Mareike und ihre Kollegin könnten noch in dieser Minute 55.200 Euro Provision kassieren. Drei Unterschriften würden reichen. Aber dummerweise hat der Mann die Wohnung nachgemessen, die er heute kaufen will – und in einem Zimmer fehlt ein Quadratmeter.
Mareike sitzt im Vorzimmer eines Notars in München-Bogenhausen, neben sich eine Papiertüte mit einer Champagnerflasche, an die ein Zollstock gebunden ist, und zwei Blumensträuße. Vor dem Fenster knallt die Junisonne in eine der besten Wohnlagen Deutschlands. Bis zu 12.000 Euro kostet ein Quadratmeter hier, mehr ist es fast nirgends in Deutschland. Ein Quadratmeter hin oder her – das macht hier einen Unterschied im Wert eines Kleinwagens. Mareike blickt nervös zu ihrer Kollegin. Die redet ruhig auf den Käufer ein, ein Augenarzt Mitte 50.
Mareike trägt ihr Haar leicht gewellt, dazu dezentes Make-up, dezentes Seidentop und fliederfarbene Hose. Alle Vertragsparteien stehen vor ihr: der Verkäufer der Wohnung, der Käufer, der Notar. Der Kaufpreis der Wohnung (Altbau, 112 Quadratmeter) steht in der Plastikmappe auf Mareikes Schoß: 920.000 Euro. Sechs Prozent Provision, das sind 55.200 Euro. Ein Teil davon geht an die Maklerfirma, ein Teil an Mareike und ihre Kollegin. Aber jetzt steht alles auf der Kippe wegen eines Quadratmeters.
Diese Wohnung hat Mareike für etwa 1,4 Millionen Euro verkauft. Samt Gussbräter, Sofa und Bettwäsche für 11.000 Euro.
Mareike Schröder ist 25, und wenn sie auf Partys gefragt wird, was sie beruflich macht, sagt sie: "Kaufberaterin". Nur wenn es jemand genauer wissen will, sagt sie "Maklerin". Beides bezeichnet ihren Job, aber mit dem Begriff Maklerin verbinden die Leute Negatives, ähnlich wie mit "Gebrauchtwagenhändler" oder "Gerichtsvollzieher". Auf der Liste der angesehensten Berufe landet der Makler seit Jahren auf einem der letzten Plätze, meist noch hinter dem Politiker und dem Journalisten. In der Umfrage eines Wirtschaftsmagazins klagten kürzlich 98 Prozent der Makler, ihre Mitmenschen begegneten ihnen "mit Vorurteilen". Die Bild meldet in dieser Woche mal wieder: "Zwei von drei Maklern zocken ab!" Und in München schüttelt man über Gerüchte, manche von Mareikes Kollegen kassierten für einen Besichtigungstermin hundert Euro vorweg, nur noch müde den Kopf. Es passt ja ins Bild.
Wie ist das: einen Job zu machen, den die meisten Leute am liebsten abschaffen würden? Mareike kneift die Lippen zusammen. "Ich versteh’ den Unmut schon", sagt sie. "Die Arbeit vor und nach dem Türaufschließen sieht man ja kaum." Die Wohnung des Augenarztes hat sie in zwei Monaten 48 Menschen aufgeschlossen.
Mareike leitet den "Verkauf Wohnimmobilien" bei Engel & Völkers in München. Die Firma ist die größte und bekannteste Franchise-Kette im deutschen Immobilienmarkt, es gibt mehr als 500 Filialen weltweit, zwischen Sylt, Kitzbühel und Beverly Hills. Franchise bedeutet: Das Münchner Büro nutzt Namen, Logo und Kundenkartei und zahlt dafür einen Teil des Umsatzes an die Zentrale in Hamburg. Die Firma will im Maklergeschäft ungefähr das sein, was Jaguar im Autogeschäft ist: eine Marke, die für Luxus steht. Nicht die prollige Sorte, aber auch nicht die ganz dezente. Wohnungen, die Mareikes Büro gerade anbietet, heißen nicht Wohnungen, sondern "Rarität mit direktem Privatzugang zum Eisbach". Oder "Luxuriöser Maisonette-Traum".
