Die Melodie, die nach betrunkenem Fisch mit Schluckauf klingt, ertönt. Ich klicke auf den grünen Hörer. Ein Bild erscheint. Schon in den ersten zwei Sekunden weiß ich: Irgendetwas stimmt nicht. Und ich hätte den Anruf nicht annehmen sollen. Die Person am anderen Ende sitzt alleine im Zimmer vor dem Laptop, mit roten Augen und laufender Nase. Es dauert genau ein "Hallo" bis zum Zusammenbruch. Liebeskummer.
Jemanden mit Liebeskummer zu trösten ist schwer, denn es gibt fast nichts, was man für ein gebrochenes Herz tun kann. Ales, was bleibt, ist: Dasein, Umarmungen und ein ordentlicher Rausch, der – zu gegebener Zeit – mit der Suche nach Ersatz verbunden werden kann. Doch was, wenn das wegfällt? Wenn sich der Liebeskummernde in einer anderen Stadt, einem anderen Land oder gar auf einem anderen Kontinent aufhält? Wenn das einzige, was man hat, eine anfällige Skype-Verbindung ist?
Das Elend, durch eine Kamera betrachtet
Dann hat der Tröstende ein Problem. Denn bei einem Gespräch durch zwei Bildschirme hindurch ist es unmöglich, das nötige Maß an Empathie aufzubringen. Wenn dieser arme Mensch direkt neben einem so sehr schluchzt, dass man selbst die Luft anhält, damit man ihm nicht das bisschen Sauerstoff, das er noch bekommen könnte, wegatmet, dann setzt der ehrliche Tröstreflex ganz von selbst ein. Schluchzt es hingegen auf einem Bildschirm, denkt man unterbewusst, man sieht "Berlin Tag & Nacht" oder "Germanys Next Topmodel" und alles, was einsetzt, ist der Reflex, den Sender zu wechseln. Alles in allem führt das fehlende Mitgefühl und der daraus folgende Mangel an Geduld zu Fehlern, die beim Trösten alles noch viel schlimmer machen.
Denn eigentlich gibt es beim Liebeskummertrost nur eine Hauptfigur: Das ist die mit der laufenden Nase und den verheulten Augen. Sie steht im Rampenlicht des Elends, ihre Probleme werden erörtert und zwar ihre allein. Das führt dazu, dass der Tröster – zumindest im echten analogen Trostmodus – unter permanentem Verkneifungszwang steht, denn es gibt zu jeder Situation garantiert eine ähnliche aus seiner eigenen Biographie zu erzählen. Ach was ähnlich: Natürlich hat man selbst das Gleiche immer in noch schlimmer schon erlebt.
Das stimmt meistens sogar, denn die Welt hält nur ein begrenztes Arsenal an Beziehungsproblemen bereit. Lediglich Mischung und Anzahl sind in jeder Beziehung anders: Die einen bekommen eine gute Hand voll, die anderen könnten das komplette Problem-Panini-Album füllen. Jeder denkt nun aber, dass die Partnerschaft und die Gründe für ihr Ende höchst individuell sind. Und das Letzte, was man da braucht, ist jemand, der einem erklärt, dass man an einem Standardproblem gescheitert ist.
Das Ding ist: Als Skype-Tröster bleibt einem nichts anderes übrig, als auch ab und zu einmal etwas zu sagen, um nicht völlig passiv vor dem Laptop zu sitzen. Da es aber beim Trösten eigentlich nie etwas Richtiges zu sagen gibt, ist "Bei mir war das ja so und so..." mit hoher Wahrscheinlichkeit das Falsche. Gleiches gilt für die eigene Meinung. Auch die zurückzuhalten fällt uns gegenüber einem Computerbilder viel schwere als gegenüber dem Analogfreund und ein "Ich hab das schon immer gesagt" ist schnell herausgerutscht.
