Die Mädchenfrage:
Neulich war ich am See. 28 Grad Lufttemperatur, kühles Wasser, mitgebrachtes Radler, unter den Anwesenden Jungs und Mädchen. Nach dem Baden lag ich, gemächlich vor mich hin trockenend, auf meinem Arielle-Handtuch herum, als sich die ersten von euch erhoben, um sich umzuziehen. Am See gibt es für gewöhnlich keine Umkleiden, also nahmt ihr die Sache an Ort und Stelle in Angriff. Da fiel es mir plötzlich auf. Ihr, die sonst so freizügigen Arsch-aus-dem-Autofenster-Halter oder nackt-um-den-Springbrunnen-Renner werdet, wenn es ums stille An- oder Ausziehen eurer Badehose in der Öffentlichkeit geht, plötzlich zu Klemmis.
Ein bisschen ähnelt das Hosen-Dilemma jedes Mal einer Komödie. Die Handlung: Junge will von seiner Boxershorts in die Badeshorts oder wieder in die Alltagsshorts wechseln. Meistens am abgelegenen See mit überschaubarer Zuschauerzahl, manchmal aber auch im Englischen Garten oder auf der hintersten Liegewiese im Freibad, weit weg von den Umkleidekabinen. Auf jeden Fall soll ihm dabei bloß niemand „was weggucken“, wie unsere Mütter das nennen würden. Höhepunkt des Stücks: Junge schwingt ein viel zu knappes Handtuch um die Hüften und schlüpft umständlich aus der Boxershorts. Jetzt sieht es aus, als würde er einen hässlichen Rock mit Beinschlitz tragen – was aber nicht weiter schlimm ist, weil der eh gleich darauf runter fällt. Dann folgt ein panisches in-die-Hocke-Schnellen. Unbeholfene Verrenkungen. Zwischendurch verstohlene Blicke zu den drei vermeintlichen Zuschauern, die eh nicht hinsehen. Und das mit einem Unbehagen, das alle spüren können.
Ihr leidet also unter Nacktscham, und seht dabei aus wie alberne, pubertierende Mädchen. Wobei wir Mädchen uns niemals so anstellen würden. Zugegebenermaßen sind wir in dieser Hinsicht auch privilegiert: weil wir die Zwei-Stufen-Taktik anwenden können, um in den Bikini zu schlüpfen. Erst das Oberteil wechseln, dann das Höschen unterm langen Top tauschen.
Als Erklärung lasse ich das aber nicht durchgehen. Schließlich zieht ihr, wie gesagt, sonst auch gern blank, ja, es gehört gewissermaßen zu eurer toller-Typ-Werdung, die eigene Nacktheit mehr als einmal in der Öffentlichkeit präsentiert zu haben. An dieser Stelle könnte ich stundenlang abschweifen zu Geschichten über nackte Jungs-Hintern auf Gruppenfotos vor der norwegischen Pampa oder beim Abi-Ball.
Viel interessanter ist aber die Schlussfolgerung, dass euch das Nacktsein im öffentlichen Raum offensichtlich nicht grundsätzlich unangenehm ist. Erst beim Hosenwechsel geniert ihr euch, obwohl Umziehen doch viel natürlicher ist als nackt durch Wasserfontänen zu rennen. Woher kommt das Hosen-Dilemma? Bitte, liebe Jungs, erklärt uns die Umziehscham.
Auf der nächsten Seite: die Jungsantwort von christian-helten
[seitenumbruch]
Die Jungsantwort von christian-helten:
Bevor ich jetzt hier die, haha, Hosen runterlasse und dir Einblick in unsere innerste Gefühlswelt beim Umziehen im Freibad gebe, will ich erst mal mit ein paar technischen Fakten aus der Welt der Textilfabrikatur, Grundlagen der männlichen Umziehtechnik und den daraus folgenden Komplikationen beginnen. Sorry, aber das muss sein.
