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Wie jetzt.de mein Leben rettete // nach einer wahren Geschichte

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Ich bin Julian, werde dieses Jahr 28 und möchte kurz erzählen, wie mir jetzt.de vor etwa 10 Jahren mein Leben gerettet hat. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht vom Tode bedroht, dennoch fühlte ich mich manchmal so. Also „Leben gerettet“ nicht im Sinne von „Sonst wäre ich tot“, aber dazu später mehr.


Vor bald einem Jahrzehnt war ich schon einmal hier. Nicht hier im Auto, wo mir diese Gedanken kommen, auch nicht hier auf dem Sofa, wo ich alles in meinen Laptop tippe, sondern hier, hier bei jetzt.de.


Genau genommen war ich damals am 13.07.2004 sogar zum ersten Mal hier.


Oft heißt es, früher war alles besser. Das sehe ich eigentlich nicht so. Vor allem, da mein Leben früher nicht so gut war wie heute.


Gültigkeit hat dieser Satz aber für diese Seite.


Man kennt das doch, wenn man ein Haus renoviert, so richtig mit Wänden versetzten, neuen Türen einbauen, wo vorher keine waren, oder vielleicht nur neue Fenster. Oder wenn eine große Kreuzung in der Stadt zum Kreisverkehr umgebaut wird. Dann nach gar nicht allzulanger Zeit fällt es schwer, sich daran zu erinnern, wie es vorher ausgesehen hat. Manchmal kann das aber auch ganz gut sein, dann müsste ich mich heute nicht über diese Seite ärgern.


Ich erinner mich noch wie jetzt. de früher ausgesehen hat, daran erinner ich mich sogar besser als an viele andere Dinge, die vor 10 Jahren waren. Ich stehe Neuerungen gegenüber immer offen da, ich mag den Fortschritt, aber hier hat der Fortschritt für meinen Geschmack keine Besserung gebraucht. Diese Seite ist heute unübersichlicht, viel zu bunt und mit Werbung überfrachtet.


Die ursprüngliche Version dieser Seite war toll. Ich war wohl 17, als ich mich hier registriert habe. Ich hatte wohl gerade das erste Lehrjahr in einer Autowerkstatt abgeschlossen. Damals war ich, zum Ärger vieler anderer, sehr oft und lange im Internet, das hat sich bis heute nicht geändert, nur ist das heute normal.


Erinnert sich noch jemand, dass man sich 2004 ins Internet einwählen musste? Eine Standleitung hatte da längst nicht jeder und vom Handy...?


Damals hatte das Internet auch nicht so viel Inhalt wie heute oder zumindest habe ich den damals noch nicht entdeckt. Facebook war auch nur ein englisches Wort und auf ebay gab es viel Gebrauchtes.


So war mir wohl einfach langweilig und die Seiten www.miristlangweilig.de, www.ichhabhunger.de und www.meineelternnerven.de gabs nicht. Da tippte ich jetzt.de ein und landete hier. Hier ist falsch. Es war auf der alten Seite, also landete ich da. Irgendwas muss ich interessant gefunden haben und so meldete ich mich an.


Damals hat man sich mit seinen Daten längst nicht so einfach überall registriert und ohne eine halbe Milliarde Facebooknutzer gab es auch den Button „Connect via Facebook“ nicht.


Nach der Anmeldung habe ich das gemacht, was man heute noch immer macht. Ich habe mich umgesehen und angefangen zu lesen.


Es gab unter anderem die Kategorien Lesenswert, Hörenswert, Sehenswert, Bookwert sowie siesoerso und verlieben, lieben, entlieben. Außerdem konnte man Bilder ausstellen und alles kommentieren und bewerten. In der Zeitrechnung vor Facebook war das toll. 


Speziell für mich waren damals die Kategorien rund ums lieben interessant. Eine Emotion, die so viele verschiedene Seiten und Möglichkeiten hat.


Zu der Zeit war ich allein. Ich lebte bei meinen Eltern, wie das so ist mit 17 und ich hatte eine recht schmerzliche Trennung hinter mir. Online hatte ich viele Kontakte, ich will nicht sagen Bekannte oder Freunde wie es heute im Facebook-Slang heißt, denn wirklich gekannt habe ich kaum jemanden dort.


Interessante Einblicke in die Menschen gaben mir aber die vielen Geschichten und Texte, die ich dort lesen konnte. Bei mir meldete sich plötzlich auch die Kreativität. Die Eigenschaft besitze ich schon lange, lebe sie mal mehr, mal weniger aus, aber wenn dann meist mit meinen Händen. Ich baue Dinge. Male Dinge an. So nebenbei, ohne Atelier und oft ohne Plan. Manchmal habe ich schon gedacht, dass ich meine Gedanken mit einer gewissen Kreativität zusammenfassen und zu Papier oder besser zur Tastatur bringen könnte. Ich begann zu schreiben, Kurzes, Längeres und Mittleres.


Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich länger nicht mehr hier war und nicht weiß, wie es hier zurzeit abläuft. Aber damals wurde noch jeder Beitrag von einer Redaktion geprüft und erst dann veröffentlicht. Zusammen mit der noch kleinen Nutzerzahl war das fast ein Literaturforum. Die Masse war kleiner, die Qualität brillianter.