Mareike und ihre Kollegin treten durch die Bürotür, drei Blocks vom Notariat entfernt, es ist Mittag. Der Augenarzt hat sich beruhigen lassen: Der Grundriss war von 1986, kleinere Messfehler sind da normal und fünf Prozent Abweichung ohnehin vertragsgemäß. Die Wohnung ist verkauft. Das Mädchen am Empfang gibt Mareike ein High-Five. Bis auf einen Mann arbeiten nur Frauen in ihrer Abteilung. "Wohnen ist einfach etwas Emotionales", erklärt sie, "Frauen können das besser verkaufen." Dann schießt eine Kollegin ein Foto von ihr. Jeder Verkauf wird auf Facebook gepostet.
Das Maklergeschäft lief lange nicht so gut wie jetzt. Wer sein Geld heute auf der Bank lagert, bekommt kaum noch Zinsen. Deshalb holen gerade sehr viele Menschen ihr Geld von der Bank und stecken es in Immobilien. Dass sich deren Wert steigert, ist so gut wie sicher, vor allem in Städten wie München. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Quadratmeterpreis mehr als verdoppelt, "und gemessen an Städten wie Paris oder London ist nach oben hin noch einiges an Luft", sagt Mareike.
Sie ist in Göttingen aufgewachsen, die Schwester ihres Stiefvaters ist Maklerin. Eine tolle Frau, denkt Mareike als Mädchen: elegant, selbstbewusst, verdient ihr eigenes Geld. Mareike macht ein Praktikum und verwirft die Idee, nach dem Abi Grundschullehrerin zu werden. Sie findet eine Stelle als Auszubildende bei Engel & Völkers. Sie startet in Starnberg, geht nach Gräfelfing, schließlich nach Bogenhausen, ins älteste Büro in München; als Azubi soll sie verschiedene Märkte kennenlernen. Nebenher macht sie ihr Diplom als Immobilienökonomin. Eigentlich wäre das nicht nötig: Es gibt für ihren Job keine Zugangshürden, jeder darf als Makler arbeiten, solange er nicht vorbestraft ist. Aber Mareike will es anders machen als die "schwarzen Schafe", die schuld am schlimmen Ruf der Branche sind. Sie will so professionell sein wie möglich.
Der miese Ruf komme vor allem von den "schlechten Erfahrungen", die fast jeder irgendwann mit einem Makler macht, sagt Jürgen Michael Schick. Er ist Sprecher des Immobilienverbands Deutschland, er vertritt die Interessen von Maklern. "Wenn Sie 20 Leuten eine Wohnung zeigen", sagt er, "müssen Sie danach 19 von denen absagen. So werden Sie nie der Beliebteste in der Klasse."
Und auf den Beruf dürften härtere Zeiten zukommen. Der SPD-Justizminister Heiko Maas hat im März ein Gesetz entworfen, das das "Bestellerprinzip" einführen soll. Danach muss derjenige den Makler bezahlen, der ihn beauftragt hat – und viele Eigentümer würden sich wohl das Geld sparen und selbst Mieter suchen. Hochrechnungen gehen davon aus, dass die Maklerbranche bis zu 350 Millionen Euro Umsatz pro Jahr verlieren würde. Mareike macht sich noch keine Sorgen, sie hofft, dass der Entwurf kein Gesetz wird.
