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Aussagen eines Kumpels

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München – Das alte Ehepaar hat den kleinen Bernd B. noch im Bus getroffen, spät abends in Jena, als es schon dunkel war. Ein aufgeweckter Junge war das, der sagte, er gehe zu seinen Großeltern, die ums Eck wohnten. Das Ehepaar rief ihm noch hinterher: „Geh mit keinem Fremden mit. Das ist gefährlich.“ Dann sieht man den Neunjährigen in der Dunkelheit verschwinden. Die alten Leute waren die letzten, die ihn lebend gesehen haben. Zwölf Tage später wurde er tot am Ufer der Saale gefunden. Die Sendung „Aktenzeichen XY-ungelöst“ hat den Mord 1993 nachgestellt, seit 21 Jahren ist er ungeklärt.



Der Zeuge Enrico T. geht nach seiner Aussage im NSU-Prozess am 18.03.2014 durch einen Gang im Oberlandesgericht in München.

Nun hat die Staatsanwaltschaft Gera die Ermittlungen wieder aufgenommen – und sie führen zu einem Mann, der zum Umfeld der rechtsradikalen Terrorbande NSU gehört: Enrico T.. Er wird verdächtigt, ein Bindeglied beim Beschaffen der Waffe gewesen zu sein, mit der Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mutmaßlich neun Morde begangen haben. Für den zehnten Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn nutzte der NSU eine andere Waffe.

Enrico T. ist ausgerechnet jetzt als einer der nächsten Zeugen im NSU-Prozess vorgesehen. Am 2. Juli soll er über seine Rolle als mutmaßlicher Waffenbeschaffer befragt werden – wieder einmal, denn das Gericht hatte sich schon stundenlang mit ihm beschäftigt. T. gilt als besonders hartleibig, will sich an nichts erinnern und treibt alle im Prozess an die Belastungsgrenze.

Doch nun könnte es eng für ihn werden. Die NSU-Ermittlungen haben nicht nur Erkenntnisse über die rechtsradikale Szene in Sachsen und Thüringen gebracht, sondern auch über persönliche Vorlieben. Ein Aussteiger aus der rechten Szene hatte gesagt, Enrico T. „steht auf kleine Kinder“. Auch ein Navigationsgerät von Enrico T. wurde ausgewertet, und dort fand man eine Auffälligkeit: Immer wieder soll der Mann Schulen angesteuert haben. Das hat bei den Ermittlern den Verdacht, der Mann könne pädophile Neigungen haben, nicht verringert.

Nach dem Tod des neunjährigen Bernd 1993 stand Enrico T. schon einmal im Fokus der Ermittlungen. Ganz in der Nähe des Fundorts der Leiche wurde ein weißer Außenbordmotor gefunden, der zu seinem Boot gehörte. Aber die Polizei kam damals nicht weiter. Jetzt versucht sie es noch einmal. Die „verbesserten Möglichkeiten, Spuren auszuwerten“ seien der Anlass, sagte Staatsanwalt Jens Wörmann der dpa. Nähere Angaben macht der Staatsanwalt nicht, auch nicht dazu, ob der Junge damals sexuell missbraucht worden ist. Das BKA wertet die Spuren aus.

Nach dem Auffliegen des NSU wurde Enrico T. verhört. Er kam auf den Kindermord zu sprechen, bei dem er als Tatverdächtiger galt. Er bestritt, etwas mit dem Mord zu tun zu haben. Sein Boot mitsamt Außenbordmotor sei ihm gestohlen worden. Er habe es vor dem Verschwinden des Jungen eine Woche lang vergeblich gesucht, sagte er.

In dieser Vernehmung, als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt schon tot waren und nicht mehr reden konnten, kam Enrico T. in den Sinn, dass es womöglich sein alter Kumpel Böhnhardt war, der mit dem Mord etwas zu tun haben könnte. Mit ihm hatte er angeblich Streit. Böhnhardt soll die Tat Enrico T. in die Schuhe geschoben haben. Nachdem T. vom NSU in der Presse erfahren habe, vermute er nun, dass Uwe Böhnhardt etwas damit zu tun habe. Der habe gewusst, wo das Boot lag, denn gemeinsam seien sie damit auf der Saale gefahren. Darüber solle sich mal jemand Gedanken machen, gab Enrico T. zu Protokoll. Er lebe damit seit jener Zeit und wolle das nun erzählen, sagte er noch. Plötzlich drückte das alles auf seiner Seele. Man kann das glauben, man muss es aber nicht glauben. Die Staatsanwaltschaft Gera erklärt denn auch, Böhnhardt sei nie als Tatverdächtiger geführt worden. Nur als Zeuge.


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