Dazu ruft euch jetzt bitte mal eine Jungsbadehose vor euer inneres Auge. Möglichst keinen von diesen knappen Profischwimmer-Schlüppern, sondern eine in Richtung Boardshort, wie die meisten von uns sie tragen. So eine Badehose ist beim Umziehen schwerer zu handhaben als eure Bikini-Nichtse. Ihr setzt euch auf ein Handtuch, schlagt es über eure Knie, hebt kurz und kaum merklich euren Po und befördert mit einer fast schon eleganten Bewegung euer Bikini-Unterteil an die dafür vorgesehenen Stelle, fertig. Wir dagegen fummeln die Badehose unter dem Handtuch an die richtige Stelle, da ist mehr Stoff und weniger Stretch, es muss gezogen und gezerrt werden, wo ihr nur zuppelt. Besonders schlimm ist das, wenn das Handtuch etwas zu kurz ist. Wir fühlen uns dann wie im Krankenhaus, wenn man eines dieser hinten offenen Hemdchen tragen muss – eine Situation, die in der ganzen Männerwelt einzig einer gut findet: Til Schweiger, wenn er mal wieder an einem Drehbuch für seinen Hintern schreibt.
Bei euch hält alles sofort, weil da viel weniger ist, was halten muss. Unsere Badehose bleibt nur so wacker an Ort und Stelle, weil sie oben festgebunden ist. Wir sind sehr froh darüber, denn die Badehose ist im Sommer unser bester Freund – und mit dem will man durch dick und dünn gehen, ohne Angst haben zu müssen, dass er bei einer leichten Adria-Welle gleich die Flucht ergreift. Aber: Eine Schleife verkompliziert das Anziehen der Hose enorm. Denn unter dem Handtuch ein Schleife knüpfen, das geht nicht. Wir sind also noch halb nackt, wenn wir das Handtuch wegnehmen. Dann ist noch nichts geknotet oder sonst irgendwie gesichert, die Hose hängt auf Halbmast, das ist eine höchst fragile Angelegenheit. Wir müssen jetzt noch das Schnürchen durch Löcher friemeln, vielleicht auch Druckknöpfe schließen, und dabei dem Hosenrutsch vorbeugen, indem wir entweder ganz unnatürlich breitbeinig dastehen oder die Hose zwecks Knotvorgang so hochziehen wie sonst nur Obelix oder Steve Urkel. Besonders würdevoll und Arschbombe-vom-Zehner-mäßig ist beides nicht. Deshalb versuchen wir diese Situation so schnell wie möglich hinter uns zu bringen und zappeln da vielleicht auch ein bisschen mehr als dringend notwendig wäre.
Der nächste feine, aber bedeutende Unterschied ist die von dir bereits angesprochene Zweistufen-Taktik. Ihr seid beim Umziehen im Gegensatz zu uns immer nur halb nackt, entweder oben oder unten. Wir hingegen stünden gleich komplett textilbefreit auf der Wiese, wenn das Handtuch nicht wäre.
Soviel zur Technik. Die Umziehscham hat aber auch, da hast du recht, Ursprünge in unserer Einstellung zu Nacktheit in nicht gänzlich privatem Umfeld. Ja, der in die Kamera gehaltene entblößte Hintern gehört in jede Jungsbiografie, und wenn zum Beispiel Alkohol und die Euphorie einer Abifeier ins Spiel kommen, taucht da auch noch einiges mehr an Nacktalbernheiten auf – Stichwort Pimmelpropeller. Nur: Bei diesen Aktionen ist immer sehr viel Ironie im Spiel. Wir begeben uns freiwillig in die Unentblößtheit, idealerweise in Situationen, in denen sie wie in deinem Beispiel mit den Wasserfontänen zu einer Aufwertung beiträgt und uns cooler macht – weil sie Verwegenheit und Mut zum Tabubruch beweisen oder zumindest Humor und Durchgeknalltheit.
Auf der Freibadwiese beim Umziehen ist aber nichts davon der Fall. Neben gebräunten Bodybuilder-Körpern und Familien mit Schwimmflügelkindern, inmitten von Sonnenöl- und Pommesgeruch ist ein blanker Hintern nicht verwegen, man kann keine Rock’n’Roll-Nummer draus machen. Da ist er einfach nur die Stelle an unserem Körper, die ganz offensichtlich nie Sonne abbekommt.
