Angestrichen:
„In a culture that expects women to be happy, shiny objects, sadness can become its own form of defiance (...), typified by the all-encompassing sorrow of Lana Del Rey.“
Wo steht das?
In einer Kolumne mit dem Titel „Pretty When You Cry“ auf dem Online-Magazin Pitchfork. Darin reflektiert die Journalistin Lindsay Zoladz die Wirkung von Lana Del Rey und anderen melancholischen Künstlerinnen.
Worum geht es?
Um die Relevanz der Kolumne zu verstehen, muss man zwei Wochen zurückspulen. Da ist im Guardian ein Porträt über Del Rey erschienen. „I wish I was dead already,“ zitiert der Journalist Tim Jonze die Sängerin zu Beginn. Dann erklärt er ausführlich, wie sie im Gespräch mit ihm zu dieser Aussage kam. Sie erklärte, dass sie Kurt Cobain und Amy Winehouse bewundere, weil: sie einen frühen Tod gestorben sind. „I don’t want to have to keep doing this. But I am”, sagte sie weiter - und meinte damit nicht die Musik, sondern das Leben an sich.
Wer wie Lana Del Rey deprimiert dreinguckt und Todessehnsucht äußert, der ist bestimmt tiefsinnig.
Wenn eine Person von öffentlichem Interesse, ein Vorbild also, so unbedacht Todessehnsucht äußert, folgt natürlich Kritik. Mit ihrer Aussage hat Lana Del Rey nicht nur ihr eigenes Leid zur Schau gestellt, sondern auch die Tragik anderer Künstler-Schicksale schön gefärbt. Darüber ärgerte sich am Montag Frances Bean Cobain, die ihren Vater schon im Alter von einem Jahr verlor. „I'll never know my father because he died young & it becomes a desirable feat because ppl like u think it's cool”, twitterte sie. Und mahnte: „The death of young musicians isn't something to romanticize.” Del Rey dementierte daraufhin erst die Echtheit des Zitats, warf dem Guardian-Journalisten dann hinterhältiges Verhalten vor und verwechselte dabei peinlicherweise seinen Namen mit dem eines Kollegen, der zuvor eine für sie mittelmäßige Album-Kritik geschrieben hatte. Nachdem ein Mitschnitt des Interviews online gestellt wurde, löschte Del Rey die Tweets - Francis Bean zog ihre Anschuldigungen ebenfalls mithilfe der Löschtaste zurück.
Durch die Tweets von Cobain und Del Rey wurde die Kolumne „Pretty When You Cry“ bekannt. Die Journalistin Zoladz schreibt darin nicht nur über Del Rey, sondern auch über andere Künstlerinnen, die selten lachen. Als junges Mädchen war sie beeindruckt von der Band Rilo Kiley, vor allem von der Frontfrau Jenny Lewis, und ihrem offenen Umgang mit Traurigkeit. „Her brand of melancholy (...) had an air of weariness, disillusionment, and above all things an awareness of being looked at”, beschreibt Zoladz ihre Aura. In der Melancholie erkannte sie sogar etwas Feministisches: Eine Stärke, die sie vorher nicht von Frauen gekannt hatte. Schließlich würden sie sich gegen eine Kultur widersetzen, die dem weiblichen Geschlecht meist vorschreibt, zu scheinen und zu lächeln. Schön zu sein und oberflächlich, vielleicht auch die Dinge wortlos hinzunehmen, ohne zu jammern. Wenn sich Künstlerinnen schmerzverzerrt und selbstbewusst präsentieren, dann könnten die Menschen ihre Komplexität und ihren Tiefsinn wahrnehmen.
Was steckt dahinter?
Wie Zoladz ganz richtig beschreibt, sehen wir Traurigkeit als etwas vielschichtiges und ehrliches an. Wenn eine leidende Del Rey die Schultern stolz zurückzieht, noch dazu mit diesem Schmollmund, dann hat das eine große Wirkung. Weil sie nicht lacht, zumindest nicht wenn jemand hinsieht, bleibt sie ein Geheimnis. Schließlich scheint es, als würde niemand an sie herankommen, wo sie doch in einer Seifenblase aus Schmerz lebt. Diese Melancholie des schönen Mädchens zieht Menschen offenbar in einen Bann, sonst wäre die Sängerin nicht so erfolgreich. Würde Del Rey sich weniger öffentlich in ihrem Leid suhlen, fände man sie vielleicht sogar oberflächlich. Gerade weil sie so schön aussieht und ihre Lippen wie aufgespritzt.
Ihre Traurigkeit allerdings lässt sie echt wirken, sehr tiefgründig. Der Grund: Wir halten Schmerz für glaubwürdiger als ein Lächeln, das kann man nämlich fälschen. Stars tragen es auf roten Teppichen und Bühnen zusammen mit teuren Outfits, der nicht-berühmte Teil der Menschheit setzt es oftmals der Freundlichkeit halber auf. Grinsen ist etwas Alltägliches, das wir von unseren Bekannten, Kollegen und anderen Berühmtheiten kennen. Schmerz hingegen lassen wir meist nur im Privaten zu. Denn er ist für uns ein wahrhaftiges Gefühl.
Dabei ist es schade, dass sich jemand öffentlich den Tod wünschen oder zumindest deprimiert dreingucken muss, um tiefsinnig zu wirken. Man kann doch auch lachen, die Welt mögen oder sich an der Nase kratzen und trotzdem ein komplexes Wesen sein. Traurigkeit ist weder schön noch pauschal ehrlicher als andere Gefühle. Und eine Del Rey nicht unbedingt echter als Künstler und andere Menschen, die auch mal lustig sind.
