von 30 klugen Frauen, die zum ersten Ladies Dinner der Süddeutschen Zeitung gekommen sind. Um zu diskutieren, was Innovationen ausmacht – und wie Frauen sich dabei stärker einbringen können.

Biskup selbst hatte zunächst einmal ein Problem: Für ihre humangenetischen Forschungen fehlte es ihr an technischer Ausrüstung. Die Idee, ein Unternehmen zu gründen, das dieses Problem löst, hatte dann ihr Mann. Ist das schlimm? Biskup schüttelt den Kopf. Ihr Mann, studierter Betriebswirt, sorgt für die Kostendisziplin in dem vor fünf Jahren gegründeten Unternehmen. „Ich hätte das Geld in kürzester Zeit ausgegeben und den Laden an die Wand gefahren“, erzählt die Gründerin. Ihr Mann brachte auch die Zuversicht mit. „Im Nachhinein sieht das alles wie ein Selbstläufer aus. Aber ich hatte zwei Jahre lang Existenzängste mit schlaflosen Nächten“, erinnert sich Biskup. Ihre halbe Stelle als Chefärztin in Stuttgart ist das, was von der Sorge um eine mögliche Absicherung noch geblieben ist.

Auch Ann-Kristin Achleitner ist eine Frau, die es geschafft hat. Bei drei Dax-Konzernen sitzt die Ökonomin im Aufsichtsrat. Unter anderem beim Handelskonzern Metro. Und ausgerechnet an diesem Abend muss sie sich nun anhören und ansehen, wie eine andere Frau, Julia Bösch, ihren Herrenausstatter Outfittery vorführt. Das Berliner Start-up hat die Stärken des stationären Handels, nämlich die persönliche Beratung, erfolgreich ins Internetzeitalter übertragen. Das muss eine Wächterin über einen traditionellen Handelskonzern doch nervös machen.

Doch Achleitner nutzt den Abend ihrerseits, um die junge Unternehmerin Bösch zu umgarnen: Ob sie Interesse an einem Posten in einem Aufsichtsrat hätte? So entkräftet Achleitner nebenbei das Vorurteil, Frauen verstünden nichts vom Netzwerken. Und sie wirbt für eines ihrer Anliegen: „Die deutschen Konzerne beschäftigen sich viel zu wenig mit der Frage, wie die Digitalisierung die Wirtschaft verändert“, sagt Achleitner. Und dass diese Frage eine ist, mit der sich Frauen in den Aufsichtsgremien einbringen könnten. Nicht zuletzt, weil die alten Männer davon zu wenig verstehen.

„Die männliche Normalbiografie ist noch immer das Modell für Führungskräfte. Und das Wissen darüber, wann die neue Stelle frei wird, liegt ebenfalls in Männerhand“, sagt Susanne Ihsen, die an der Technischen Universität München zu Genderfragen in den Ingenieurwissenschaften forscht. Und was machen die Frauen? Wollen sich verwirklichen, wollen entdeckt werden, wollen nur keine Quotenfrau sein. Der Professorin Ihsen gefällt das gar nicht: „Die Frauen sollten sich manchmal etwas weniger zieren.“

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