Kaum Druck, kaum Fristen, kaum Pflichten: Wer studiert, hat jetzt im Sommer die beste Zeit seines Lebens. Vorausgesetzt, er kann Hausarbeiten schnell und schmerzlos runterschreiben. Unsere Autorin kann das leider nicht. Hilfeschrei einer Arbeitswütigen.
Abends wird es ruhig zwischen den Bücherregalen. Keine gezischelten Gespräche mehr, keine knisternden Plastiktüten von Studenten, die ihre Sachen packen. Nur das Surren der Laptoplüftungen bleibt in der Bibliothek. Das Deckenlicht im Lesesaal ist gedimmt, die Tischlampen werfen Lichtkegel auf die wenigen Arbeitsplätze, die noch besetzt sind. Darunter glühen die Bildschirme der Laptops: mal mit Word, mal mit Facebook. Meine Freunde grillen auf der Liegewiese, sitzen auf der Dachterrasse oder trinken aus Pappbechern Wein am Fluss. Nur ich bin hier. Mal wieder.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Studieren ist machbar. In die Bibliothek gehen, Texte lesen, seinen Bachelor in sechs Semestern abschließen sind alles Dinge, die man genauso gut schieben, sein lassen oder gegen entspannte Nachmittage am Badesee tauschen kann. Uni ist eine Blase in der Realität, in der Durchwursteln nicht immer, aber doch meistens erlaubt ist. Die Verantwortung kommt später. Für die meisten ist Studium deswegen eine gelungene Abwechslung aus Prokrastination und kurzen, anstrengenden Lernphasen in der Prüfungszeit.
Doch es gibt einen kleinen Kreis an Studenten, die sich durch das Studium quälen. Weil sie Perfektionisten sind, verfluchte Selbstoptimierer. Wie ich. Was meinen Freunden die schönste Zeit ihres Lebens bereitet, wird mir zum Verhängnis: die Freiheit des Studiums. Die Selbstorganisation, ohne Vorgaben, Strukturen und Pflichten. Aber eben auch ohne jemanden, der mich ausbremst, wenn ich über das Ziel hinausschieße, zu tief in ein Thema eintauche. Der mich in meiner Arbeitswut bremst, das Buch zuklappt und mich zwingt, endlich einen Satz aufzuschreiben, statt mich endlos in ein Thema einzulesen.
Perfektionistische Studenten, gefangen zwischen den Bücherregalen der Bibliothek.
Die Hölle, das sind die Hausarbeiten. Denn Wissenschaft ist bodenlos. Entweder man paddelt an der Oberfläche oder stürzt sich hinein. Man kann immer noch mehr machen, einen Aufsatz mehr lesen, auf den ein paar Autoren hinweisen. Noch die eine Monographie vorbestellen, die so gut zum Thema passt. Am Ende des Tages stehen kaum mehr schwarze Buchstaben in Times New Roman Größe 12, Zeilenabstand 1,5, in meinem Word-Dokument. Nur der Stapel der Bücher, die ich irgendwie gerne zitieren würde und deswegen noch lesen muss, ist gewachsen.
Dabei ist all die Lesewut nur der Versuch, das wirklich Ungeliebte aufzuschieben: Sätze in die Tastatur meines Laptops zu tippen. Weil es sich anfühlt, wie Dinge in Stein zu meißeln, die in meinem Kopf schwirren und dort durch unzählige Gedankenbrücken miteinander verbunden sind. Für die Hausarbeit brauche ich hingegen Kapitelabschnitte, klare, einfache Sätze und Bezeichnungen. Kurz: Ich habe eine Hausarbeiten-Schreibblockade. In Kombination mit einer unglaublichen Begabung, mich zu verzetteln.
