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Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better.

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"Tut mir leid", murmel ich. "Scusi" schieb ich hinterher. Wird wohl nicht das letzte Mal gewesen sein. Ich habe das Gefühl, ich muss Italienisch lernen.

Ich lerne gerade viele neue Wörter. Zum Beispiel Sclaverandventil. Elendes Scheißteil. Sind Dinge mit französischen Namen eigentlich immer anstrengend? Der Reifen bleibt platt, der Adapter meiner Luftpumpe taugt nix. Ist es der Adapter? Oder doch was anderes? Kann ich mit dem platten Reifen zum nächsten Fahrradladen schieben ohne meine Würde zu verlieren? Und geht dabei der Schlauchreifen kaputt? Werde ich dann enteignet?

Ich sitze vor dem bella bicicletta in meinem Wohnzimmer und bin faszinierend hilflos. Zupfe an der Kette, fingere am Umwerfer herum, fahre den gravierten Markennamen in den glänzenden Teilen mit der Fingerspitze nach. Cinelli. Pelissier. De Rosa. Und immer wieder Campagnolo.
Frage mich, ob der Zahnkranz nicht etwas abgenutzt ist. Googel Zahnkranz, Rennrad, abgenutzt. And down the rabbit hole it goes.... Ich habe so keine Ahnung. Was ja ok wäre. Ich habe jahrelang meine Räder Fahrradmechanikern überlassen, wie Königinnen ihre Kinder der Gouvernante. Ich habe mich dabei sogar sehr sozial gefühlt. Unterstütz your local Schrauber und so.  Man kann ja nicht alles reparieren und Mechanik hat mich schlicht nie interessiert.

Mein Name ist lakrizia_borgia und ich habe ein Problem. Mein erstes Rennrad bekam ich mit 16. Ein gebrauchtes Peugeot. Perlmuttweiß mit blau. Stahlrahmen. Das verstand ich bisher unter technische Daten.
Ein beliebter Test, der dem Nachweis dient, dass Frauen und Männer doch komplett unterschiedliche Lebensformen sind, beinhaltet die Aufgabe, ein Fahrrad zu zeichnen. Mädchen scheitern in der Regel daran. Dafür können sie Pferde zeichnen.

Das Peugeot hatte ich vier, fünf Jahre und dann wurde es mir geklaut. Danach hatte ich ein Vorkriegsfahrrad, welches ich nach kurzer Zeit intensiv gehasst habe. 30 Kilo Fahrrad eine enge Kellertreppe runter und hoch zu tragen macht keinen Spaß. Danach habe ich mir ein Trekkingrad bauen lassen und bevor ich den Antrag für die Versicherung abgeschickt hatte, wurde es mir geklaut. Danach wieder ein gebrauchtes Rennrad, welches ich gegen ein Mountainbike eintauschte, als es Probleme mit dem Tretlager gab. Das Mountainbike habe ich noch mehr gehasst, als das Vorkriegsrad. Kackteil. Wurde gottseidank geklaut. Danach wieder ein Rennrad, als Dauerleihgabe für mein Jahr in LA. Ich habe mir nicht mal die Marke gemerkt. Ich glaube, es war ein Biancchi. Grau. Es fuhr sich wundervoll und es gab mehrere Klauversuche.

Ich mag, wie leicht die Rennräder sind, wie agil und wie schnell. Ich habe nur nie eine Lösung für das Handtaschen und Rockproblem gefunden. Mein letztes gekauftes Rad war daher auch konsequenterweise ein Hollandrad. Unnötig zu erwähnen, dass ich es fast sofort gehasst habe und lieber die Rennräder meines Liebsten gefahren bin.

2014 und der Liebste ist weg. Ich brauchte ein neues Rad. Wusste aber nicht, was und woher. Eine Zufallsbegegnung ließ mich auf den bike-maven und seine Sammlung treffen. Ich wollte wieder ein 80er Jahre Rennrad und ich hatte einen Profi zur Hand. Und das Elend nahm seinen Lauf. Ich fragte den bike-maven nach Rat. Und Rat bekam ich. Und begeisterte Vorträge über Rennräder. De Rosa Räder. Er hätte auch Crack an Schulkinder verschenken können. You can't unsee…

Ich habe mich übernommen. Bella bicicletta… Man schenkt einer 10jährigen kein Rennpferd und eine mechanische Analphabetin sollte sich kein De Rosa als Alltagsrad kaufen. Der Verkäufer schaute mich entsprechend an, als ob er gerade sein Erstgeborenes an Menschenfresser zur Adoption abgegeben hätte, als ich das Rad vom Hof schob. Ich kann es ihm nicht verdenken.

Ich lese mich durch Fahrradfanatikerforen und Radreparaturratgeberwebseiten, um mehr über das Rad zu erfahren. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so lernbegierig war. Und mir dämmert, mit Kette fetten und Bremsen nachstellen ist es nicht getan. Ich habe mir einen Ferrari gekauft und bekomm den Tankdeckel nicht auf. Ich schiebe das Rad in den Flur und das leise klickklickklick macht mir Herzklopfen vor Freude, auch wenn ich nicht mal weiß, welches Teil dieses Geräusch verursacht. Ich werde es googeln.

Ich grinse und mir wird klar, ich habe ein Hobby gefunden.




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