Ich möchte manchmal, dass du gehst und nie wieder kommst. GEH WEG! möchte ich schreien und bitte komm einfach nie wieder. Ich möchte dich mit aller Überzeugungskraft, die ich aufbringen kann, von mir fernhalten. Ich möchte riesige Graben zwischen uns ausheben und Mauern aufschütten, höher als alles, über das man klettern kann. Ich möchte Grenzen ziehen und Anknüpfungspunkte ausradieren. Ich möchte alle Fäden durchschneiden und Verbindungen kappen.
Du gehörst hier nicht her, an meine Seite, du würdest irgendwann ertrinken, in meinem Strudel, in meinen Tränen, in meiner Verzweiflung. Ich kann mich kaum halten, geschweige denn uns beide. Meine Welt ist eine andere als deine. Es ist dunkel hier und kalt. Spitze Felsformationen ragen in den grauen Himmel, der wie eine bleierne Decke über allem liegt und nicht nur den Blick, sondern auch das Atmen hemmt. Wer mit nackten Füßen läuft, dem bluten die Zehen vom spitzen Geröll und wenn einmal die Sonne scheint, dann so sengend heiß, dass die Haut Blasen wirft und die Kehle trocken wird. Aber die Quellen hier sind brackig und braun. Ich negiere nicht die Existenz von schönen Momenten, von solchen, die alles in Gold tauchen (selbst blutige Zehen). Die sind wahnsinnig schön, aber nicht von Dauer.
Hin und wieder wird es mir gelingen, deinen Blick zu teilen. Ich werde die Welt sehen können, wie du sie siehst. Ein heller Ort, voller Möglichkeiten und Potentiale. Du negierst nicht die Existenz von schlimmen Momenten, die alles dunkel färben, aber sie sind nicht von Dauer. Für mich aber schon. „Gemeinsam stehen wir das durch“, sagst du. Und ich frage mich dann immer, ob du mit „das“ dieses ganze beschissene Leben meinst.
Ich bin niemand, der glaubt, die Liebe könne es richten. Es ist nicht deine Aufgabe, mich glücklich zu machen. Dass du glaubst, es sei deine: Heroisch, aber hoffnungslos. Ich versuche es seit Jahren. Fokusverschiebung, Neuprogrammierung, Umdenken, umschwenken. Aber ich habe nur ein One-way-Ticket gebucht und im Übrigen scheint der Bahnhof verschwunden. Im Land, dass sich „wozu denn?“ nennt sind die Verbindungen schlecht, die Anschlüsse sporadisch und oft genug liegen sie lahm.
Für dich ist „das“ eine Phase. Ist mein Habitat ein Land abseits des Weges, von dem ich einmal abgekommen bin und du glaubst, wenn du mir nur die rechten Karten reichst, meine Kompassnadel auf Kurs bringst und meine Navigationssystem aktualisiert, dann kehre ich zurück ins Glück. Du glaubst, wenn du mir die Augen öffnest, wenn du mir einen Schubs gibst, wenn du mich ermunterst, dann werde ich die Grenzen überschreiten, die mich jetzt einzuengen scheinen. Als mangle es nur am richtigen Zaubertrank, am entscheidenden Impuls, an einer Wasserwaage für die Gemütslage.
Für mich ist „das“, was ich bin, wie ich lebe, was ich empfinde. Nämlich, dass das Leben durchaus was zu bieten hat, aber nicht zwangsläufig Großes. Dass das hier eine seltsame Veranstaltung ist und wir seltsame Partizipanten. Kreaturen, geboren um zu sterben und das sehenden Auges mit einem Bewusstsein, dass in der Lage zu sein scheint sich selbst zu reflektieren, aber niemals zu transzendieren. Dass wir gefesselt sind an furchtbare ordinäre Ketten aus Fleisch und Fasern, aus Synapsen und Neuronen, aus angelernten Wissen und Referenzen, die alle aufzudecken uns nie gelingen wird. Dass wir Tiere sind, Schönster, Tiere, die nichts als Affekten unterliegen und sich ein homogenes, intaktes Ich vorgaukeln, damit all das nicht so schmerzhaft ist. So wie man sich flüsternd Gute-Nacht-Geschichten erzählt, um die Dunkelheit zu vertreiben. Dass all das Zaubern und Zaudern, Zänkereien und Zimmerein, das Keuchen und Fleuchen einer gewissen Absurdität, die manchmal ins Lächerliche kippt, nicht entbehrt. Dass wir irgendwann zu Staub zerfallen werden und es nichts ändern wird, wenn wir uns in der Zwischenzeit wie großspurige Helden benehmen, mächtige Macher oder kleinspurige Kleinkarierte. Dass nichts etwas ändern wird. Wir werden vergessen worden sein. Dass wir Irrlichter sind.
Aber du, du streichst das „irr“ und behauptest Licht. Du kommst in meine Welt geschneit, wie der erste Schnee in eine Großstadt. Du brachtest den Neuschnee unter dessen Decke die Welt verschwindet und dessen Weiß in den grauen Himmel schimmert. Alle Geräusche gedämpft, alle Bewegungen verlangsamt, stiller Frieden macht sich breit und alles wird entzückend abgerückt. Glaub mir, ich mag das. Wie wir oben aufstehen und dem sanften Knirschen unser Bewegungen lauschend die Flocken von den Wimpern blinzeln. Aber Schnee schmilzt und zum Vorschein kommt, was unter ihm ist. Denn der deckt das „das“ nur über, aber ändern tut er es nicht.
Du glaubst mir nicht, du hörst gar nicht richtig hin, du übersiehst, dass der Schnee schon sulzig ist und an manchen Stellen in spritzenden Bächen das Weite sucht. Genau wie du es tun solltest. Denn ich kann hier tanzen manchmal, trotz allem, aber ich befürchte, du wirst dir die Beine brechen. Jetzt wo sie noch heile sind, nimm sie in die Hand, schnür die Schuhe, pack deine sieben Sachen und dein Herz und lauf, solange dein Licht dir noch den Weg durch die Düsternis leuchtet. Und unterstell mir nicht, ich täte hier einen auf Heldentat. Unterstell mir nicht, ich müsse auch einmal an mich denken und sag nicht, du dürfest doch immer noch entscheiden, was für dich auszuhalten sei. Ich denke hiermit auch an mich, denn wenn du den Sinn von meinem Trüb trennen willst, kontrastiert deine Leichtigkeit meinen Schwermut. In deinem Licht sehe ich meine Schatten deutlicher als je zuvor. Also wunder dich nicht, wenn du mich in Stacheldraht gewickelt findest und in den Lauf meiner Pistole starrst, und frag mich nicht, warum ich den Schnee föhne und Exit-Schilder montiere.
Es ist, weil wir einander nichts zu geben haben, als Hoffnung und die ist bloß hoffen ohne Suffix und hoffen ist bloß warten in dem Glauben, etwas möge geschehen und ich nicht glauben kann. Es ist, weil wir einander nichts zu geben haben als Liebe und Liebe das größte Versprechen ist. Aber die größten Versprechen auch immer die größten (Ver)brechen sind und darin bin ich gut. Es ist weil also nichts bleibt und ich dir alles wünsche.
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