Deswegen läuft es dann meistens auf Gleiche heraus: Ich sitze in der Cafete, schlinge eine Breze mit Filterkaffee aus dem großen Zuber herunter und trotte danach wieder zurück in den Lesesaal. Dort sitze ich dann mit meinen fünf Leuchtmarkern und den Bücherstapeln, die ich tagsüber um mich geschart habe. Umgeben von Studenten, die noch feuchte Haare vom Badesee haben und die das schlechte Gewissen erst abends in den Lesesaal getrieben hat. Aber auch von anderen Drückebergern, chronischen Aufschiebern und Schreibmimosen. Ich bin nicht allein.
Trotzdem frage ich mich in den düsteren Stunden des Filterkaffees immer wieder, warum gerade ich mich selbst so unter Druck setze. Nicht wie meine Freunde Zitate aus verschiedenen Quellen zusammenklauben und in die Arbeit hineinstreuen kann. Ich könnte behaupten, dass ich mich schlicht und einfach für mein Studium interessiere. Jemand bin, der es liebt, tausend Querverbindungen im Kopf zu haben. Aber mit dieser Antwort würde ich es mir selbst zu leicht machen. Ich fürchte, dass der wahre Grund für meine quälenden Nachtschichten viel unangenehmer ist: Ich definiere mich wohl ziemlich über meine Leistungen. Noten - besser gesagt: gute Noten - sind mir wichtig. Das kann ich in der Theorie so sehr ablehnen wie ich möchte. Das kalte Gefühl im Bauch, dass ich weiterlesen und weiterarbeiten muss, bleibt.
Doch es gibt eine Erkenntnis, die mich tröstet: Die echte Welt außerhalb des Lesesaals treibt mir den Perfektionismus schon noch aus. Wenn ich in den Semesterferien arbeite, muss ich mich zusammenreißen, schreiben, auf den Punkt kommen. Weil es einen Feierabend gibt, eine Deadline. Für meine Freunde ist das Studium wie ein Luftholen vor dem echten Arbeitsleben. Ich hingegen freue mich schon darauf, nach einem Achtstundentag befreit durchatmen zu können. Denn im Büro kann ich nicht einfach im Schein meiner Tischlampe sitzenbleiben, bis ich das Gefühl habe, alles gelesen zu haben.
Abends wird es ruhig zwischen den Bücherregalen. Keine gezischelten Gespräche mehr, keine knisternden Plastiktüten von Studenten, die ihre Sachen packen. Nur das Surren der Laptoplüftungen bleibt in der Bibliothek. Das Deckenlicht im Lesesaal ist gedimmt, die Tischlampen werfen Lichtkegel auf die wenigen Arbeitsplätze, die noch besetzt sind. Darunter glühen die Bildschirme der Laptops: mal mit Word, mal mit Facebook. Meine Freunde grillen auf der Liegewiese, sitzen auf der Dachterrasse oder trinken aus Pappbechern Wein am Fluss. Nur ich bin hier. Mal wieder.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Studieren ist machbar. In die Bibliothek gehen, Texte lesen, seinen Bachelor in sechs Semestern abschließen sind alles Dinge, die man genauso gut schieben, sein lassen oder gegen entspannte Nachmittage am Badesee tauschen kann. Uni ist eine Blase in der Realität, in der Durchwursteln nicht immer, aber doch meistens erlaubt ist. Die Verantwortung kommt später. Für die meisten ist Studium deswegen eine gelungene Abwechslung aus Prokrastination und kurzen, anstrengenden Lernphasen in der Prüfungszeit.
Doch es gibt einen kleinen Kreis an Studenten, die sich durch das Studium quälen. Weil sie Perfektionisten sind, verfluchte Selbstoptimierer. Wie ich. Was meinen Freunden die schönste Zeit ihres Lebens bereitet, wird mir zum Verhängnis: die Freiheit des Studiums. Die Selbstorganisation, ohne Vorgaben, Strukturen und Pflichten. Aber eben auch ohne jemanden, der mich ausbremst, wenn ich über das Ziel hinausschieße, zu tief in ein Thema eintauche. Der mich in meiner Arbeitswut bremst, das Buch zuklappt und mich zwingt, endlich einen Satz aufzuschreiben, statt mich endlos in ein Thema einzulesen.
