Ich hab das Gefühl für mich verloren. Der Zugang zu meinen Gefühlen ist mir fremd geworden, im Laufe der letzten vier Jahre habe ich soviel gefühlt oder zumindest gedacht, dass ich es fühle, dass es irgendwann zu viel geworden ist. Ich habe angefangen, mir selbst zu misstrauen, weil ich wieder und wieder Entscheidungen getroffen habe, die sich diametral entgegen meines fast schon schmerzlichen Drangs nach Integrität und absoluter Freiheit bewegt haben.
Vor vier Jahren hab ich etwas sehr großes verloren. Wir haben uns verloren. Und obwohl unsere Herzen und unsere Münder ein ums andere Mal in betrunkener Verzweiflung zueinanderfanden, hat es letztendlich noch mehr Kerben in unsere Herzen geschlagen. Es hat uns entfremdet, so sehr, dass nichts von dem Zauber, der unserem Wechselspiel innewohnte, mehr übrig blieb. Heute sind wir uns fremd, zu viel ist passiert. Zu viel zwischen uns und in uns.
In dieser Zeit in der ich fiel, flog und von Gefühlen und kindischen Hoffnungen hin und her geschleudert wurde, da habe ich angefangen, diese „falschen“ Entscheidungen zu treffen. Ich war in alles und jeden Mann verliebt, der mir ein wenig Aufmerksamkeit schenkte. Der mich ein wenig hielt und der mich vor dem Sturm bewahrte. Und wenn es wieder zerbrach, da habe ich mich geschämt. Geschämt für meine Naivität, für meine Verdrängungskünste, für die Männer, die ich wählte. Und ich hab mir immer mehr misstraut, habe das Gefühl verloren, für das was echt ist. Was richtig ist. Was falsch ist. Mit dieser wunderbar erwachsenen Selbstreflexion könnte ich nun beruhigt schlafen gehen. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.
Doch jetzt, in dieser Zeit, merke ich, dass mich meine falschen Entscheidungen, mein Verdrängen und meine Scham noch weit mehr gekostet haben. Meine Gefühle. Ich hab sie so von mir abgekapselt, dass ich sie kaum noch spüren kann. Ich bin taub geworden. Mir geht es nie besonders schlecht, aber auch nie besonders gut. Ich weiß lediglich, wann ich mich gut fühlen sollte. Ich weiß, dass ich gute Laune haben sollte, wenn die Sonne scheint, wenn ich Zeit mit Menschen verbringe, die mir sehr wichtig sind. Wenn ich einen Tag frei habe, wenn ich neue Gesichter und Städte sehe. Ich weiß, dass es mir beschissen gehen muss, wenn schlimme Dinge passieren. Doch weder spüre ich das warme Gefühl der Freude noch kann ich meiner Angst, Wut oder der Trauer durch Tränen Ausdruck verleihen. Es fühlt sich nur ganz stumpf an, das Gefühl, wie ein weit entferntes Echo noch leicht hörbar, aber nicht präsent, nicht richtig spürbar. Ich brauche wahnsinnige starke, heftige Impulse, um überhaupt etwas fühlen zu können.
Wenn dies nicht alles schon verkorkst genug wäre, so trifft mich diese Erkenntnis gerade besonders hart. Weil ich gerade nicht alleine mit diesem Problem bin.
Da ist jemand. Jemand gutes, jemand bei dem sich seit sehr, sehr langer Zeit wieder alles gut anfühlt. Wo sich nichts beißt. Jemand, für den ich mich nicht schämen muss, jemand, bei dem ich nichts verdrängen muss, weil er gut ist, so wie er ist. Auch wenn er verrückt ist. Aber anders würde ich ihn gar nicht haben wollen. Und obwohl nichts beißt und sich alles richtig anfühlt, dringe ich nicht zu meinen Gefühlen vor. Verbissen und mit Klauen bewache ich sie, weil ich so verinnerlicht habe, mir zu misstrauen, dass es so schwer ist, einfach wieder loszulasen. Einfach zu fallen, fallen auf eine gute Art. Das ist jemand der mich mag, sehr sogar. Ich mag ihn auch und trotzdem kann ich das letzte Stück des Weges, die Gabelung an der wir uns treffen sollten, dieses Stück kann ich nicht gehen. Dabei würde ich so gerne.
Und nun?