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26. Mai bis 1. Juni: Baumwipfel und Arbeiten in der S-Bahn

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Meine Europadepression ist gewaltig. Haben sich die Rechtsextremisten eigentlich mal klargemacht, wie absurd es ist, wenn ausgerechnet sie eine internationale Fraktion bilden? Fragt sich Angela Merkel nicht ab und zu, ob Dreistigkeit nicht wenigstens besser getarnt werden sollte, wenn sie schon keine anderen Argumente zur Kenntnis nehmen will?


Nachdem mein Liebster aus Prag zurück ist, bauen wir mit viel Fummelei unseren Balkon um, vernetzen ihn sozusagen absturzsicher. Die Katzen, für die wir uns die Mühe machen, danken es uns mit einem Pissefleck auf dem Sofa, sind dann aber ganz aufgewühlt dank der neuen Freiheit. Besonders eine der beiden maunzt so rührend, dass ich mich frage, wie viel verschüttetes Instinktwissen wohl allein durch das Rauschen der Baumwipfel und den blauen Himmel über dem Kopf reaktiviert wird, ganz zu schweigen von vorüberfliegenden echten Insekten und Vögeln. Ich fühle mich ein wenig so, als hätte ich einem Teenager zum ersten Mal Alkohol eingeschenkt.


Im Büro jede Menge Produktionshektik, über die ich mich ärgere, weil zumindest ich dachte, alles dafür getan zu haben, am Ende des Monats mal nicht hetzen zu müssen. Der Feiertag kommt uns da recht ungelegen, zumal Kollege M. erst auf den allerletzten Drücker ein Stück Arbeit fertigbekommt, das ich eigentlich schon vor einem Monat mal gemacht hatte, das aber niemand je wieder erwähnt hat. Nachdem sich herausstellt, dass M.s Variante leider auch nicht gut genug ist, spiele ich kurz mit dem Gedanken, noch einmal meine von den anderen anscheinend stillschweigend verworfene Version in den Ring zu werfen, bin dann aber doch zu stolz. Resultat der Sache ist: M. verbringt den Feiertag damit, nochmal nachzuarbeiten, und bittet uns dann am Feiertag, nochmal draufzuschauen, was ich dann tatsächlich per Smartphone in der S-Bahn, auf dem Weg zu einer Familienfeier, tun muss. Noch vor einem Jahr hätte ich mich über Leute gewundert, die solche Geschichten von ihrem Job erzählen.


Immerhin ist der Feiertag dann doch sehr entspannend, und die zweite Wochenhälfte wird deutlich schöner, obwohl meine Eltern den geplanten Besuch wegen eines verstorbenen Großonkels absagen müssen. Eine Freundin und ich machen endlich unsere Verabredung zum Tanzen fest, ich konkretisiere meine Arbeits- und Urlaubspläne für den Sommer und schreibe eine Rezension fertig, die mir trotz aller momentanen Unzufriedenheit mit meinem Hirn sogar gefällt. Noch dazu kann ich als Nächstes mal ein richtig spannendes und dennoch nützliches Buch lesen: Norbert Elias' Über den Prozeß der Zivilisation. Ich freue mich schon sehr auf die Kapitel zu den Essmanieren. Und nächste Woche werde ich mit dem Kollegen M. mal über konstruktive Kritik statt Totschweigen reden.


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