Perfektionistische Studenten, gefangen zwischen den Bücherregalen der Bibliothek.
Die Hölle, das sind die Hausarbeiten. Denn Wissenschaft ist bodenlos. Entweder man paddelt an der Oberfläche oder stürzt sich hinein. Man kann immer noch mehr machen, einen Aufsatz mehr lesen, auf den ein paar Autoren hinweisen. Noch die eine Monographie vorbestellen, die so gut zum Thema passt. Am Ende des Tages stehen kaum mehr schwarze Buchstaben in Times New Roman Größe 12, Zeilenabstand 1,5, in meinem Word-Dokument. Nur der Stapel der Bücher, die ich irgendwie gerne zitieren würde und deswegen noch lesen muss, ist gewachsen.
Dabei ist all die Lesewut nur der Versuch, das wirklich Ungeliebte aufzuschieben: Sätze in die Tastatur meines Laptops zu tippen. Weil es sich anfühlt, wie Dinge in Stein zu meißeln, die in meinem Kopf schwirren und dort durch unzählige Gedankenbrücken miteinander verbunden sind. Für die Hausarbeit brauche ich hingegen Kapitelabschnitte, klare, einfache Sätze und Bezeichnungen. Kurz: Ich habe eine Hausarbeiten-Schreibblockade. In Kombination mit einer unglaublichen Begabung, mich zu verzetteln.
Deswegen läuft es dann meistens auf Gleiche heraus: Ich sitze in der Cafete, schlinge eine Breze mit Filterkaffee aus dem großen Zuber herunter und trotte danach wieder zurück in den Lesesaal. Dort sitze ich dann mit meinen fünf Leuchtmarkern und den Bücherstapeln, die ich tagsüber um mich geschart habe. Umgeben von Studenten, die noch feuchte Haare vom Badesee haben und die das schlechte Gewissen erst abends in den Lesesaal getrieben hat. Aber auch von anderen Drückebergern, chronischen Aufschiebern und Schreibmimosen. Ich bin nicht allein.
Trotzdem frage ich mich in den düsteren Stunden des Filterkaffees immer wieder, warum gerade ich mich selbst so unter Druck setze. Nicht wie meine Freunde Zitate aus verschiedenen Quellen zusammenklauben und in die Arbeit hineinstreuen kann. Ich könnte behaupten, dass ich mich schlicht und einfach für mein Studium interessiere. Jemand bin, der es liebt, tausend Querverbindungen im Kopf zu haben. Aber mit dieser Antwort würde ich es mir selbst zu leicht machen. Ich fürchte, dass der wahre Grund für meine quälenden Nachtschichten viel unangenehmer ist: Ich definiere mich wohl ziemlich über meine Leistungen. Noten - besser gesagt: gute Noten - sind mir wichtig. Das kann ich in der Theorie so sehr ablehnen wie ich möchte. Das kalte Gefühl im Bauch, dass ich weiterlesen und weiterarbeiten muss, bleibt.
Doch es gibt eine Erkenntnis, die mich tröstet: Die echte Welt außerhalb des Lesesaals treibt mir den Perfektionismus schon noch aus. Wenn ich in den Semesterferien arbeite, muss ich mich zusammenreißen, schreiben, auf den Punkt kommen. Weil es einen Feierabend gibt, eine Deadline. Für meine Freunde ist das Studium wie ein Luftholen vor dem echten Arbeitsleben. Ich hingegen freue mich schon darauf, nach einem Achtstundentag befreit durchatmen zu können. Denn im Büro kann ich nicht einfach im Schein meiner Tischlampe sitzenbleiben, bis ich das Gefühl habe, alles gelesen zu haben.