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Die Verwandlung blieb aus

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Kennst du das Gefühl aussichtsloser Verliebtheit? Wenn die Schmetterlinge im Bauch Bleischuhe tragen, weil du weißt: der Mensch, den du da anhimmelst, ist nicht gut für dich – oder überhaupt unerreichbar?


Genau so, nur ganz anders, ging es mir, als ich von diesem Literaturwettbewerb las. Erster Preis: ein mehrtägiges Schreibseminar eines namhaften Verlages, für das man bei regulärer Teilnahme schon ein paar bunte Lappen hinblättern muss. Aber auch die Trostpreise waren nicht zu verachten: Bücherschecks in einem für Bücherschecks ziemlich hohen Wert. Ich war Feuer und Flamme! Ein Ehrgeiz loderte in mir auf, wie ich ihn seit den Bundesjugendspielen 1982 nicht mehr gespürt habe – als er mich trägen Klops zu einer Siegerurkunde mit Minimalpunktzahl getrieben hatte.


Dann las ich das Thema des Schreibwettbewerbs, und ich wusste: Wir beide kommen nicht zusammen. Niemals. Dabei klang das Thema zuerst so harmlos, ja verheißungsvoll: „Verwandlung“. Aber ich kenne mich nun mal seit meiner Geburt und weiß: zu diesem Thema habe ich nicht nur niemals etwas geschrieben – ich habe auch nicht den Anflug des Hauchs einer Idee für den Entwurf einer Geschichte, in der eine Verwandlung stattfindet. Um mir nicht vorwerfen zu müssen, ich hätte nicht alles versucht, ging ich meine weit über zwei halb angebissenen Kurzgeschichten durch, die aus irgendeinem verlassenen Ordner namens „Neuer Ordner“ im hintersten Modul meines Rechners schreien, dass man sie endlich fertig schrübe. Aber auch hier war keine Rettung zu erwarten. Ich überflog den Schmarren, benannte den Ordner in „Entwürfe“ um und löschte ihn mit Shift/Entfernen.


Trotzdem ließ mich die Sache nicht los. Die Preise waren zu verlockend. Und es ist ja nicht so, dass man mich zum Schreiben prügeln müsste. Schon als Kind habe ich immer lieber geschrieben als gesprochen. Hatte mir zum Beispiel meine Tante am anderen Ende Deutschlands wieder einmal ein Paket mit Handtüchern, Waschlappen und langen Unterhosen zu Weihnachten geschickt, schrieb ich ihr stets freiwillig ellenlange Dankesbriefe, in denen ich die Nützlichkeit der Handtücher pries, ein Loblied auf die Waschlappen sang und den Tragekomfort der Unterwäsche in bewegenden Worten schilderte. Darum sollte es doch nun ein Leichtes sein, sich ein Geschichtchen zum Thema „Verwandlung“ aus dem Hirn zu wringen. Und wo begegneten einem nicht überall Verwandlungen! Das Hühnerei zum Abendbrot verwandelt sich, von kundiger Hand in die Pfanne gehauen, vom glibbrigen Salmonellenbomber in eine feste, graue Matschepampe. Die alte Schrapnell an der Bar verwandelt sich Schluck für Schluck in eine begehrenswert lockende Sirene. Ich selbst verwandle mich über Nacht von einem geschniegelten, gescheitelten, glattrasierten Homo sapiens in einen struppigen, stoppligen Neanderthalzausel. Verwandlung allerorten. Doch so angestrengt ich auch nachdachte, bis mir der Kalk aus den Ohren rieselte: die Verwandlung von dreißig kleinen Buchstaben in eine Verwandlungsgeschichte blieb aus.


Bevor ich mich nun durch fruchtloses Gegrübel in ein psychisches Wrack verwandle, habe ich mich zwecks Preisgewinns wieder aufs Kreuzworträtselraten verlegt. Auch hier habe ich mit Buchstaben zu tun, kann aber keinen größeren literarischen Schaden anrichten. Ich suche auf diesem Weg übrigens noch einen „Lebensbund“ mit drei Buchstaben, vorne E und hinten E. Vielleicht hast du’s ja raus, ehe du dich’s versiehst …


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