Neulich war ich am See. 28 Grad Lufttemperatur, kühles Wasser, mitgebrachtes Radler, unter den Anwesenden Jungs und Mädchen. Nach dem Baden lag ich, gemächlich vor mich hin trockenend, auf meinem Arielle-Handtuch herum, als sich die ersten von euch erhoben, um sich umzuziehen. Am See gibt es für gewöhnlich keine Umkleiden, also nahmt ihr die Sache an Ort und Stelle in Angriff. Da fiel es mir plötzlich auf. Ihr, die sonst so freizügigen Arsch-aus-dem-Autofenster-Halter oder nackt-um-den-Springbrunnen-Renner werdet, wenn es ums stille An- oder Ausziehen eurer Badehose in der Öffentlichkeit geht, plötzlich zu Klemmis.
Ein bisschen ähnelt das Hosen-Dilemma jedes Mal einer Komödie. Die Handlung: Junge will von seiner Boxershorts in die Badeshorts oder wieder in die Alltagsshorts wechseln. Meistens am abgelegenen See mit überschaubarer Zuschauerzahl, manchmal aber auch im Englischen Garten oder auf der hintersten Liegewiese im Freibad, weit weg von den Umkleidekabinen. Auf jeden Fall soll ihm dabei bloß niemand „was weggucken“, wie unsere Mütter das nennen würden. Höhepunkt des Stücks: Junge schwingt ein viel zu knappes Handtuch um die Hüften und schlüpft umständlich aus der Boxershorts. Jetzt sieht es aus, als würde er einen hässlichen Rock mit Beinschlitz tragen – was aber nicht weiter schlimm ist, weil der eh gleich darauf runter fällt. Dann folgt ein panisches in-die-Hocke-Schnellen. Unbeholfene Verrenkungen. Zwischendurch verstohlene Blicke zu den drei vermeintlichen Zuschauern, die eh nicht hinsehen. Und das mit einem Unbehagen, das alle spüren können.
Ihr leidet also unter Nacktscham, und seht dabei aus wie alberne, pubertierende Mädchen. Wobei wir Mädchen uns niemals so anstellen würden. Zugegebenermaßen sind wir in dieser Hinsicht auch privilegiert: weil wir die Zwei-Stufen-Taktik anwenden können, um in den Bikini zu schlüpfen. Erst das Oberteil wechseln, dann das Höschen unterm langen Top tauschen.
Als Erklärung lasse ich das aber nicht durchgehen. Schließlich zieht ihr, wie gesagt, sonst auch gern blank, ja, es gehört gewissermaßen zu eurer toller-Typ-Werdung, die eigene Nacktheit mehr als einmal in der Öffentlichkeit präsentiert zu haben. An dieser Stelle könnte ich stundenlang abschweifen zu Geschichten über nackte Jungs-Hintern auf Gruppenfotos vor der norwegischen Pampa oder beim Abi-Ball.
Viel interessanter ist aber die Schlussfolgerung, dass euch das Nacktsein im öffentlichen Raum offensichtlich nicht grundsätzlich unangenehm ist. Erst beim Hosenwechsel geniert ihr euch, obwohl Umziehen doch viel natürlicher ist als nackt durch Wasserfontänen zu rennen. Woher kommt das Hosen-Dilemma? Bitte, liebe Jungs, erklärt uns die Umziehscham.
Auf der nächsten Seite: die Jungsantwort von christian-helten
[seitenumbruch]
Die Jungsantwort von christian-helten:
Bevor ich jetzt hier die, haha, Hosen runterlasse und dir Einblick in unsere innerste Gefühlswelt beim Umziehen im Freibad gebe, will ich erst mal mit ein paar technischen Fakten aus der Welt der Textilfabrikatur, Grundlagen der männlichen Umziehtechnik und den daraus folgenden Komplikationen beginnen. Sorry, aber das muss sein.
