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Strom aus der Wüste

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Energie aus Saudi-Arabien, Libyen, Algerien – das ist eigentlich nichts Neues. Nordafrika und der Nahe Osten verdanken ihre politische Bedeutung den Rohstoffen, die unter dem Sand ihrer Wüsten ruhten. Aber auch über dem Sand ließe sich Energie gewinnen, weil die Sonne hier häufig und intensiv scheint. Genau wie Erdöl und Erdgas ist Licht zunächst einmal umsonst, hohe Kosten entstehen erst, wenn man die Energie mit großen Anlagen fördert oder erntet und über die Welt verteilt. Den entscheidenden Unterschied liefert die langfristige Perspektive: Sonnenstrahlung ist unbegrenzt verfügbar und ihre Nutzung erzeugt keine Treibhausgase.



In der Wüste scheint die Sone häufig intensiv. Doch die Logistik der Sonnenenergienutzung gilt als Problem.

Die Logistik der Sonnenenergienutzung in der Wüste gilt vielen als schier unüberwindbares Problem – während Menschen das aberwitzig verzweigte System als völlig selbstverständlich ansehen, das der Verteilung von Benzin bis zur entlegensten Dorftankstelle dient. Einen der Einwände entkräftet jetzt ein Forscherteam um Anthony Patt von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Es rechnet vor, dass Verbundnetze von Solarkraftwerken im Nahen Osten und Nordafrika sowie in Südafrika nahezu so zuverlässig Strom erzeugen könnten wie Atommeiler, bei Tag und Nacht, Sonnenschein und Regen.

„Ein solches System braucht eine intensive Koordination“, sagt Patt, „sonst wird eine Liefergarantie ziemlich teuer.“ Doch mit kluger Planung und Steuerung könne ein Verbund mit nur zehn Standorten jederzeit die Lieferung der Hälfte des maximalen Strombedarfs in Europa garantieren, ohne dass die Preise überhaupt steigen. Sie liegen nach der Berechnung bei neun Euro-Cent pro Kilowattstunde. Auch eine 70- bis 80-prozentige Versorgung sei ohne prohibitiv steigende Kosten möglich (Nature Climate Change, online).

Um einer solchen annähernden Grundlastfähigkeit nahe zu kommen, müssen Sonnenkraftwerke einen Speicher besitzen. Die Technik der Wahl für die Forscher ist die sogenannte Concentrating Solar Power (CSP); im Deutschen werden solche Anlagen meist Parabolrinnenkraftwerke genannt. Sie bestehen aus langen Reihen von gebogenen Spiegeln, die das einfallende Licht in einem Brennpunkt bündeln. Genau hier verläuft ein Glasrohr, in dem zum Beispiel ein spezielles Öl fließt, das sich aufheizt. Es gibt die Energie im Zentrum der Anlage in einem Wärmetauscher an Wasser ab, das verdampft und eine Turbine und einen Stromgenerator antreibt.

Diese Wirkungskette erscheint als ein aufwendiger Umweg, wenn man CSP-Kraftwerke mit Solarzellen vergleicht: Sonne rein, Strom raus, fertig. Stattdessen auf Spiegel und Öl zu setzen, hat aber einen großen Vorteil. Hitze lässt sich recht einfach speichern, im Gegensatz zu Elektrizität. Meist wird dafür flüssiges Salz verwendet, das sich zum Beispiel im Kraftwerk Andasol 3 bei Granada in Spanien von 250 auf 400 Grad Celsius erwärmen kann, um die Energie später wieder abzugeben. Der Tank mit 28500 Tonnen Salz kann das Kraftwerk acht Stunden nach Sonnenuntergang mit Nennleistung arbeiten lassen.

Hier liegt eine der entscheidenden Stellschrauben, mit denen Patt und seine Kollegen den Kraftwerksverbund optimieren. Die Größe der Spiegel lässt sich so wählen, dass zum Beispiel doppelt so viel Wärme entsteht, wie Turbine und Generator überhaupt zu Strom verarbeiten können. Die Kunst ist dann, die gespeicherte Energie später so abzurufen, dass der Verbund insgesamt seine Lieferverpflichtungen erfüllen kann. „Man muss sich überlegen, was ein Kraftwerk in Ägypten macht, wenn eine heranziehende Wetterfront Anlagen in Marokko schon zum Abschalten gezwungen hat“, sagt Patt.
Das Team, sagt der Forscher aus Zürich, war überrascht, wie kompliziert eine solche Modellrechnung war.

Die Forscher brauchten schließlich keine Mittelwerte, sondern stundengenaue Wetterdaten für konkrete Standorte. Diese erklären auch, warum ein ähnliches System von CSP-Kraftwerken in Indien oder den USA vermutlich viel zu teuer wäre: Es gibt dort ganze Jahreszeiten, wo viele der Anlagen auf einmal stundenlang unter Wolken lägen. Im Südwesten der USA, über der Mohave-Wüste bedeckt sich der Himmel im August meist den größten Teil des Nachmittags, sagt Patt.

Zu den Problemen eines solchen Verbundes gehören auch die langen Leitungswege nach Europa und der große Wasserverbrauch. Auch darüber haben Forscher schon nachgedacht: Verlustarme Hochspannungsleitungen nach Europa sind technisch kaum ein Problem, sie würden den Strom um vielleicht zwei Cent pro Kilowatt verteuern. Und Trockenkühlung würde einen weiteren Cent kosten, sagt Patt.

Ob es allerdings eines Tages so kommt, ist ungewiss: Ein Industrie-Konsortium namens Desertec hatte vor fünf Jahren gewaltige Investitionen angekündigt, um ein ähnliches Verbundsystem aufzubauen. Inzwischen sind viele Konzerne wieder ausgestiegen. Und selbst wenn einzelne Länder der Region aus eigener Initiative CSP-Kraftwerke bauen – die Koordination im Verbund, das Zentrum von Patts Arbeit, ist von solchen Vorhaben nicht zu erwarten.

Das ist vielleicht aber auch nicht nötig, sagt Frank Sensfuß vom Fraunhofer-Institut für System-und Innovationsforschung in Karlsruhe, der Daten für das Desertec-Konsortium berechnet hat. „CSP wird ein Baustein für die Regulierung der Stromversorgung in südlichen Ländern sein, aber vermutlich nicht der zentrale Baustein für den Stromexport nach Europa.“

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