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Unsere Stadt soll schöner werden

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Wenn du nur von hässlichen Dingen umgeben bist, wirst Du irgendwann selber hässlich.“ Das sagt die rauchig umdüsterte Stimme aus dem Off, im aktuellen Werbespot der Hornbach-Gruppe, die zu den größten Betreibern von Bau- und Gartenmärkten in Europa zählt. Zu sehen ist ein Mann von hinten. Kapuzenpulli. Spitzhacke über der Schulter. Morgengrauen.




Unseren Städten fehlt eine kulturell-gesellschaftliche Absprache, keine Verzierungen im eigenen Garten, meint Gerhard Matzig 

Wie er so dasteht und die Stadt überblickt, Brücken, Häuser, Straßen und Plätze, erinnert er an den Sensenmann. Nur dass Gevatter Tod nicht als Schnitter unterwegs ist im Sinne des Propheten Jeremia, also um uns zu nehmen „das Kind von der Straße weg, von den Plätzen die jungen Männer“. Er ist unterwegs im Sinne des Hornbach-Marketings, um uns zu bringen...eine Seilspann-Markise, den Kletterfelsen „Step2“, einen Carport-Bausatz und womöglich die zaunartige PVC-Sichtschutzmatte „in Efeuoptik“.

Diese je drei Quadratmeter großen Zaunersatz-Teile in Efeuoptik sind, das Stück zu je 39,95 Euro, aus Plastik. Sie „imitieren natürlichen Bewuchs“, wobei sie an jene Kunststoffblumengedecke von der Autobahnraststätte erinnern, deren Anblick man nur mit Hilfe eines guten Traumatherapeuten überwinden kann. Wer diesen Efeu genau betrachtet, muss über die selbstbewusste Ästhetik-Lehre der Hornbach-Kampagne staunen.

Die Kampagne heißt „Mach was gegen Hässlich“ und versucht derzeit per Spot, Plakat oder im Netz (via Instagram oder Facebook) die Schwarmintelligenz zu nächtlichen Verschönerungsaktionen mit Hilfe des Baumarkt-Grabbeltisches zu motivieren. Mit Blick auf den Grabbeltisch (ob nun bei Hornbach, Obi, Bauhaus oder wie sie alle heißen, das ist egal, denn in ästhetischer Hinsicht sind die Sortimente kaum zu unterscheiden) ist zu befürchten: Es könnte statt um Schwarmintelligenz auch um Schwarmdemenz gehen.

Der Kapuzenschnitter aus dem Spot sagt: „Ganz egal, ob Du nur deinen alten Gartenzaun streichst oder gleich Deine ganze Nachbarschaft verschönerst, pack an und mach was gegen Hässlich.“ In diesem Sinn soll man Häuser streichen und aus alten Autoreifen am Wegesrand Blumenbeete machen; man soll Plastikrutschen aufstellen und U-Bahn-Abgänge oder Unterführungen von ihrem Betonelend befreien. Mit Hilfe des Baumarkt-Farbfächers changiert dann auch die ödeste Treppe zwischen Minz-Grün und Tebartzvanelst-Purpur. Schön ist das. Revolutionär. Ein gemeinsamer Akt des Widerstands. Und dazu auch eine Art virale Architekturkritik mit hoher street credibility. Im Clip ist dann noch der typische Hornbach-Jingle zu hören: Yippiejaja-yippie-yippie-yeah. Übersetzt heißt das: „Es gibt immer was zu tun.“ Beziehungsweise: Mache dir die Welt untertan! Beziehungsweise: Widewide wie sie dir gefällt. Tatsächlich: Der villakunterbunthafte Spot bringt die Gegenwart des individualistischen Do-it-yourself-Aufbegehrens auf den Punkt. Er illustriert unsere Zeit. Das macht die Kampagne so denkwürdig.

Bliebe dieses Etwas, das es immer zu tun gibt, im privaten Raum, appellierte also die Baumarkt-Philosophie einfach an die Lust, einen Porzellanschwan mit Kaktus für die Fensterbank zu erwerben: na und. Nirgendwo ist die Baumarktdichte so hoch wie in Deutschland. Ob aber diese Art des Discounter-Interior-Designs nun geschmacksbildend genutzt wird oder nicht: Das ist eine individuelle Entscheidung – und über Geschmack kann man nicht streiten. Allerdings gilt das nur, so lange dieser Geschmack privater Natur bleibt. Nun aber wird man aufgerufen, „gleich die ganze Nachbarschaft zu verschönern“. Und da wird es interessant – es geht jetzt nämlich um den öffentlichen Raum. Der in der Kritik steht wie kaum jemals zuvor.