„In a culture that expects women to be happy, shiny objects, sadness can become its own form of defiance (...), typified by the all-encompassing sorrow of Lana Del Rey.“
Wo steht das?
In einer Kolumne mit dem Titel „Pretty When You Cry“ auf dem Online-Magazin Pitchfork. Darin reflektiert die Journalistin Lindsay Zoladz die Wirkung von Lana Del Rey und anderen melancholischen Künstlerinnen.
Worum geht es?
Um die Relevanz der Kolumne zu verstehen, muss man zwei Wochen zurückspulen. Da ist im Guardian ein Porträt über Del Rey erschienen. „I wish I was dead already,“ zitiert der Journalist Tim Jonze die Sängerin zu Beginn. Dann erklärt er ausführlich, wie sie im Gespräch mit ihm zu dieser Aussage kam. Sie erklärte, dass sie Kurt Cobain und Amy Winehouse bewundere, weil: sie einen frühen Tod gestorben sind. „I don’t want to have to keep doing this. But I am”, sagte sie weiter - und meinte damit nicht die Musik, sondern das Leben an sich.
Wer wie Lana Del Rey deprimiert dreinguckt und Todessehnsucht äußert, der ist bestimmt tiefsinnig.
Wenn eine Person von öffentlichem Interesse, ein Vorbild also, so unbedacht Todessehnsucht äußert, folgt natürlich Kritik. Mit ihrer Aussage hat Lana Del Rey nicht nur ihr eigenes Leid zur Schau gestellt, sondern auch die Tragik anderer Künstler-Schicksale schön gefärbt. Darüber ärgerte sich am Montag Frances Bean Cobain, die ihren Vater schon im Alter von einem Jahr verlor. „I'll never know my father because he died young & it becomes a desirable feat because ppl like u think it's cool”, twitterte sie. Und mahnte: „The death of young musicians isn't something to romanticize.” Del Rey dementierte daraufhin erst die Echtheit des Zitats, warf dem Guardian-Journalisten dann hinterhältiges Verhalten vor und verwechselte dabei peinlicherweise seinen Namen mit dem eines Kollegen, der zuvor eine für sie mittelmäßige Album-Kritik geschrieben hatte. Nachdem ein Mitschnitt des Interviews online gestellt wurde, löschte Del Rey die Tweets - Francis Bean zog ihre Anschuldigungen ebenfalls mithilfe der Löschtaste zurück.
Durch die Tweets von Cobain und Del Rey wurde die Kolumne „Pretty When You Cry“ bekannt. Die Journalistin Zoladz schreibt darin nicht nur über Del Rey, sondern auch über andere Künstlerinnen, die selten lachen. Als junges Mädchen war sie beeindruckt von der Band Rilo Kiley, vor allem von der Frontfrau Jenny Lewis, und ihrem offenen Umgang mit Traurigkeit. „Her brand of melancholy (...) had an air of weariness, disillusionment, and above all things an awareness of being looked at”, beschreibt Zoladz ihre Aura. In der Melancholie erkannte sie sogar etwas Feministisches: Eine Stärke, die sie vorher nicht von Frauen gekannt hatte. Schließlich würden sie sich gegen eine Kultur widersetzen, die dem weiblichen Geschlecht meist vorschreibt, zu scheinen und zu lächeln. Schön zu sein und oberflächlich, vielleicht auch die Dinge wortlos hinzunehmen, ohne zu jammern. Wenn sich Künstlerinnen schmerzverzerrt und selbstbewusst präsentieren, dann könnten die Menschen ihre Komplexität und ihren Tiefsinn wahrnehmen.
Was steckt dahinter?
Wie Zoladz ganz richtig beschreibt, sehen wir Traurigkeit als etwas vielschichtiges und ehrliches an. Wenn eine leidende Del Rey die Schultern stolz zurückzieht, noch dazu mit diesem Schmollmund, dann hat das eine große Wirkung. Weil sie nicht lacht, zumindest nicht wenn jemand hinsieht, bleibt sie ein Geheimnis. Schließlich scheint es, als würde niemand an sie herankommen, wo sie doch in einer Seifenblase aus Schmerz lebt. Diese Melancholie des schönen Mädchens zieht Menschen offenbar in einen Bann, sonst wäre die Sängerin nicht so erfolgreich. Würde Del Rey sich weniger öffentlich in ihrem Leid suhlen, fände man sie vielleicht sogar oberflächlich. Gerade weil sie so schön aussieht und ihre Lippen wie aufgespritzt.
Ihre Traurigkeit allerdings lässt sie echt wirken, sehr tiefgründig. Der Grund: Wir halten Schmerz für glaubwürdiger als ein Lächeln, das kann man nämlich fälschen. Stars tragen es auf roten Teppichen und Bühnen zusammen mit teuren Outfits, der nicht-berühmte Teil der Menschheit setzt es oftmals der Freundlichkeit halber auf. Grinsen ist etwas Alltägliches, das wir von unseren Bekannten, Kollegen und anderen Berühmtheiten kennen. Schmerz hingegen lassen wir meist nur im Privaten zu. Denn er ist für uns ein wahrhaftiges Gefühl.
Dabei ist es schade, dass sich jemand öffentlich den Tod wünschen oder zumindest deprimiert dreingucken muss, um tiefsinnig zu wirken. Man kann doch auch lachen, die Welt mögen oder sich an der Nase kratzen und trotzdem ein komplexes Wesen sein. Traurigkeit ist weder schön noch pauschal ehrlicher als andere Gefühle. Und eine Del Rey nicht unbedingt echter als Künstler und andere Menschen, die auch mal lustig sind.