Dazu ruft euch jetzt bitte mal eine Jungsbadehose vor euer inneres Auge. Möglichst keinen von diesen knappen Profischwimmer-Schlüppern, sondern eine in Richtung Boardshort, wie die meisten von uns sie tragen. So eine Badehose ist beim Umziehen schwerer zu handhaben als eure Bikini-Nichtse. Ihr setzt euch auf ein Handtuch, schlagt es über eure Knie, hebt kurz und kaum merklich euren Po und befördert mit einer fast schon eleganten Bewegung euer Bikini-Unterteil an die dafür vorgesehenen Stelle, fertig. Wir dagegen fummeln die Badehose unter dem Handtuch an die richtige Stelle, da ist mehr Stoff und weniger Stretch, es muss gezogen und gezerrt werden, wo ihr nur zuppelt. Besonders schlimm ist das, wenn das Handtuch etwas zu kurz ist. Wir fühlen uns dann wie im Krankenhaus, wenn man eines dieser hinten offenen Hemdchen tragen muss – eine Situation, die in der ganzen Männerwelt einzig einer gut findet: Til Schweiger, wenn er mal wieder an einem Drehbuch für seinen Hintern schreibt.
Bei euch hält alles sofort, weil da viel weniger ist, was halten muss. Unsere Badehose bleibt nur so wacker an Ort und Stelle, weil sie oben festgebunden ist. Wir sind sehr froh darüber, denn die Badehose ist im Sommer unser bester Freund – und mit dem will man durch dick und dünn gehen, ohne Angst haben zu müssen, dass er bei einer leichten Adria-Welle gleich die Flucht ergreift. Aber: Eine Schleife verkompliziert das Anziehen der Hose enorm. Denn unter dem Handtuch ein Schleife knüpfen, das geht nicht. Wir sind also noch halb nackt, wenn wir das Handtuch wegnehmen. Dann ist noch nichts geknotet oder sonst irgendwie gesichert, die Hose hängt auf Halbmast, das ist eine höchst fragile Angelegenheit. Wir müssen jetzt noch das Schnürchen durch Löcher friemeln, vielleicht auch Druckknöpfe schließen, und dabei dem Hosenrutsch vorbeugen, indem wir entweder ganz unnatürlich breitbeinig dastehen oder die Hose zwecks Knotvorgang so hochziehen wie sonst nur Obelix oder Steve Urkel. Besonders würdevoll und Arschbombe-vom-Zehner-mäßig ist beides nicht. Deshalb versuchen wir diese Situation so schnell wie möglich hinter uns zu bringen und zappeln da vielleicht auch ein bisschen mehr als dringend notwendig wäre.
Der nächste feine, aber bedeutende Unterschied ist die von dir bereits angesprochene Zweistufen-Taktik. Ihr seid beim Umziehen im Gegensatz zu uns immer nur halb nackt, entweder oben oder unten. Wir hingegen stünden gleich komplett textilbefreit auf der Wiese, wenn das Handtuch nicht wäre.
Soviel zur Technik. Die Umziehscham hat aber auch, da hast du recht, Ursprünge in unserer Einstellung zu Nacktheit in nicht gänzlich privatem Umfeld. Ja, der in die Kamera gehaltene entblößte Hintern gehört in jede Jungsbiografie, und wenn zum Beispiel Alkohol und die Euphorie einer Abifeier ins Spiel kommen, taucht da auch noch einiges mehr an Nacktalbernheiten auf – Stichwort Pimmelpropeller. Nur: Bei diesen Aktionen ist immer sehr viel Ironie im Spiel. Wir begeben uns freiwillig in die Unentblößtheit, idealerweise in Situationen, in denen sie wie in deinem Beispiel mit den Wasserfontänen zu einer Aufwertung beiträgt und uns cooler macht – weil sie Verwegenheit und Mut zum Tabubruch beweisen oder zumindest Humor und Durchgeknalltheit.
Auf der Freibadwiese beim Umziehen ist aber nichts davon der Fall. Neben gebräunten Bodybuilder-Körpern und Familien mit Schwimmflügelkindern, inmitten von Sonnenöl- und Pommesgeruch ist ein blanker Hintern nicht verwegen, man kann keine Rock’n’Roll-Nummer draus machen. Da ist er einfach nur die Stelle an unserem Körper, die ganz offensichtlich nie Sonne abbekommt.