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Neue Kölner Schule

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Es hat sich was verschoben im deutschen Fernsehen. Noch immer gibt es die Front zwischen Seriosität und Belanglosigkeit, allerdings scheinen die Parteien Plätze getauscht zu haben. Sehr schön konnte man das sehen, als das ZDF am Dienstag ein sogenanntes Duell zwischen Burger King und McDonald’s veranstaltete und im Großteil der Sendezeit kaum mehr lieferte als geschmäcklerische Zufallsbefunde, die zu Testergebnissen aufgeblasen wurden. Relevanz und Nachwirkung? Gleich null.



Alter Meister: Günter Wallraff bildet jetzt bei RTL aus – und lobt den Sender für seinen Mut.

Das wäre möglicherweise unbemerkt geblieben, hätte nicht ein Konkurrent eine gute Woche vorher einen ganz anderen Maßstab gesetzt. Da war RTL mit seinem „Team Wallraff“ losgezogen, um zu zeigen, welch katastrophale Zustände in einzelnen Burger-King-Filialen herrschen. Der RTL-Journalist Alexander Römer hatte undercover beim Fast-Food-Anbieter angeheuert und unter anderem entdeckt, wie abgelaufene Lebensmittel einfach umdatiert wurden. Die aus dem Film resultierenden Folgen waren so verheerend für Burger King, dass die Schnellimbisskette Schadensbegrenzung betreiben musste. Ein Geschäftsführer wurde abgelöst, und der Konzern gelobte Besserung. Man habe gelernt.

Was ist los im deutschen Fernsehen, wenn ein Privatsender dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen vormacht, wie man Missstände aufdeckt und wirklich was auslöst? Ein Besuch in der zuständigen RTL-Redaktion soll Antworten bringen.

Dort sitzen drei Undercover-Reporter. Caro Lobig hat beim Versender Zalando gearbeitet und die schlechte Behandlung der Mitarbeiter aufgedeckt, Alexander Römer war bei Burger King mit versteckter Kamera unterwegs, Pia Osterhaus hat als Praktikantin in Pflegeheimen gravierende Missstände gefilmt. Unter Anleitung von Undercover-Altmeister Günter Wallraff haben sie sich eingeschlichen und in bislang drei Filmen belegt, was schwer zu belegen ist.

Der Erfolg war groß und ansteigend. Von Folge zu Folge schauten mehr Menschen zu, und am Schluss, als es um Pflege ging, hatte „Team Wallraff“ mit 4,4 Millionen Zuschauern mehr Publikum erreicht als der vorher als Millionärs-Quizonkel firmierende Günther Jauch. Auch bei Facebook ging es steil bergauf. Wurden vor der ersten Folge 200 Facebook-Fans gezählt, so sind es gut zwei Wochen später mehr als 47 000. „Ich hatte mit einem solchen Erfolg nicht gerechnet“, sagt Wallraff. Er war erst skeptisch, was die Arbeit beim Privatsender angeht. Nun aber zollt er Respekt. „RTL hat Mut bewiesen und den Verlust von Werbeeinnahmen riskiert“, lobt er.

Wallraff spielt derzeit wie gewohnt auf vielen Feldern. Er hilft Gewerkschaften und muss sich gerade mit einem von der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach wegen uneidlicher Falschaussage in einem Verfahren von 2012 gegen ihn beantragten Strafbefehl herumschlagen. „Ich gehe davon aus, dass das durchschaut wird und in sich zusammenfällt“, sagt er.

Dass er für das Team trotzdem von hohem Wert ist, bekräftigt Pia Osterhaus, die als Reporterin im Heim gearbeitet hat und dort mehrfach an ihre Grenzen kam. „Ich habe so oft menschenunwürdige Situationen erlebt, in denen ich stopp rufen wollte. Günter Wallraff hat mich darin bestärkt, meine Deckung so lange wie möglich aufrechtzuerhalten“, berichtet sie. Sie freut sich über die enorme Resonanz mit guten Quoten und Tausenden E-Mails, sie weiß aber auch, dass der Effekt einer guten Reportage nur begrenzt haltbar ist. „Man wird mit einer Reportage nicht ein ganzes System ändern. Das kann nur der Anfang sein.“

Fragt man, wie es kommen kann, dass RTL mit den Undercover-Reportagen gerade die große Welle macht, kommt schnell die Rede auf die Altersstruktur. „Das liegt an dem jungen Publikum, das wir erreichen“, sagt Caro Lobig. Tatsächlich war die Heim-Reportage am Montag Marktführer bei den Zuschauern unter 50 Jahren. „Unsere Themen kommen aus der Mitte der Gesellschaft“, sagt Jan Rasmus, der zuständige Redaktionsleiter des Teams, und präsentiert stolz den stetig ansteigenden Quotenverlauf. „Bei uns geht niemand ins Bett“, sagt er, und man spürt, dass RTL dieses Projekt durchaus als etwas ansieht, das auf die Marke einzahlt. „Die Dinge, die wir tun, tun wir sehr konsequent. Wir lassen uns das was kosten“, sagt er und berichtet, dass momentan noch einige Reporter aus dem Hause undercover unterwegs sind.

Viel Geheimhaltung ist dafür notwendig. Wie das mit den Kameras funktioniert, will niemand aus dem Team verraten. Und das Thema vom nächsten Montag wird auch noch nicht ausgeplaudert. „Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, das Thema vorher nicht zu verraten“, sagt Rasmus.

Sie wirken ernsthaft, diese jungen Reporter. Sie reden von Leidenschaft, und sie nehmen das, was sie tun, sehr ernst. So ernst, dass man sie glatt für ein bisschen verbissen halten könnte. „Ich hoffe, es kam rüber, dass wir auch viel Spaß hatten“, sagt der Burger-King-Reporter Alexander Römer am Schluss des Gesprächs.

Nun ja, nach purem Spaß klingt es nicht direkt, wenn diese RTL-Nachwuchskräfte berichten. Aber vielleicht ist gerade das auch eine Art Markenzeichen für eine neue Richtung des Privatsenders. Denn wie man Spaß hat, wissen die beim ZDF inzwischen offenbar ohnehin besser.

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