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Alles so schön friedlich

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Berlin – Hält Google sich nun an sein eigenes Motto – und tut wirklich nichts Böses? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, auf welcher Seite man steht.



Hat die Berilner Start-up-Szene mit etablierten Technologieunternehmen vernetzt: Simon Schäfer.

Simon Schäfer zum Beispiel gehört zu denen, die Google viel Bewunderung entgegenbringen. Als Partner der Investmentfirma JMES hat er schon in viele neu gegründete Technologiefirmen investiert. Er glaubt an den Austausch – und er hat der boomenden Berliner Start-up-Szene dazu nun einen weiteren Ort gegeben. Ein Campus, auf dem etablierte Technologieunternehmen sich mit jungen Gründern vernetzen – und voneinander profitieren. Der fünfstöckige Bau, eine ehemalige Brauerei, auf die ein Neubau aufgesetzt wurde, bietet Platz für bis zu 600 Mitarbeiter. An der ehemaligen Grenze zwischen Ost- und West-Berlin erstreckt sich das Areal auf über 16000 Quadratmeter. Internetfirmen können hier Tische mieten, kleine und große Büros, je nach der Phase, in der das Start-up gerade steckt.

Google unterstützt die Factory über drei Jahre hinweg mit einer Million Euro, bietet Seminare, Gratis-Software und Veranstaltungen für Unternehmer und Entwickler an. In einem Mentorenprogramm sollen Google-Experten Start-ups aus ganz Berlin in der Factory beraten. Für all jene also, die es so wie Schäfer in der quirligen Gründerszene von Berlin zu etwas bringen wollen, tut Google viel Gutes: Der Internetkonzern hat schließlich auch – anders als die klamme Hauptstadt – eine Menge Geld. Und gerade daran fehlt es den Gründern.

Schäfer greift gern zu Metaphern aus der Biologie, wenn er über die Berliner Szene spricht: „Ein frühes Ökosystem braucht Austausch“, sagt er, die Factory sei ein „Lebensraum“. Und zwar einer, in dem nicht der Große den Kleinen frisst, sondern ihm helfend unter die Arme greift – und einem Start-up vielleicht mal einen interessanten Mitarbeiter abwirbt. Als Vorbilder nennt Schäfer die Epizentren der Internetgeschäftswelt: den Googleplex, den Apple- Campus, die Facebook-Headquarters. „Wir sind aber keinen Aktionären, sondern den Gründern verpflichtet.“

Die Sache ist nur: In Deutschland haben viele inzwischen Zweifel daran, dass der Große die Kleinen wirklich nicht fressen wird. Vielen ist Google zu mächtig geworden. Kleinere Anbieter von Internetportalen beispielsweise haben sich in Brüssel beschwert, dass Google sie in der Trefferliste seiner Suchmaschine viel zu weit unten listet. Verzehrter Wettbewerb, lautet der Vorwurf. Die hiesigen Verlage fürchten sich, die Autoindustrie ebenfalls – auch wenn sie dies nur hinter vorgehaltener Hand zugibt.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) fordert bereits eine Zerschlagung. Googles Verwaltungsratschef Eric Schmidt hat gerade in einem Interview mit dem Spiegel gesagt, dass er gern mit seinen Kritikern zu Abend isst. Und tatsächlich haben sich die beiden Männer am Dienstagabend getroffen. Deutschland ist schließlich wichtig für Google. Nicht nur wegen seiner Gründerszene.

Gabriel dürfte Schmidt nicht von seiner Idee überzeugt haben, dass es besser für den Internetnutzer, für die Wirtschaft, ja für die ganze Welt ist, wenn Google in viele kleine Teile aufgespalten wird. Zerknirscht wirkt er jedenfalls nicht. Im Gegenteil, Schmidt ruft die jungen Unternehmer in der Factory auf, sich zu kleinen Googles zu entwickeln, groß zu denken, ja global und ihre Geschäftsideen nicht nur für Berlin oder Deutschland zu entwickeln. An die deutsche Politik hatte Schmidt nur einen Ratschlag: Schafft dem Land ein schnelleres Internet an und zwar schnell!

Das von den europäischen Richtern verhängte Lösch-Urteil gegen Google, mit dem die Nutzer ihr Recht auf Identität wahren sollen, kommentierte Schmidt nur kurz: „Wir sind sehr enttäuscht.“ Doch jetzt werde man sich eifrig dran machen, die Vorgaben umzusetzen. Schließlich wollten die Richter das Internet ja auch für die Skeptiker zugänglich machen.

Der Vertreter des bösen großen Monopolisten gab sich also handzahm und das passte eigentlich auch ganz gut zu der Einweihungsfeier für den neuen High-Tech-Campus. Denn die wirkte eher wie ein niedliches Nachbarschaftsfest: Kleine Buden mit gestreiften Markisen, Lichterketten und fröhliche Wimpel, auf den Tresen stehen Teller mit Mini-Cupcakes. Und Schäfer verkündet stolz, dass unter den Mietern der Factory die Mozilla-Stiftung, die Musik-Plattform Soundcloud und sogar das Online-Netzwerk Twitter sind. Miteinander statt gegeneinander – so präsentiert Schäferdieses pulsierende Ökosystem.

Im zweistöckigen Büro von Soundcloud, dem Aushängeschild der Berliner Start-up-Szene, steht der Einzug schon kurz bevor. In der riesigen Design-Wohnküche glänzt eine gewaltige Espressomaschine silbern in den Raum hinein. Auf Holztischen warten orange Kabelbündel auf die Laptops der 200 Mitarbeiter.

„Das hier ist ein historischer Ort der Trennung“, sagt Rowan Barnett, ein Brite, der seit zehn Jahren in Berlin lebt, und für Twitter neue Märkte erschließt. „Genau neben dem Hauptgebäude verlief früher die Mauer. Und jetzt arbeiten hier Firmen aus Amerika und Deutschland zusammen.“ Die Arbeit hier werde Twitter stärken, ist sich Barnett sicher.

Das stört keinen. Twitter ist ja noch nicht Google. Vor Twitter fürchten sie sich in Deutschland noch nicht.

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