In ihrem Besprechungsraum hängt ein Stadtplan an der Wand, über den sich ein Netz aus roten Linien ästelt. München, zerlegt in Einzelteile wie ein argentinisches Rind. Mareike und ihre Kollegen nennen es tatsächlich "filetieren", was sie mit der Stadt auf dem Plan machen. Jeder Makler hat ein Stück bekommen. Mareike das Lehel, es war gerade frei. Es ist eines der besseren Filetstücke: viele Altbauten, ruhige Straßen, Fußentfernung zum Englischen Garten.
Viele ihrer Freunde studieren und wohnen in WGs. Mareike hat mehr Geld als sie, verbringt dafür aber jedes zweite Wochenende im Büro.
Alle paar Tage, wenn sie eine Wohnung besichtigt hat oder früher aus dem Büro kommt, geht Mareike in ihrem Gebiet "farmen", noch so ein Ausdruck. Sie läuft dann durch das Viertel und stoppt in Möbelboutiquen, Küchenhäusern oder Werkstätten von Maßschuhmachern. Sie bringt Osterkarten oder Flyer vorbei, verteilt Ausgaben ihres Firmenmagazins. Es heißt "Grund Genug", auf dem aktuellen Cover sitzt ein silberhaariger Millionär auf einer Dachterrasse in Manhattan. Und sie spricht mit den Inhabern der Läden. Es gibt einen Spruch unter Maklern: "Keine Kontakte, keine Kontrakte." Kann ja sein, dass der Schuhmacher einen Kunden hat, der gerade eine Wohnung sucht oder verkaufen will. Dann ist Mareike da.
Sie profitiert vom aktuellen Boom, also davon, dass Häuser teurer werden. Auf der Webseite ihres Büros gibt es dazu ein aufschlussreiches Video. Darin sitzt Konstantin Wettig, Mareikes Chef, in weißer Hose beim jährlichen Firmen-Poloturnier auf Mallorca und schwärmt für München. Das Besondere an seinem Maklerbüro sei das Netzwerk an internationalen Käufern, "die bereit sind Preise zu zahlen, die" – er zögert einen kurzen Moment – "der klassische Münchner, momentan zumindest, nicht bezahlen würde." Arabische oder russische Millionäre, die den Pariser oder New Yorker Markt gewohnt sind, lächeln über Münchner Quadratmeterpreise.
Am Nachmittag sitzt Mareike an einem Marmortisch in einer riesigen Wohnung und hakt mit einem Bleistift eine Liste ab. "Der Gussbräter? Ist da. Der Mendini-Sessel?" – "Welcher Sessel?", unterbricht das Mädchen auf der anderen Seite des Tischs. Sie ist 20 und Tochter eines Großunternehmers, blonde Extensions, Puppen-Make-up, Studentin im dritten Semester. Mareike hat ihr die Wohnung vor einer Woche für 1,43 Millionen Euro verkauft. Heute ist Schlüsselübergabe. "Na, der Sessel im Schlafzimmer", sagt Mareike ruhig und lächelt ihr dezentes Lächeln. Der Sessel von Alessandro Mendini ist ein Design-Klassiker, ein Exemplar davon steht in der Pinakothek der Moderne, aber das sagt sie nicht. "Ach, der bunte!", ruft das Mädchen. Sie hat die Wohnung möbliert gekauft, samt Sessel, Küchenausstattung, zwei Schmucksäulen auf der Terrasse für je 4000 und Seidenbettwäsche für 11.000 Euro. Vor der Tür lädt ihr Freund zwei Rollkoffer aus dem Porsche Panamera.
Der Vorbesitzer, ein Galerist, hatte Mareike beauftragt, einen Käufer zu finden. Sie hat die Wohnung besichtigt und mit ähnlichen Objekten in ihrer Kartei verglichen. Sie hat die Möblierung "eingepreist", eine Powerpoint-Präsentation gebaut und dem Verkäufer den Preis und ihre Marketingstrategie vorgestellt. Sie hat sich Grundriss und Energieausweis besorgt, das Grundbuch und die Protokolle der Eigentümergemeinschaft geprüft, Fotos von der Wohnung machen lassen und ein Exposé geschrieben. Ein bis zwei Wochen Arbeit. Dann schloss eine Kollegin von Mareike der ersten Interessentin die Türe auf. Die sagte sofort: "Nehm ich." Drei Prozent Provision vom Verkäufer, drei Prozent von der Käuferin, 85.800 Euro Umsatz für Mareikes Büro. Ein Glücksfall, wie er selten vorkomme, sagt sie.