So las ich viel und wurde gelesen, habe mit vielen über ihre Texte gesprochen und wurde auch auf meine angesprochen. Alles virtuell versteht sich. Jetzt.de war mein Wohnzimmer, ich saß mittendrin im jetzt-Kosmos.


Einmal laß ich einen Text von einem Mädchen, etwas älter als ich, sie hatte eine ähnliche Trennung wie ich vor einiger Zeit erlebt und hatte mit den Nachwirkungen zu kämpfen. Ich schrieb ihr, wie selbstverständlich, dort einen Kommentar dazu. Ich wollte nicht den Tröster geben, sie war auch nicht in der Lage einen zu brauchen.


Ich wollte einfach helfen. Sie machte sich offensichtlich Sorgen, damit ist doch niemand gern alleine.


Sie erwiderte meinen Kontakt und bald wurde er regelmäßig. Sie hatte mir viel mitzuteilen und ich ihr auch, so kam es, dass wir miteinander sprachen. Am Telefon, abends schrieben wir SMS. Und morgens auch. Das geschah im Oktober.


So bald würde sich das auch nicht ändern, dachte ich, da zwischen unseren Computern fast 150km lagen. Ich wohnte am westlichen Ende vom Niederrhein, direkt an der niederländischen Grenze und sie im Münsterland.


Damals hatte noch nicht jedes Mobiltelefon eine Kamera, auch hatte nicht jeder eine Webcam oder einen Scanner, um Fotos zu digitalisieren, so wusste ich von Anfang an nicht, wie dieses Mädchen aussah. Es war mir auch, entgegen meiner damaligen Natur, vollkommen egal, denn sie hatte eine wunderschöne Stimme und, was sie damit sagte, zeugte von Eigenschaften, die mir gefielen.


Nach zwei Monaten beschlossen wir, uns zu treffen.


Wir machten aus, dass ich am zweiten Weihnachtsfeiertag 2004 zu ihr kommen sollte.


Von Viersen mit dem Zug nach Haltern am See. Dort wollte sie mich abholen und mit zu ihrem Elternhaus nehmen. Da die Zugfahrt allein 1 ½ Stunden dauerte, beschlossen wir, dass ich bei ihr übernachten sollte.


Zu diesem Zeitpunkt war ich 18 und sie 19.


Eigentlich alt genug um zu entscheiden, mit wem man sich trifft und was dann passiert.


Aber so lange man seine Füße unter den elterlichen Tisch stellt...


Auflage war also, dass wir die Nacht getrennt schliefen.


Der Regionalexpress RE2 legt pünktlich in Haltern an. Ich schaute mich am Gleis um, ging die Treppe zum Fußgängertunnel hinunter ...


Ich suchte nach ihr, dabei wusste ich nicht viel über ihr Aussehen, ich wusste aber, dass sie mich erkennen würde. Auf der anderen Seite verließ ich den Tunnel über die Treppe, da waren einige Menschen und ich wusste nicht so recht, was ich jetzt tun sollte. Sie wäre nicht die erste, die mich am Bahnhof hätte stehen lassen. Doch plötzlich inmitten der Menschen sah ich ein Gesicht, das mich breit anlächelte. Es war ein sehr schönes Lächeln, so lächelte ich zurück. Es war auch ein sehr hübsches Gesicht, das mich da anlächelte. Mir war sofort klar, das ist sie. Das ist Doro, sie hat mich nicht am Bahnhof stehen lassen und sie ist hübscher, als ich erhofft hatte.


Wir verbrachten diese zwei Tage miteinander. Der Abschied war schmerzlich, aber wir wussten beide das er kein Abschied für immer war. Wieder zuhause konnte ich kaum vom Telefon lassen.


Ihr ging es genau so. Nach ein paar Tagen haben wir beschlossen uns zusammen zu tun, es zu versuchen. Eine Fernbeziehung. Das war der 3.1.2005


Wir wussen nicht wie das geht. In der ersten Zeit sahen wir uns manchmal nur alle paar Wochen. Aber es dauerte nicht lange, da sahen wir uns jedes Wochenende. Ich war befreundet mit dem RegionalExpress2, sowie den Autobahnen im Ruhrgebiet.


Ich lernte nach und nach ihre Familie kennen und sie meine.


Eigentlich lief es wie überall sonst: Man hat eine richtig tolle Zeit, ab und zu mal mit Aussetzern. Wir fuhren gemeinsam in Urlaub, schraubten an unseren Karrieren etwas rum.


Wir pendelten in der Zeit etwa 75tausend Kilometer. Verbrachten Stunden am Bahnhof, im Zug, im Auto, an der Tankstelle und im Stau. Aber dann, irgendwann 2010 kam der Punkt an dem ich einen neuen Job suchte. Mein Traumjob wurde mir angeboten, ganz in ihrer Nähe. Also zog ich Hals über Kopf zu ihr, nach fünfeinhalb Jahren Fernbeziehung. Wir suchten uns eine Wohnung und es lief.


Jetzt leben wir hier in einer kleinen Hütte weit draussen auf dem Land mit unserem Hund und vielen lieben Leuten um uns herum.


 


Nun, lange Rede kurzer Sinn, am 14.06.14 werde ich dieses Mädchen zu meiner Frau machen.


Ich hätte nicht gedacht, das mein Leben so toll werden würde.


*Danke meine Liebe.


 


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