Liebe Jungs,
es war ja mal so, dass Männer und Frauen unbedingt unterschiedlich zu sitzen hatten. Warum, erklärt sich in feinster 50er-Jahre Geisteshaltung: Einerseits birgt die nach unten offene Beschaffenheit eines Rocks oder Kleids so ihre Gefahren, andererseits sind wir natürlich das schöne, elegante und bedachte Geschlecht mit dem grazilen Gang, dem grazilen Sitz und den ausbleibenden Rülpsern und Pupsern. Wir haben Fahrräder zum Einsteigen, ihr habt welche zum Draufschwingen. Wir sollen unseren Schritt fein zwischen den zusammengepressten Schenkeln hüten, ihr hingegen dürft das laut einer urban legend eigentlich gar nicht, denn da sind Eier im Weg und wenn man die zu doll quetscht, dann werden sie impotent. Außerdem sieht das weibisch aus und weibisch seid ihr nicht, weil ihr seid Männer.
Ich stelle jetzt aber die gewagte These auf, dass das geschlechterkonforme Sitzen ungefähr so aus der Mode gekommen ist, wie das geschlechterkonforme Radfahren und alle sonstigen streng geschlechterkonformen Verhaltensweisen. Jeder darf mittlerweile sitzen und radeln und rumtun wie er will, denn Lässigkeit und Unisex-Style sind die zweiten Vornamen unserer Gegenwart. Und guckt man sich um unter sitzenden Menschen, bestätigt sich diese These: Männer und Frauen überschlagen ihre Beine gleichermaßen eng oder nicht eng (das mit der Impotenz war nämlich wahrscheinlich, Überraschung!, gar nicht wahr) oder sie sitzen mit großzügig überschlagenen Beinen, nennen wir sie die "Knöchel-auf-Knie-Stellung", herum. Sie lassen sie entspannt nebeneinander stehen oder lassen sie nach links oder rechts umkippen, jeder wie er will halt.
ABER! Es gibt eine einzige Sitzposition, die ist eben noch nicht so ganz unisex. Die gehört noch immer vor allem euch. Und das ist die, die deshalb auch genauso aus der Zeit gefallen wirkt. Das ist die breitbeinige Moritz-von-Uslar-denkt-er-ist-ein-Cowboy-Position. Bäm, das eine Bein nach links, bäm das andere nach rechts. Jeder weiß, dass gesunde Eier so groß gar nicht sein können, dass sie diesen Platz wirklich einfordern.
Wir sitzen so nicht, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Nicht, weil wir in irgendeiner Form mehr zu verstecken hätten als ihr, sondern, weil es uns ein bisschen ordinär vorkäme, ungefähr so, als rülpsten wir in einer Kaffeehaus-Runde einfach mal so in den offenen Raum hinein und ließen uns dann nach hinten kippen. Wir sitzen gern im Schneidersitz, wir sitzen breitbeinig und mit den Armen vorn auf den breiten Beinen aufgestützt, aber volle Kanne uslarmäßig, nein, so sitzen wir nicht. Ihr schon, manchmal, und dann fragen wir uns, was das jetzt soll.
Nehmt ihr diese Pose wirklich zufällig ein, weil euch nie jemand gesagt hat, dass das ordinär wirkt? Weil gemütlich ist sie ja durchaus, das sieht man. Oder ist die für euch auch so eine Art männermäßiges Statement, ein Werkzeug, ein Move, den ihr immer in petto habt und der euch ein irgendwie geiles Gefühl gibt? Den ihr immer dann rausholt, wenn ihr markieren müsst, wer hier der harte Hund im Saal ist?
Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von elias-steffensen.
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Liebe Mädchen,
Auf meinem Handy befindet sich ein Bild, dessen Existenz ich auch unter Folter leugnen werde: Es zeigt drei Menschen, die hier im Hochhaus arbeiten, und ich habe es heimlich gemacht. Was schade ist. Denn dieses Bild gibt viele Antworten darüber, was breitbeinige Sitzer transportieren - und wie egal das trotzdem ist.
Die Redakteure auf dem Bild bekleiden jedenfalls allesamt leitende Positionen. Jeder von ihnen ist in beruflicher Hinsicht ein eisenharter Hund, der einem wie dem von Uslar auf den Kopf pinkeln könnte, ohne das Bein dafür heben zu müssen. Und doch sitzen sie da wie die drei Affen, die sonst nichts sehen, hören und sagen, und führen die Möglichkeiten des männlichen Sitzens vor: Die engüberschlagene Impotenzvariante (links) raucht mit schlaffem Handgelenk, der Kollege-Halboffen sucht auf der rechten Seite Halt an einem Pappbecher. Beim Mittleren sind die arme dick wie Ofenrohre und die Beine stehen so breit, da könntest du einen Kleinwagen drin parken.
Und malte man ihnen Sprechblasen über die Köpfe, stünde in der mittleren garantiert: "Yippie-Ya-yeah-Schweinebacke". In der rechten: "Hihi". Und links gäbe es eine Gedankenblase, und in der hieße es: "Ich muss ganz dringend Pippi, trau’ mich aber jetzt nicht mehr, es laut zu sagen". Bildunterschrift: "Einer ist immer noch härter." Das Bild ist sehr eindringlich – und sehr veraltet.
Denn Dominanz, und um die geht es ja hauptsächlich in deiner Frage, funktioniert nicht mehr so wie früher (vielleicht hat sie auch früher schon nicht funktioniert wie früher – aber das weiß ich nicht). Das wurde mir klar, als ich auf der Suche nach möglichst breitbeinigen Zeitgenossen Youtube gescannt habe. "Du kannst nicht in einer Talkshow wertkonservative Positionen vertreten, während deine Beine auf diese verkniffene Art überschlagen sind", hatte Kollege S. nämlich in der Konferenz gesagt, und ich hielt das für einen sehr pointiert klugen Satz, den ich ihm stehlen wollte. Also habe ich geguckt: "Kai Diekmann Interview", "Gerhard Schröder Elefantenrunde", "Nikolaus Blome Talkshow".
Ergebnis: Doch, geht. Die Alpha-Tiere herrschen heute alle mit überschlagenen Beinen und gequetschten Hoden. Möglicherweise, weil inzwischen mehr mit dem Kopf dominiert wird als mit dem Bizeps. Wirklich breitbeinig dasitzen jedenfalls – und zwar auf die Art von Heranwachsende, die noch einen Nachmittag lang zwischen den Beinen durch auf den Boden spucken –, das tut nur Stefan Raab. Und seien wir ehrlich: Wenn du den jetzt neben einen so drahtigen Denker wie Diekmann setztest, wirkte er damit noch einmal teigiger als sonst eh schon.
Damit kann ich nun, und ich war bis zu dieser Recherche selbst sehr unsicher, weitestgehend Entwarnung geben, was uns betrifft: Nein, Beine im Breitwinkel sind weder Move noch Werkzeug und ein Statement gleich gar nicht. Sie sind grundsätzlich einfach nur: bequem für eine bestimmten Zeitraum. Eine Blutzirkulations-Variante, die gleichberechtigt neben überschlagen und "Knöchel-auf-Knie-Stellung" laufen. Weil: "Volle Kanne uslarmäßig" machen wir eher gar nix mehr. Ich glaube, das ist auch gut so.