Manchmal, wenn sie mit Freunden über Geld spricht, sagen die ihr: Beschwer dich nicht, du verdienst doch genug. "Viele bedenken nicht, was wir von der Provision noch alles zahlen müssen: Steuern, Miete, Auto!" Sie selbst wohnt alleine an der Münchner Freiheit, zahlt 900 Euro kalt und musste dafür selbst einem Makler zwei Kaltmieten abdrücken. Viele ihrer Freunde studierten und wohnten auf weniger Raum, sagt sie, aber sie selbst wollte eben früh arbeiten und Geld verdienen. Dafür verbringt sie jetzt jedes zweite Wochenende im Büro. "Es ist halt eine Entscheidung", sagt sie.
Später am Tag ist es noch immer drückend heiß, Mareike sitzt im schwarzen Dienstcabrio und lässt das Dach zu. Offen fahren ist ihr "zu proletig". Mit Menschen wie der 20-Jährigen, die für 11.000 Euro Bettwäsche ablösen, weil sie keine Lust haben, selbst einzukaufen, hat sie regelmäßig zu tun. "Das sind nun mal Kunden mit anderen Lebenskonzepten." Sie sei eine Dienstleisterin. Mareike fährt eine Weile still im geschlossenen Cabrio, dann sagt sie: "Jeder Mensch hat ja einen anderen Hintergrund, so wie ich ja auch."
Sie ist in einem Einfamilienhaus groß geworden, das ihr Vater gebaut hat. Auf dem Grundstück ihres Großvaters.
Mareike sitzt im Vorzimmer eines Notars in München-Bogenhausen, neben sich eine Papiertüte mit einer Champagnerflasche, an die ein Zollstock gebunden ist, und zwei Blumensträuße. Vor dem Fenster knallt die Junisonne in eine der besten Wohnlagen Deutschlands. Bis zu 12.000 Euro kostet ein Quadratmeter hier, mehr ist es fast nirgends in Deutschland. Ein Quadratmeter hin oder her – das macht hier einen Unterschied im Wert eines Kleinwagens. Mareike blickt nervös zu ihrer Kollegin. Die redet ruhig auf den Käufer ein, ein Augenarzt Mitte 50.
Mareike trägt ihr Haar leicht gewellt, dazu dezentes Make-up, dezentes Seidentop und fliederfarbene Hose. Alle Vertragsparteien stehen vor ihr: der Verkäufer der Wohnung, der Käufer, der Notar. Der Kaufpreis der Wohnung (Altbau, 112 Quadratmeter) steht in der Plastikmappe auf Mareikes Schoß: 920.000 Euro. Sechs Prozent Provision, das sind 55.200 Euro. Ein Teil davon geht an die Maklerfirma, ein Teil an Mareike und ihre Kollegin. Aber jetzt steht alles auf der Kippe wegen eines Quadratmeters.
Diese Wohnung hat Mareike für etwa 1,4 Millionen Euro verkauft. Samt Gussbräter, Sofa und Bettwäsche für 11.000 Euro.