[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/14aUO0Mf7dWDXW/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/14aUO0Mf7dWDXW/giphy.gif"] Was man auch sagt, es ist bestimmt falsch, wenn der Gesprächspartner gerade Liebeskummer hat
Das Schlimmste am Trösten per Video-Chat ist vermutlich die grausame Hilflosigkeit. Jeder Liebeskummernde kommt irgendwann an den Punkt, einen schrecklichen Fehler begehen zu wollen: Obwohl sie zwei Jahre gebraucht hat, um Schluss zu machen, will sie ihn jetzt unbedingt zurück. Er wurde von ihr betrogen und aus der Wohnung geschmissen, will ihr aber verzeihen und denkt, ein Liebes-Video sei die Rettung. Oder sie setzen sich in den Kopf, den besten Freund, die Schwester oder gar die Eltern des Ex-Partners um Hilfe zu bitten, sei ein guter Plan.
In solchen Fällen muss der Tröstende sein Können beweisen. Die Kunst ist, sich den Plan anzuhören, so zu tun, als würde man ihn ernst nehmen und dann unter Umarmungen und Streicheleinheiten solange darüber zu reden, bis der andere am Ende selbst (denkt er!) zu der Erkenntnis kommt, es lieber zu lassen – zumindest für heute. Funktioniert das nicht, ist die Beschlagnahmung von Handy, Autoschlüssel oder Reisepass der zielführende Plan B.
Sitzt man nun aber nur per Skype dem Häufchen Elend gegenüber, bleibt nur die Kraft des vernünftigen Wortes. Die aber wird durch anhaltende Verbindungsprobleme stark beeinträchtigt, was wiederum auf Kosten der eigenen Nerven geht. Und irgendwann wird die Versuchung riesig, den Liebeskummernden einfach sich selbst und seinem Kamikaze-Plan zu überlassen. Denn man ist ja nur einen Klick davon entfernt.
Und selbst wenn man nicht auflegt, passiert es manchmal, dass man den anderen nicht aufhält. Man kann ihn ja nicht am Arm fassen, sich ihm in den Weg stellen, ihn mit ins Kino nehmen, man kann nur versuchen, ihn mit den Worten "Tu’s nicht!" aufzuhalten. Und schaut dann zu, wie der Liebesirre durch die Zimmertür und in sein Verderben rennt, während man selbst fassungslos durch den Bildschirm in ein leeres Zimmer starrt.
Was man aber auch falsch oder richtig macht beim Skype-Trösten, eines ist sicher: Nach drei bis acht Stunden klickt man völlig erschöpft auf den roten Hörer, mit der Gewissheit, dass diesem Gespräch noch viele, viele seiner Art folgen werden.
Jemanden mit Liebeskummer zu trösten ist schwer, denn es gibt fast nichts, was man für ein gebrochenes Herz tun kann. Ales, was bleibt, ist: Dasein, Umarmungen und ein ordentlicher Rausch, der – zu gegebener Zeit – mit der Suche nach Ersatz verbunden werden kann. Doch was, wenn das wegfällt? Wenn sich der Liebeskummernde in einer anderen Stadt, einem anderen Land oder gar auf einem anderen Kontinent aufhält? Wenn das einzige, was man hat, eine anfällige Skype-Verbindung ist?
Das Elend, durch eine Kamera betrachtet
Dann hat der Tröstende ein Problem. Denn bei einem Gespräch durch zwei Bildschirme hindurch ist es unmöglich, das nötige Maß an Empathie aufzubringen. Wenn dieser arme Mensch direkt neben einem so sehr schluchzt, dass man selbst die Luft anhält, damit man ihm nicht das bisschen Sauerstoff, das er noch bekommen könnte, wegatmet, dann setzt der ehrliche Tröstreflex ganz von selbst ein. Schluchzt es hingegen auf einem Bildschirm, denkt man unterbewusst, man sieht "Berlin Tag & Nacht" oder "Germanys Next Topmodel" und alles, was einsetzt, ist der Reflex, den Sender zu wechseln. Alles in allem führt das fehlende Mitgefühl und der daraus folgende Mangel an Geduld zu Fehlern, die beim Trösten alles noch viel schlimmer machen.
Denn eigentlich gibt es beim Liebeskummertrost nur eine Hauptfigur: Das ist die mit der laufenden Nase und den verheulten Augen. Sie steht im Rampenlicht des Elends, ihre Probleme werden erörtert und zwar ihre allein. Das führt dazu, dass der Tröster – zumindest im echten analogen Trostmodus – unter permanentem Verkneifungszwang steht, denn es gibt zu jeder Situation garantiert eine ähnliche aus seiner eigenen Biographie zu erzählen. Ach was ähnlich: Natürlich hat man selbst das Gleiche immer in noch schlimmer schon erlebt.
