Unter dem Nachtkästchen, neben Remarque und Rimbaud, bewahrt ein Bekannter von mir Jennifer auf. Jennifer ist zusammen mit ziemlich viel Heu und einer Mistgabel auf ein Kalenderblatt gedruckt, trägt einen Vokuhila, ein kleines Stück Blümchenbluse über der Brust und sonst eher so: wenig. Mein Bekannter hingegen trägt normal viel Kleidung und ziemlich viel kultiviertes Wissen im Kopf. Wissen darüber, dass die Frauen, die in seinem Zimmer verkehren, keine Bilder von fremden, nackten Frauen mögen.
Anderes Zimmer, andere kluge Schriften und ein Katalog mit Gegenständen, um die es nicht gehen kann: Gartensprenganlagen, Gemüseraspler, Kunstdünger. Auf dem Cover: ein Bikini-Babe. Und dann hängen immer wieder in den stilvollsten Altbau-WG-Klos Bilder von Penissen mit Sonnenbrille neben Bikiniansichtskarten von der Copacabana. Und, bezeichnend: All das ist nicht versteckt. Ihr tut so, als sei Jennifer neben Nietzsche normal. Aber das passt doch nicht zusammen!
Uns beeindruckt euer ungezwungener Umgang mit der Sache, aber wir verstehen ihn nicht. Körper über Geist oder Geist über Körper, oder was? Sollen wir euch denn überhaupt als intellektuell wahrnehmen? Oder wollt ihr gar nicht reden und so...
Ironie, dachten wir zunächst. Niemand kann Jennifer schön finden. Kein Typ mit Kunstwerk-von-ner-Bekannten an der Wand kann wollen, dass ein Glanzbild-Katalogdekolleté seine Inneneinrichtung mitbestimmt. Aber warum lasst ihr euch dann nichts Besseres zum Ironisieren einfallen? Sind Pornobildchen nicht ein allzu leichtes Opfer?
Eine andere Erklärung geht so: Ihr wollt uns testen. Ihr wollt rausfinden, ob wir verbohrte Feministinnen sind. Solche, die beim offensichtlichsten Anlass aufschreien. Pornobildchen uncool zu finden ist einfach. Wenn wir solche aber eben nicht kommentieren, erfahrt ihr: Die hat mehr Gedanken als den naheliegendsten. Darüber hinaus: Die kann Provokation überstehen, die ist hart drauf, hat sicher schon einiges erlebt. Müsste man mal kennenlernen.
Weil genau das die logischste Erklärung ist, haben wir nur ein Mal und nicht fünf Mal nachgefragt. Bei Jennifer. "Sie gefällt mir", hieß es. Bei Vokuhila-Jenny ist aber nur der Körper schön. Und so überlegen wir, ob ihr sie vielleicht doch wirklich braucht. Oder sie euch zumindest manchmal den Alltag ein bisschen fröhlicher macht? Geht euer natürlicher Instinkt ("Toll!!!!!") eben doch über sozial Gelerntes ("Pornos reduzieren Frauen auf ein Objekt, sind verachtend und was für schmuddlige Ballermänner"). Und, ganz wichtig bei dem Phänomen, ihr versteckt die Bilder schließlich nicht – steht ihr zu dieser Wahrnehmung? Dann: Respekt!
Auf der nächsten Seite findest du die Jungsantwort von elias-steffensen.
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Hey Smart-Girl! Eigentlich könnten wir’s doch immer so machen: Ihr schreibt in eure Frage die richtigen Antworten gleich mit rein, wir nicken und gehen zeitig heim – zu Jennifer. Oder eben zusammen ein Bier trinken, was das Tollste wäre. Es ist nämlich ziemlich genau alles von dem, was du aufgezählt hast. Mit unterschiedlicher Bedeutung. Und mit dem Minimal-Zusatz, dass ich durchaus auch Jungs ohne Vokuhila-Jennys unter Nachtkästchen und auf Klos kenne. Und die sind auch ganz okay.
Für die anderen lauten die Gründe absteigend angeordnet: Ironie, Provokation, Test an euch, echte Leidenschaft. Und ausformuliert gehen sie so:
Ironie, weil silikongefütterte Tittenmäuse im Heu freilich weder zu unserer Welt noch zu unserem Beuteschema gehören. Wenn sie irgendwo bei uns hängen/liegen/kleben, ist da immer auch Brechung dabei. Es passiert aus derselben Logik, aus der heraus wir (also wir und ihr) unsere Geburtstage in Boaz’n feiern, in denen sonst nur dicke Männer mit adrigen Knollennasen sitzen und Rüscherl trinken. Und ist in seiner Überheblichkeit gegenüber denjenigen, die das ernsthaft tun (Tittenkalender aufhängen oder ab 11 Uhr vormittags saufen, um den Tag rumzubringen), übrigens auch genauso bescheuert.
Provokation, weil klar ist, dass man für (halb)nackte Frauen, die Gartensprenganlagen feilbieten, keine Sympathiepunkte einfährt. Aber: Immer nur nett ist auf Dauer halt auch immer nur nett. Klingt tautologisch, ist aber so. Keine Sorge, keiner von uns will werden wie Niels Ruf. Bisschen Kante darf’s aber schon sein. Und ich glaube nicht, dass ich mich zu weit aus dem Fenster lehne, wenn ich sage: Euch gefällt eine leichte Kante an uns dann und wann schon auch.
Deshalb auch Test an euch. Emanzipation gilt ja für beide. Ihr dürft/sollt/könnt/müsst auch mal aus euren Rollen heraus. Mit einer – durchaus homöopathischen – Dosis Kumpelhaftigkeit zum Beispiel, die auch die gleichen Ironie-Codes enthalten sollte. Wenn kleine, in aller Regel ja schon reflektierte Rüpelhaftigkeiten unsererseits da nicht gehen, geht’s nicht.
Und die echte Leidenschaft mag bei alldem zwar nur eine winzige Rolle spielen, sie zu verleugnen wäre aber auch bigott. Also: Wir finden Frauen toll. Sie "gefallen uns", wie du sagst. Wir schauen sie gerne an – in angezogen und in nackt, in Führungspositionen und als Praktikantinnen, in schlau und in dumm (eher in schlau aber), als Germanistinnen und als Juristinnen.
Und all das, denn das hat dich ja am meisten irritiert, funktioniert ganz wunderbar parallel zu Remarque und Rimbaud. So, wie Homer (der Grieche) und Homer (der Simpson) sich ja auch nicht ausschließen. Irgendwann hat’s bestimmt jeder von uns mal mit Mono-Charakteren versucht: Dann wollten wir nur psychisch feingliedriger, betrunkener Poet sein. Oder nur exzentrisch lauter Party-Hengst. Oder verständnisvoller Zuhörer. Oder prolliger Macho. Das hat nicht gut funktioniert. Weil niemand nur eins ist. Wir jedenfalls ist. Und ja: dazu stehen wir schon auch. Respekt braucht’s dafür aber nicht.