Mareike Schröder ist 25, und wenn sie auf Partys gefragt wird, was sie beruflich macht, sagt sie: "Kaufberaterin". Nur wenn es jemand genauer wissen will, sagt sie "Maklerin". Beides bezeichnet ihren Job, aber mit dem Begriff Maklerin verbinden die Leute Negatives, ähnlich wie mit "Gebrauchtwagenhändler" oder "Gerichtsvollzieher". Auf der Liste der angesehensten Berufe landet der Makler seit Jahren auf einem der letzten Plätze, meist noch hinter dem Politiker und dem Journalisten. In der Umfrage eines Wirtschaftsmagazins klagten kürzlich 98 Prozent der Makler, ihre Mitmenschen begegneten ihnen "mit Vorurteilen". Die Bild meldet in dieser Woche mal wieder: "Zwei von drei Maklern zocken ab!" Und in München schüttelt man über Gerüchte, manche von Mareikes Kollegen kassierten für einen Besichtigungstermin hundert Euro vorweg, nur noch müde den Kopf. Es passt ja ins Bild.
Wie ist das: einen Job zu machen, den die meisten Leute am liebsten abschaffen würden? Mareike kneift die Lippen zusammen. "Ich versteh’ den Unmut schon", sagt sie. "Die Arbeit vor und nach dem Türaufschließen sieht man ja kaum." Die Wohnung des Augenarztes hat sie in zwei Monaten 48 Menschen aufgeschlossen.
Mareike leitet den "Verkauf Wohnimmobilien" bei Engel & Völkers in München. Die Firma ist die größte und bekannteste Franchise-Kette im deutschen Immobilienmarkt, es gibt mehr als 500 Filialen weltweit, zwischen Sylt, Kitzbühel und Beverly Hills. Franchise bedeutet: Das Münchner Büro nutzt Namen, Logo und Kundenkartei und zahlt dafür einen Teil des Umsatzes an die Zentrale in Hamburg. Die Firma will im Maklergeschäft ungefähr das sein, was Jaguar im Autogeschäft ist: eine Marke, die für Luxus steht. Nicht die prollige Sorte, aber auch nicht die ganz dezente. Wohnungen, die Mareikes Büro gerade anbietet, heißen nicht Wohnungen, sondern "Rarität mit direktem Privatzugang zum Eisbach". Oder "Luxuriöser Maisonette-Traum".
Jeder darf als Makler arbeiten. Solange er nicht vorbestraft ist
Mareike und ihre Kollegin treten durch die Bürotür, drei Blocks vom Notariat entfernt, es ist Mittag. Der Augenarzt hat sich beruhigen lassen: Der Grundriss war von 1986, kleinere Messfehler sind da normal und fünf Prozent Abweichung ohnehin vertragsgemäß. Die Wohnung ist verkauft. Das Mädchen am Empfang gibt Mareike ein High-Five. Bis auf einen Mann arbeiten nur Frauen in ihrer Abteilung. "Wohnen ist einfach etwas Emotionales", erklärt sie, "Frauen können das besser verkaufen." Dann schießt eine Kollegin ein Foto von ihr. Jeder Verkauf wird auf Facebook gepostet.
Das Maklergeschäft lief lange nicht so gut wie jetzt. Wer sein Geld heute auf der Bank lagert, bekommt kaum noch Zinsen. Deshalb holen gerade sehr viele Menschen ihr Geld von der Bank und stecken es in Immobilien. Dass sich deren Wert steigert, ist so gut wie sicher, vor allem in Städten wie München. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Quadratmeterpreis mehr als verdoppelt, "und gemessen an Städten wie Paris oder London ist nach oben hin noch einiges an Luft", sagt Mareike.
Sie ist in Göttingen aufgewachsen, die Schwester ihres Stiefvaters ist Maklerin. Eine tolle Frau, denkt Mareike als Mädchen: elegant, selbstbewusst, verdient ihr eigenes Geld. Mareike macht ein Praktikum und verwirft die Idee, nach dem Abi Grundschullehrerin zu werden. Sie findet eine Stelle als Auszubildende bei Engel & Völkers. Sie startet in Starnberg, geht nach Gräfelfing, schließlich nach Bogenhausen, ins älteste Büro in München; als Azubi soll sie verschiedene Märkte kennenlernen. Nebenher macht sie ihr Diplom als Immobilienökonomin. Eigentlich wäre das nicht nötig: Es gibt für ihren Job keine Zugangshürden, jeder darf als Makler arbeiten, solange er nicht vorbestraft ist. Aber Mareike will es anders machen als die "schwarzen Schafe", die schuld am schlimmen Ruf der Branche sind. Sie will so professionell sein wie möglich.
