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München – Medikamente sind von unschätzbarem Wert, weil sie uns vor Krankheiten schützen. Autos auch, weil sie uns von einem Ort an den anderen bringen. Und dann gibt es noch Windturbinen – wichtig für den Umweltschutz. Aber einem Studienfreund am anderen Ende der Welt mitzuteilen, dass man in einen Badesee gesprungen ist? Nicht ganz so wichtig.



Warum hat es Facebook auf einen Börsenwert von 138 Milliarden Euro gebracht?

Wie kann es also sein, dass ein digitales Netzwerk an der Börse so viel mehr wert ist als die größten deutschen Industriekonzerne? Auf einen Börsenwert von 138 Milliarden Euro hat es Facebook nun gebracht. Doppelt so viel wie zum Zeitpunkt des Börsengangs vor zwei Jahren. Und auch fast doppelt so viel wie der Autohersteller Volkswagen, das Pharmaunternehmen Bayer oder der Industriekonzern Siemens.
Wer verstehen will, was Facebook so wertvoll macht, der muss sich auf einen Bahnhof stellen – und die Leute beobachten, was sie machen, wenn sie auf den Zug warten. Sie blicken nicht auf die Plakatwand gegenüber dem Gleise, sie blättern nur selten durch Zeitschriften. Sie starren auf ihr Smartphone. Sie loggen sich bei Facebook ein, schauen, was ihre Freunde gerade so machen, „sharen“ und „liken“ ein paar von den Dingen, die gerade so durchs Netz schwirren.

Facebook hat es geschafft, die Aufmerksamkeit der Menschen zu gewinnen. Das ist in dieser Zeit, in der es doch so viel Ablenkung gibt, von unschätzbarem Wert. Zumal für Facebook: Denn das US-Unternehmen macht sein Geld mit Werbung. Und Werbung braucht Aufmerksamkeit.

Sport Chek zum Beispiel, der größte Händler von Sportausrüstung in Kanada, hat mehr als 90 Jahre auf Werbeblätter gesetzt, um die Aufmerksamkeit seiner Kundschaft zu gewinnen. Kürzlich haben sie sich von den Blättchen verabschiedet. Zwei Wochen lang haben sie ihr Werbebudget allein in Anzeigen im Netz gesteckt. Zu Testzwecken. Die Verkäufe zogen deutlich an. Vor allem jene Dinge, die bei Facebook beworben wurden, waren gefragt. Und deshalb werden sie bei Sport Chek ihre Marketingausgaben nun nach und nach verschieben. Weg von den Blättchen, hin zu Facebook.

Die Strategen des Sporthändlers sind nicht die einzigen, die die Art und Weise, wie sie ihre Kundschaft locken, gerade grundlegend überdenken. Die Marktforscher von eMarketer schätzen, dass in diesem Jahr die Unternehmen in den USA erstmals mehr Geld für Anzeigen auf mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets ausgeben als für Annoncen in Zeitungen oder Werbespots im Radio. Fast ein Fünftel dieses Budgets von immerhin 17,7 Milliarden Dollar wird sich dieser Prognose nach Facebook sichern können. Zwar kommt das soziale Netzwerk damit noch immer nicht an die Größe von Google heran. Auf den Seiten der Suchmaschine und vielen anderen Internetdiensten des Konzerns landen fast 40 Prozent dieser Werbeausgaben. Noch.

Denn im gleichen Maße, wie sich Facebook im Laufe dieses Jahres bereits ein immer größeres Stück dieses Budgets gesichert hat, ist der Vorsprung von Google gesunken. Das ist schon allein deshalb erstaunlich, weil ausgerechnet die Schwäche im Anzeigengeschäft auf den mobilen Geräten noch vor zwei Jahren als Problembereich von Facebook galt. Als der Konzern den Schritt aufs Börsenparkett wagte, gab es noch gar keine Anzeigen in der App. Und als das Unternehmen sie etwas später einführte, murrten die Kritiker: Damit lasse sich kaum etwas verdienen. Die Bildschirme der Telefone seien so viel kleiner als die der Computer – und deshalb könne man auch nicht so viel von seinen Anzeigenkunden dafür verlangen. Nun hat Facebook den Gegenbeweis angetreten. 1,5 Millionen Werbekunden, und zwar in allen Teilen der Welt, zählt Facebook inzwischen. Nur knapp die Hälfte seiner Erlöse macht das Unternehmen in der Heimat.

Und noch in einem anderen Punkt hat Facebook seine Kritiker überzeugen können: Immer wieder hieß es, dass Facebook bei jungen Leuten nicht mehr angesagt sei. Oder dass die Menschen Facebook ihr Vertrauen entziehen würden. Doch allein in den vergangenen drei Monaten haben sich 40 Millionen neue Mitglieder bei dem sozialen Netzwerk angemeldet. Mehr als 800 Millionen Menschen sind täglich in dem sozialen Netzwerk unterwegs. Auch diese Kennziffer macht es für das Unternehmen einfacher, Werbekunden davon zu überzeugen, noch ein paar Anzeigen zu schalten. Denn so wie eine Litfaßsäule eben an einer Straßenkreuzung und nicht in einer Nebenstraße steht, so werden Anzeigen eben auch in dem sozialen Netzwerk platziert, in dem sich besonders viele Leute austauschen. Zum Vergleich: Das deutsche Pendant Xing kommt gerade einmal auf einen Börsenwert von 507 Millionen Euro.

Ausruhen kann sich Facebook auf diesem schönen Polster nicht. Zwar muss der Internetkonzern nicht wie Siemens oder Volkswagen in teure Fabriken investieren, auch nicht wie Bayer in die kostspielige Forschung. Das Verhältnis zwischen dem Aktienkurs und dem zu erwartenden Gewinn von Facebook ist auch deshalb so viel größer als bei den etablierten deutschen Konzernen, weil das Unternehmen gerade einmal zehn Jahre alt ist. Es konnte noch nicht so viel auf die hohe Kante legen wie Apple oder Google. Und es muss weiter wachsen.

Aufmerksamkeit ist ein wertvolles Gut. Allein die Sorge, die Leute könnten sich demnächst mehr bei Whatsapp rumtreiben als bei Facebook, hat den Konzern zu einer kostspieligen Investition getrieben: Für 19 Milliarden Dollar hat er im Februar den Messaging-Dienst übernommen.

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