Im Spot wird eine Stadt gezeigt, die nicht beliebig ist: Es ist die Stadt. Ein Ort der Tristesse, eine karge, depressiv verstimmende Betonwüste, die nach Maßgabe der Baumarkt-Farbskala nur den Bereich zwischen Mausgrau, Steingrau und Schiefergrau kennt; in der es nur Schachtelhäuser gibt – und Wohnregale. Müsste man den Clip in Begriffe übersetzen, es käme exakt das heraus, was auch in der öffentlichen Debatte um Architektur und Städtebau immer wieder aufscheint, ob in Foren oder auf den Leserbriefseiten, anlässlich der zunehmenden Projekt-Beteiligungsverfahren oder – am anderen Ende des bürgerlich-demokratischen Engagements – am Stammtisch. Ernst Bloch nannte die Architektur der Moderne, um die es letztlich auch Hornbach geht, „reisefertig“. Alexander Mitscherlich nannte die Städte als Stätten dieser Reisefertigkeit „unwirtlich“. Tom Wolfe nannte es „grell und hell und hehr und leer“, während Martin Mosebach zuletzt von „Monstrosität und Lächerlichkeit“ schrieb. Kein Wunder, dass Harald Martenstein schon vor Jahren auf die glossenhafte Idee gekommen ist, das „Architekturverbrechen“ ins Bürgerliche Gesetzbuch einzuführen. Das Leiden am Raum ist schon längst Allgemeingut.

Nur lässt es sich nicht lindern mit der individuellen Neigung zur Schönheit. Im Gegenteil: Hätte die Hornbach-Kampagne, die interessanterweise auch die zeitgeistige Welle der „Kultur der Reparatur“ (Wolfgang Heckel) reitet, Erfolg, so führte das direkt in die Hölle. Die Welt wird durch den Baumarkt nicht schöner (weil individueller oder gar menschlicher) – sondern tatsächlich nur noch hässlicher. Unsere Städte sind nicht (nur) deshalb so grausam, weil sie von unfähigen Stadtplanern und ignoranten Architekten ruiniert werden – sondern, in weit größerem Maßstab, weil wir unseren Alltag nach Maßgabe der Billigkeit und Pflegeleichtigkeit und Wegwerfbarkeit der Baumärkte ruinieren. Das gilt, denn „man kommt der Architektur nicht aus“ (Adolf Loos), für den öffentlichen wie für den privaten Raum. Siehe Efeuoptik.

Was den Städten fehlt, das sind nicht die individuell blauen Dachziegel aus dem Baumarkt, mit denen man meint, etwas Besonderes zu sein – doch um den Preis, sich ohne Gemeinsinn gemein zu machen mit all den anderen Individualisten. Was fehlt, sind nicht die schäbigen Carport-Missverständnisse (die mit Walmdach-Aufpreis noch gruseliger sind als ohne). Was fehlt, ist die Erkenntnis, dass die Schönheit der Stadt eben nicht im Auge des Betrachters liegt, sondern einer kulturell-gesellschaftlichen Absprache entspricht. Schönheit ist daher dort, wo der Baumarkt nicht ist. Man muss sich die absurd klobigen, menschenfeindlichen, renditefreundlichen Behältnisse der armselig gekleideten, sich lediglich farblich schreiend prostituierenden Hochregallager inmitten unserer Städte nur ansehen, um zu begreifen, dass von dort keine Rettung zu erwarten ist.

Genau das ist das Paradoxon, das besagtem Spot zugrunde liegt: Wir akzeptieren diesen Wahnsinn und frequentieren die Baumärkte in Deutschland an den Wochenenden millionenfach – einfach, weil sie uns etwas Billiges bieten: Discountbaukultur jeder Unart. Billig sind die Märkte aber auch deshalb, weil sie auf Qualität verzichten. Man weiß es, das ist ja der Deal. Billig ist: eine tote Fassade. Billig ist: maßstabslos. Billig ist: gut erreichbar über breiige Straßen. Billig ist: umgeben von einer Parkplatzsteppe. Mach was gegen Hässlich. Verdammt gute Idee.

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