Der miese Ruf komme vor allem von den "schlechten Erfahrungen", die fast jeder irgendwann mit einem Makler macht, sagt Jürgen Michael Schick. Er ist Sprecher des Immobilienverbands Deutschland, er vertritt die Interessen von Maklern. "Wenn Sie 20 Leuten eine Wohnung zeigen", sagt er, "müssen Sie danach 19 von denen absagen. So werden Sie nie der Beliebteste in der Klasse."
Auf dem Stadtplan teilen sie München auf - sie nennen es "filetieren"
Und auf den Beruf dürften härtere Zeiten zukommen. Der SPD-Justizminister Heiko Maas hat im März ein Gesetz entworfen, das das "Bestellerprinzip" einführen soll. Danach muss derjenige den Makler bezahlen, der ihn beauftragt hat – und viele Eigentümer würden sich wohl das Geld sparen und selbst Mieter suchen. Hochrechnungen gehen davon aus, dass die Maklerbranche bis zu 350 Millionen Euro Umsatz pro Jahr verlieren würde. Mareike macht sich noch keine Sorgen, sie hofft, dass der Entwurf kein Gesetz wird.
In ihrem Besprechungsraum hängt ein Stadtplan an der Wand, über den sich ein Netz aus roten Linien ästelt. München, zerlegt in Einzelteile wie ein argentinisches Rind. Mareike und ihre Kollegen nennen es tatsächlich "filetieren", was sie mit der Stadt auf dem Plan machen. Jeder Makler hat ein Stück bekommen. Mareike das Lehel, es war gerade frei. Es ist eines der besseren Filetstücke: viele Altbauten, ruhige Straßen, Fußentfernung zum Englischen Garten.
Viele ihrer Freunde studieren und wohnen in WGs. Mareike hat mehr Geld als sie, verbringt dafür aber jedes zweite Wochenende im Büro.
Alle paar Tage, wenn sie eine Wohnung besichtigt hat oder früher aus dem Büro kommt, geht Mareike in ihrem Gebiet "farmen", noch so ein Ausdruck. Sie läuft dann durch das Viertel und stoppt in Möbelboutiquen, Küchenhäusern oder Werkstätten von Maßschuhmachern. Sie bringt Osterkarten oder Flyer vorbei, verteilt Ausgaben ihres Firmenmagazins. Es heißt "Grund Genug", auf dem aktuellen Cover sitzt ein silberhaariger Millionär auf einer Dachterrasse in Manhattan. Und sie spricht mit den Inhabern der Läden. Es gibt einen Spruch unter Maklern: "Keine Kontakte, keine Kontrakte." Kann ja sein, dass der Schuhmacher einen Kunden hat, der gerade eine Wohnung sucht oder verkaufen will. Dann ist Mareike da.
Sie profitiert vom aktuellen Boom, also davon, dass Häuser teurer werden. Auf der Webseite ihres Büros gibt es dazu ein aufschlussreiches Video. Darin sitzt Konstantin Wettig, Mareikes Chef, in weißer Hose beim jährlichen Firmen-Poloturnier auf Mallorca und schwärmt für München. Das Besondere an seinem Maklerbüro sei das Netzwerk an internationalen Käufern, "die bereit sind Preise zu zahlen, die" – er zögert einen kurzen Moment – "der klassische Münchner, momentan zumindest, nicht bezahlen würde." Arabische oder russische Millionäre, die den Pariser oder New Yorker Markt gewohnt sind, lächeln über Münchner Quadratmeterpreise.