Das stimmt meistens sogar, denn die Welt hält nur ein begrenztes Arsenal an Beziehungsproblemen bereit. Lediglich Mischung und Anzahl sind in jeder Beziehung anders: Die einen bekommen eine gute Hand voll, die anderen könnten das komplette Problem-Panini-Album füllen. Jeder denkt nun aber, dass die Partnerschaft und die Gründe für ihr Ende höchst individuell sind. Und das Letzte, was man da braucht, ist jemand, der einem erklärt, dass man an einem Standardproblem gescheitert ist.
Das Ding ist: Als Skype-Tröster bleibt einem nichts anderes übrig, als auch ab und zu einmal etwas zu sagen, um nicht völlig passiv vor dem Laptop zu sitzen. Da es aber beim Trösten eigentlich nie etwas Richtiges zu sagen gibt, ist "Bei mir war das ja so und so..." mit hoher Wahrscheinlichkeit das Falsche. Gleiches gilt für die eigene Meinung. Auch die zurückzuhalten fällt uns gegenüber einem Computerbilder viel schwere als gegenüber dem Analogfreund und ein "Ich hab das schon immer gesagt" ist schnell herausgerutscht.
[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/14aUO0Mf7dWDXW/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/14aUO0Mf7dWDXW/giphy.gif"] Was man auch sagt, es ist bestimmt falsch, wenn der Gesprächspartner gerade Liebeskummer hat
Das Schlimmste am Trösten per Video-Chat ist vermutlich die grausame Hilflosigkeit. Jeder Liebeskummernde kommt irgendwann an den Punkt, einen schrecklichen Fehler begehen zu wollen: Obwohl sie zwei Jahre gebraucht hat, um Schluss zu machen, will sie ihn jetzt unbedingt zurück. Er wurde von ihr betrogen und aus der Wohnung geschmissen, will ihr aber verzeihen und denkt, ein Liebes-Video sei die Rettung. Oder sie setzen sich in den Kopf, den besten Freund, die Schwester oder gar die Eltern des Ex-Partners um Hilfe zu bitten, sei ein guter Plan.
In solchen Fällen muss der Tröstende sein Können beweisen. Die Kunst ist, sich den Plan anzuhören, so zu tun, als würde man ihn ernst nehmen und dann unter Umarmungen und Streicheleinheiten solange darüber zu reden, bis der andere am Ende selbst (denkt er!) zu der Erkenntnis kommt, es lieber zu lassen – zumindest für heute. Funktioniert das nicht, ist die Beschlagnahmung von Handy, Autoschlüssel oder Reisepass der zielführende Plan B.
Sitzt man nun aber nur per Skype dem Häufchen Elend gegenüber, bleibt nur die Kraft des vernünftigen Wortes. Die aber wird durch anhaltende Verbindungsprobleme stark beeinträchtigt, was wiederum auf Kosten der eigenen Nerven geht. Und irgendwann wird die Versuchung riesig, den Liebeskummernden einfach sich selbst und seinem Kamikaze-Plan zu überlassen. Denn man ist ja nur einen Klick davon entfernt.
Und selbst wenn man nicht auflegt, passiert es manchmal, dass man den anderen nicht aufhält. Man kann ihn ja nicht am Arm fassen, sich ihm in den Weg stellen, ihn mit ins Kino nehmen, man kann nur versuchen, ihn mit den Worten "Tu’s nicht!" aufzuhalten. Und schaut dann zu, wie der Liebesirre durch die Zimmertür und in sein Verderben rennt, während man selbst fassungslos durch den Bildschirm in ein leeres Zimmer starrt.
Was man aber auch falsch oder richtig macht beim Skype-Trösten, eines ist sicher: Nach drei bis acht Stunden klickt man völlig erschöpft auf den roten Hörer, mit der Gewissheit, dass diesem Gespräch noch viele, viele seiner Art folgen werden.