Das Mädchen hat die Wohnung möbliert gekauft. Inklusive Bettwäsche für 11.000 Euro
Am Nachmittag sitzt Mareike an einem Marmortisch in einer riesigen Wohnung und hakt mit einem Bleistift eine Liste ab. "Der Gussbräter? Ist da. Der Mendini-Sessel?" – "Welcher Sessel?", unterbricht das Mädchen auf der anderen Seite des Tischs. Sie ist 20 und Tochter eines Großunternehmers, blonde Extensions, Puppen-Make-up, Studentin im dritten Semester. Mareike hat ihr die Wohnung vor einer Woche für 1,43 Millionen Euro verkauft. Heute ist Schlüsselübergabe. "Na, der Sessel im Schlafzimmer", sagt Mareike ruhig und lächelt ihr dezentes Lächeln. Der Sessel von Alessandro Mendini ist ein Design-Klassiker, ein Exemplar davon steht in der Pinakothek der Moderne, aber das sagt sie nicht. "Ach, der bunte!", ruft das Mädchen. Sie hat die Wohnung möbliert gekauft, samt Sessel, Küchenausstattung, zwei Schmucksäulen auf der Terrasse für je 4000 und Seidenbettwäsche für 11.000 Euro. Vor der Tür lädt ihr Freund zwei Rollkoffer aus dem Porsche Panamera.
Der Vorbesitzer, ein Galerist, hatte Mareike beauftragt, einen Käufer zu finden. Sie hat die Wohnung besichtigt und mit ähnlichen Objekten in ihrer Kartei verglichen. Sie hat die Möblierung "eingepreist", eine Powerpoint-Präsentation gebaut und dem Verkäufer den Preis und ihre Marketingstrategie vorgestellt. Sie hat sich Grundriss und Energieausweis besorgt, das Grundbuch und die Protokolle der Eigentümergemeinschaft geprüft, Fotos von der Wohnung machen lassen und ein Exposé geschrieben. Ein bis zwei Wochen Arbeit. Dann schloss eine Kollegin von Mareike der ersten Interessentin die Türe auf. Die sagte sofort: "Nehm ich." Drei Prozent Provision vom Verkäufer, drei Prozent von der Käuferin, 85.800 Euro Umsatz für Mareikes Büro. Ein Glücksfall, wie er selten vorkomme, sagt sie.
Manchmal, wenn sie mit Freunden über Geld spricht, sagen die ihr: Beschwer dich nicht, du verdienst doch genug. "Viele bedenken nicht, was wir von der Provision noch alles zahlen müssen: Steuern, Miete, Auto!" Sie selbst wohnt alleine an der Münchner Freiheit, zahlt 900 Euro kalt und musste dafür selbst einem Makler zwei Kaltmieten abdrücken. Viele ihrer Freunde studierten und wohnten auf weniger Raum, sagt sie, aber sie selbst wollte eben früh arbeiten und Geld verdienen. Dafür verbringt sie jetzt jedes zweite Wochenende im Büro. "Es ist halt eine Entscheidung", sagt sie.
Später am Tag ist es noch immer drückend heiß, Mareike sitzt im schwarzen Dienstcabrio und lässt das Dach zu. Offen fahren ist ihr "zu proletig". Mit Menschen wie der 20-Jährigen, die für 11.000 Euro Bettwäsche ablösen, weil sie keine Lust haben, selbst einzukaufen, hat sie regelmäßig zu tun. "Das sind nun mal Kunden mit anderen Lebenskonzepten." Sie sei eine Dienstleisterin. Mareike fährt eine Weile still im geschlossenen Cabrio, dann sagt sie: "Jeder Mensch hat ja einen anderen Hintergrund, so wie ich ja auch."
Sie ist in einem Einfamilienhaus groß geworden, das ihr Vater gebaut hat. Auf dem Grundstück ihres Großvaters.